Freitag, 29. Mai 2015

Wir lieben Fliegen!

Neuerdings gehe ich wieder intensiv meiner Lieblingsehrenamtlichentätigkeit nach. Ehrenamt, das haben wir schon gelernt, ist toll, weil zwar schlecht für Konto, aber gut für Karma und Gesellschaft. Jetzt spreche ich aber natürlich nicht vom Verfassen dieser Glosse, iwo, das mach ich ja dauernd. Sondern vielmehr sieht es so aus, dass das Tätigkeitsfeld sich rund um den Wöhrder See und entlang unseres geliebten Flüsschens befindet. Da bewege ich mich also – vorzugsweise in den Abendstunden, vorzugsweiserer mit dem Fahrrad, wegen mehr Flächenabdeckung in weniger Zeit. Wenn ich das ein bisschen getan habe, lasse ich mich nieder am Söderstrand – der heißt so, weil den seinerzeit der Maggus gewaltsam aus dem Seeboden hat stampfen lassen, um sich anschließend käsezehenpanierend als repräsentatives Fotomodell zu Propagandazwecken anzudienen – und die Fledermäuse in meinem Haar herumpicken. Die freuen sich, bekommen sie doch ihr Abendmahl kompakt und auf Rädern geliefert, anstatt sich im wabernden Shishadunst zu verirren. Und ich freu mich, weil ich einer Reuse gleich mit wenig Aufwand sehr viel eingefangen habe.

Mein Bestreben ist es fürderhin, bei dieser Tätigkeit möglichst viel den Mund möglichst weit offen zu haben – das erhöht die Fangquote beinahe exponentiell, und hinterher sieht das Gebiss zwar ähnlich verdächtig nach Klaviertastatur aus wie nach dem Genuss eines Mohnkuchens, aber ein weiteres Merkmal des Ehrenamtes ist ja die selbstlose Hingabe und Aufopferung, und für den Proteinhaushalt ist auch gleich was getan. Der Nonplusultratrick, der neben der Bekleidung mit möglichst hellen, möglichst gelbtönigen Farben angewendet werden kann, ist jedoch einer, den ich mir auf dem Bauernhof, der neben dem Haus meiner Oma aufgewachsen ist, und in dem ich naturgemäß viel zu Gast war, um zu schauen, woher eigentlich diese Chicken McNuggets kommen, die es an Zeugnistagen immer gab, abgeschaut habe, und in dessen Kuhställen so lange, gelbe Klebebänder von der Decke baumelten, auf dass das Geschmeiß dort eine letzte, ewige Ruhestätte finden möge.

Was so gut funktioniert hat, dass auch bei der Oma überall so hängende Gräber zu finden waren. Und was ein Kuhstall – quod licet bovis, licet katharinae! – kann, kann ich schon lange, deswegen schmier ich mir, wenn ich besonders frivoler Gesinnung bin, vor meiner Jagd möglichst dick Wetlipgloss um den Mund. Nach einer großen Runde um den See sieht man dann ungefähr so aus wie ein Nadelkissen, nur dass die Nadeln nicht in Bestandteile wie Flügel, Beine und Körperflüssigkeit zerfallen sind, wenn man sie vom Kissen entfernen wollte. Ach, ja, falls das noch einer Erläuterung bedürfen sollte: Die Rede ist hier natürlich von den Fliegenschwärmen, die das für die Region typische Sumpfgebiet umwölken. Muss ich wirklich immer alles erklären? Auch meine Nächstenliebe hat Grenzen. Also ksch!, weg mit euch!

Freitag, 22. Mai 2015

Kartoffelaphorismus

Neulich gab’s zu Abend Kartoffeln mit Kräuterquark. Das entsprang weder einer diätetischen noch hochkulinarischen Idee sondern einzig dem Umstand, dass ich mich zwei Wochen zuvor im Feinkost Albrecht des Sacks Kartoffeln entsonnen hatte, der da in der Kammer des Schreckens versuchte, aus seinem netzernen Gefängnis zu wachsen, um fürderhin meine ganze Wohnung in einen Kartoffelacker zu verwandeln, auf dass ich mir ein Zubrot als glockenschwingender Kartoffelbauer verdienen und aus dem Wohnzimmerfenster heraus … Naja, also jedenfalls befand sich dann der Kräuterquark daheim, und kaum waren zwei weitere Wochen vergangen, archäologisierte ich ihn auch schon aus den Untiefen des gut bestückten Kühlschranks, in dem aus meteorologischen und picknicktechnischen Gründen derzeit Wichtigeres die Oberhand hat. Prosecco, Weißwein, so Sachen.

