Freitag, 30. Januar 2015

Geduld ist eine Untugend

Wie die meisten Menschen, da sind wir doch mal ehrlich, halte auch ich mich für äußerst tugendhaft. Bedauerlicherweise erfährt diese Selbsteinschätzung eine gewichtige Korrektur, seitdem ich versehentlich im Brockhaus das Wort „Geduld“ erblättert habe und dort allerlei lernte, allem voran über mich selbst. Geduld, so lese ich, bezeichne die Fähigkeit zu warten, werde oft als Tugend bezeichnet, deren Gegenteil folgerichtig die Ungeduld sei. Als geduldig erweise sich, wer bereit ist, mit ungestillten Sehnsüchten und unerfüllten Wünschen zu leben oder diese zeitweilig bewusst zurückzustellen. Das bedeutet: warten. Und da muss ich leider sagen: NEIN! Ich hasse warten. Warten, das bedeutet, dass Dinge nicht oder nur sehr langsam voran gehen, und jede Sekunde, die verstreicht, während Dinge nicht oder nur sehr langsam voran gehen, bereitet mir nachgerade körperliche Schmerzen.

Da hilft es nichts, dass ich mir eine (zugegebenermaßen sehr individualisierte) Form des Buddhismus angeeignet habe – die Welt soll gefälligst immer und stetig sich in dem Tempo bewegen, das ich mir in den Kopf gesetzt habe. Tut sie das nicht, werde ich schwierig. Kann ich auch mit leidlich verhohlener Schwierigkeit keinen Einfluss nehmen auf besagtes Tempo, werde ich drei Jahre alt und möchte, das kennen wir bereits, mich tobend auf den Boden schmeißen und meiner Empörung darüber Ausdruck verleihen, dass die Welt sich meinem Willen zu widersetzen wagt. Jetzt erfährt diese Haltung, die sich im Alltag gerne in einer gewissen Nervosität und Hudeligkeit äußert, mit der selbstverständlich andauernd kleine bis größere Missgeschicke einhergehen, weil es halt dann unterm Strich doch schneller wäre, dreimal zu laufen statt einmal und dann eine dreiviertel Stunde das Treppenhaus von entglittenem Altglas zu befreien, neuerdings eine Einschränkung.

Nämlich dergestalt, dass ich mir selbst zu langsam bin. Da hilft kein Toben und Schreien, sondern einzig eine dann doch wirklich beinah religiöse Demut. Die es aber erstmal zu erwerben gilt. „Geduldig ist auch, wer Schwierigkeiten und Leiden mit Gelassenheit und Standhaftigkeit erträgt“, lerne ich weiter, und „diese Fähigkeit ist eng mit der Fähigkeit zur Hoffnung verbunden.“ Und die stirbt ja bekanntlich zuletzt. Übe ich mich also hinsichtlich meiner „Ausdauer im ruhigen, beherrschten und vor allem nachsichtigen Ertragen“ und, um mit dieser „sittlich wertvollen Eigenschaft“ zu althergebrachter Tugendhaftigkeit zu finden.

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