Nachdem ich kurz mit der Egge durch die Kammer des Schreckens gejätet hatte, konnten auch schon die Kartoffeln aus dem Netz gefischt werden, die sich als renitent weil mit wurzligen Auswüchsen in stockholmsyndromatischer Manier im Geflecht festkrallend erwiesen. Nach weiteren notwendigen Handgriffen stützte ich mich körperlich ermattet und ausgelaugt auf das lukullische Mahl. Äh, stürzte. Welch Hochgenuss, freute ich mich, und tauchte Kartoffeln in Quark, arrangierte Schnittlauchschnipsel zu Mandalas auf dem Teller. Nach der dritten Gabel befiel mich ein diffuses Störgefühl, nach der fünften Genervtheit, nach der sechsten Ekel.

Memo an selbst, notierte ich: Geschmack und Attraktivität von Kartoffeln mit Kräuterquark verhalten sich direkt proportional zum Hunger. Igitt. Diese Erkenntnis von naturwissenschaftlich großer Bedeutsamkeit teilte ich alsgleich der Freundin mit. Doch anstatt mir zu applaudieren und mich für Forscherpreise vorzuschlagen, sprach sie lediglich: „Butter! Ganz wichtig: Butter!“ Irritiert frug ich zurück, ob sie das zusätzlich zum Quark meine, weil das sei ja wie ganz wichtig die Sahne auf dem leichten Obstsalat. „Nix leicht!“, erscholl die Antwort. „Die heißen Kartoffeln mit viel Butter zerdrücken, dann Vollfettquark und 50% fettigen Käse … boah … könnt ich sterben für!“ Weil ich überhaupt keinen blassen Dunst mehr habe, was ich mit dieser Episode transportieren wollte, behaupte ich einfach, dass sich zwischen den Zeilen eine irrsinnig tiefgründige Moral verbirgt, die ein jeder mit wenigen Gedankensprüngen für sich entdecke.

Freitag, 15. Mai 2015

Einhornhintern

Neulich habe ich mit einer Zwölfährigen ein wichtiges Gespräch geführt. Es ging darum, dass ihr mangels väterlicher Toleranz der Besitz eines Haustiers verwehrt würde, wegen Geruchs-, Haar- sowie Verantwortungsbelästigung. Ich hörte die Klagen, musste aber zu meinem aufrichtigen Bedauern dem erzieherischen Plädoyer stattgeben. Bis zu dem Punkt, an dem mein weltschmerzgeplagtes Gegenüber mit weidwundem Blick sprach: „Nicht mal ein Einhorn darf ich!“ „WAS?“, empörte ich mich, „das ist ja unerhört!“, und es erfolgte ein hurtiges Einverständnis darüber, den ignoranten Vater fürderhin mit Verachtung zu strafen, um sich über das gemeinsame Sorgerecht des fabulösen Huftiers zu einigen. 

Nach einem kurzen Streit, wer denn bei den täglichen Ausritten vorne sitzen dürfe – weil vorne muss man, vorne kommt die regenbogenglitzernde Einhornkotze raus, das weiß ja wohl jeder – und ich listig vorschlug, man könne dem Wesenhintern vielleicht eine Hornattrappe aufsetzen, der Unterschied fiele doch nun wirklich kaum auf, besänftigte mich das kluge Kind, indem es mich in Kenntnis setzte darüber, Einhörner defäkierten schließlich in Pinkglitzerknödeln, und das sei doch sehr praktisch, wenn ich die direkt auffangen und meine Umwelt damit bewerfen könne. Weil das Tier jedoch auch in derselben Farbe niese, wandte ich ein, sei doch bitte vom Felltyp „Pinkglitzer“ abzusehen und sich auf „Weißglitzer“ zu einigen, sonst sehe man ja gar nicht, wenn sich das Einhorn vollgerotzt habe und fasse dann immer in den Schleim. 

Folgerichtig herrschte eine Zweidrittelmehrheit über die Haustierwahl, man besiegelte den Vertrag mit einer Limo, um sich dann darüber zu verständigen, dass Haggard, der vermeintlich garstige König aus dem Achtzigerjahretrickfilm, gar nicht so böse sein könne, wolle er doch schließlich die Einhörner nur für sich haben, weil er sie so liebe, und wie könne ein solcher Mensch nur böse … Mein dezidiertes Wissen über diese Fabelwesen beziehe ich nun nicht nur aus dem intensiven Studium besagten Films, sondern dem Umstand, dass in meiner kompletten, zumal erwachsenen Umwelt ein Konsens darüber besteht, Einhörner seien derjenige Nonplusultrakitsch, der auch in einem Alter jenseits der zwölf zulässig ist. 

Was mich wundert, sehe ich mich doch mit ungläubigen Blicken konfrontiert, sobald ich zu Protokoll gebe, in meiner Wohnung habe sich hier und da die ein oder andere rosabeschleifte Asiatenkatze versteckt. Nimmt mich nicht mehr Wunder, reduziere ich „Einhorn“ auf primitive Schlüsselreize: Kombination aus Pony und Prinzessin plus eindeutiges Phallussymbol. Was jetzt vielleicht die Väter dieser Welt nicht unbedingt vergegenwärtigen sollten, sonst ist’s gleich wieder vorbei mit dem Haustier …  

Freitag, 8. Mai 2015

Heißheilige

Ich finde ja „Wetter“ völlig zu Unrecht verpönt als armseligen Aufhänger. Eignet sich doch immer ganz vorzüglich dazu, einen Konsens zu finden für eine weitere Unterhaltung. Findet auch der Knigges Adolph und rät “[…] Was man aufgrund des Wetters machen kann und möchte, eignet sich auch als Gesprächsstoff: Die Wettervorhersagen für das Wochenende sind gut, wir werden versuchen ins Umland zu fahren. Hier in der Nähe gibt es schöne Seen und Parks.“ Funktioniert natürlich umgekehrt ganz genau so. Weil wenn Wetter scheiße, dann Versuche ins Umland zu fahren wegen Seen und Parks eher nicht angezeigt, ganz einfach. Für weite Teile der Bevölkerung kommt auch in diesem Jahr wieder völlig überraschend dasjenige Phänomen, das im Bauernmund als „Eisheilige“ bezeichnet wird. Unerhört, mosert es, dabei ist doch jetzt immerhin schon Mai und damit quasi Hochsommer, da hätte man doch seit jeher in der sonnigen Kirschblüte gelustwandelt, sei zu einschlägigen Heidenkärwas gewallfahrtet oder habe sämtliche Biergärten der Stadt gleichzeitig einem Eröffnungsehrenbesuch unterzogen. 

Klimawandel, die Bahn, der Russe, alle sind schuld an dieser außergewöhnlichen Unbill, die uns allen den Tag der Faulheit sowie den Tanz in selbigen verhahahagelte. Dem gilt es, Einhalt zu gebieten, weil man kann’s ja nun wirklich nicht mehr hören. Zugegebenermaßen sind zumindest laut kalendarischer Regelhaftigkeit weder der Bonifaz noch die kalte Sophie schuld am derzeitigen meteorologischen Klimakterium. Die, tu felix  Germania, haben angeblich ihr Urlaubsbündel geschnürt, um die Republik als Heißheilige zu durchwandern. Ich kann aber mit an Sicherheit grenzender Vermessenheit sagen: Das war schon immer so Anfang Mai, und das wird es auch bleiben. 

Weiß ich, weil sich just wieder eine meiner Lieblingsdiskussionen jährte: Aus einer frühlingsgefühlsinduzierten Übermutslaune heraus initiiert eins eine große Landflucht, in Zweierreihen wollen wir über Wiesen spazieren, die Fränkische mit unserer großstädterischen Hoheit beehren, uns über das Leben im Allgemeinen und Luft und Schäufelepreis im Speziellen freuen. Nach tagelangen dezidierten Planungen landen wir dann: eingemummelt in einer Küche zum Weißwurstfrühstück und später noch eingemummelter auf einem Wiesenbiergarten, in dem zwischen den Garnituren fröhlich Enten schwimmen und vom Sonnenschirm sprühender Regen das Viertele in eine Halbliterschorle verwandelt, von der man sich wünsche, sie sei ein Glühwein, aber von dem hat man sich ja im zehn Grad wärmeren Dezember bereits übersoffen. Das halten wir jetzt mal hier so fest, und im kommenden Jahr können wir in der großen Sofa-Chronik nachschlagen und innehalten in der Pläneschmiederei, sonst wird aus dem Lustwandeln nämlich eh nur wieder ein Lust-Wandel. 

Zum Glück gibt’s ja noch dieses lust-ige „Drinnen“: „Club Bizarre“ (Ballhaus, Klingenhof), „Beatopia“ (Desi, Brückenstraße), „Pon di Attack“ (Nano, Königstraße), „Homemade“ (Seltene Erden, Luitpoldstraße), „Allstars Oldschool Edition“ (Indabahn, Bahnhof), „All in“ (Stereo, Klaragasse), „Sputnik“ (Mitte, Hallplatz) und Samstag „Retro Party“ (Parks, Stadtpark), „Knackig & Bassig“ (KKK, Königstraße), „Pull the Trigger“ (Hirsch, Vogelweiherstraße), „Kiss Klub“ (Rakete, ebd.), „Disco Classics“ (T90, Flughafen), „Reggae hit the town“ (Zentralcafé, Königstraße). Und jetzt möchte ich bitte endlich wieder weiter übers Wetter reden. Weil das IST aber auch lästig grade! 

Freitag, 1. Mai 2015

Hexhex

„Don’t it always seem to go, that you don’t know what you got ’til it’s gone“ sang die kleine, aber nicht minder nasenoperierte Schwester von Michael Gotthabihnselig Jackson Ende der 90er Jahre und räkelte sich dabei schweißglänzend auf Holzböden. Das war schön. Warum mir das ausgerechnet jetzt einfällt? Ja ich weiß auch nicht recht. Vielleicht, weil ich mich in den vergangenen Tagen selbst ausnehmend oft schweißglänzend auf Holzböden geräkelt habe. Obschon ungleich unfreiwillig. „Du weißt nicht, was du hast, bis es plötzlich weg ist“, lautet dann auch die Erklärung dazu. Du weißt nicht, wie prima sich so ein gesunder Körper anfühlt, bis der auf einmal ungesund ist. Dann fühlt er sich nämlich urplötzlich ausnehmend und nachdrücklich an, so ein Körper.

 Im vorliegenden Fall ist das so, dass sich in meinem Rücken eine Hexe ein Lager aufgeschlagen hat und dort nach Belieben auf und ab wandert und ihre eigene kleine Walpurgisnacht feiert. Im Gegensatz zum pünktlich vor dem 1. Mai zum Behufe der Vertreibung Vorgenannter entzündeten Feuer brennt die Hexe ihre eigenen Fackeln ab, um um diese herum zu tanzen und nicht daran zu denken, sich vertreiben zu lassen. Komisch, dabei bin ich doch nur drei Monate mit quasimodesker Elégance umhergewandert, da muss es doch nicht sein, dass im Gebälk ein Einsturz dräut. Ist aber so. Ich finde, jeder Mensch sollte mindestens einmal einem Hexenschuss anheimfallen. Das läutert und macht demütig. Das Leben wird gleich viel lebenswerter, wenn man sich nicht mehr morgens fühlt, als sei man eine Schnecke, die über Nacht in Salzlauge eingeweicht und darob auf ein Minimum zusammengeschrumpelt wurde. 

Wenn man nicht mehr morgens aufsteht, indem man sich in einer Haltung, die den in Pompeij unter historischer Asche verborgenen Kauergestalten in nachgerade obszöner Weise ähnelt, über die Bettkante fallen lässt, um solcherart auf dem Boden (!) zu verweilen und mittels ungezielter Dehn- und Atemübungen versucht, der Schrumpfschnecke wieder zu einem wenigstens hominiden Dasein zu verhelfen. Wenn man eulengleich in die Richtung blicken kann, in die es beliebt, anstatt knöchelaufwärts den ganzen Apparat mitdrehen zu müssen. Das sieht natürlich irre komisch aus, und selbstverständlich liegt mir nichts ferner, als nicht auf jedwede mögliche Art der Erquickung anderer zu dienen. Es beginnt ja jetzt aber auch die Kärwa-Zeit, und mit der einher geht traditionell das Betzenaustanzen. Und weil die Hexe ja sozusagen auch ein Teufel ist, bin ich bester Dinge, ihr mit dem heutigen Tage ein für allemal den Garaus zu machen, denn auch mein Entertainmentzwang kennt Grenzen. En garde!