Freitag, 24. Februar 2017

Nürnberg alaa...ssmichdochinruhmitfasching!

Am gestrigen Donnerstag wurde ich auf den offiziellen Beginn der ach so närrischen Zeit aufmerksam gemacht – gleich doppelt, hielt nämlich erst der amtshöchste Kasper stolz grienend eine so rote wie durchschnitte Krawatte in eine Kamera, derweil sich eine Kölner Freundin lauthals über Urlaub bis Aschermittwoch freute und dazu kryptisch eine Garderobenmarke fotografierte. Meine Frage, ob das die rheinländische Chiffre für „Ihr findet mich bis einschließlich Mittwochmorgen in der Pilsbar unten am Eck“ sei, wurde wutschnaubend und händeringend verzweifelt mit einem „Kannst du nicht einfach bitte herkommen? Ich kann das unmöglich erklären!“ beantwortet, woraufhin ich mich um ihre geistige Gesundheit sorgen und darlegen musste, dass ich schließlich Nürnbergerin sei und darob sofort zu Staub zerfiele, sobald ich mit diesem „Karneval“ in Berührung käme. Ja gut, ich mein: Auch hier ist „Fasching“. Damit wir das nicht vergessen, wird diese ausgelassen-fröhliche, bunte, wildtreibende Jahreszeit vom vereinzelten Verkauf von Krapfenboxen markiert und dadurch, dass der ein oder andere besonders frivole Metzger auch mal eine Luftschlange über die Wurstauslage wirft. Weiters finden wir in den Grabbelregalen der einschlägigen Discounter zwischen der wirklich wichtigen Saisonware – Weihnachtsartikel „jetzt 90 Prozent reduziert“ und vorsichtshalber, man weiß ja nie, ob man in den kommenden acht Wochen noch schafft, sich einzudecken, schonmal aufgetürmte Osternestbestückungsprodukte – auch gelegentlich eine saulustige Perücke, bei der man sich fragt, wer da hernach als Flokati gehen wird, oder das „niedliche Hummelkostüm für die ganze Familie“, das wohl noch von Halloween übrig war. Fürderhin gab’s vor Wochen mal eine Randnotiz, dass dem allerhöchsten Faschingsadel ein kleines Malheur unterlaufen und irgendwas mit Puderzucker verwechselt worden ist, was weder Karnevalist noch Öffentlichkeit weiter scheren muss, soll sich doch zumal letztere lieber darüber echauffieren, dass irgendwo auf einer Wiese Holzhütten nicht ordnungsgemäß abgebaut worden sind über den Winter, weswegen sie die Heerscharen von Bürgern, die im herrlichsten Sibirien- und Schmuddelwetter auf besagter Wiese weder Picknicken noch Capoeira üben noch Konzerte besuchen noch sich sonst irgendwie tummeln wollten, wahnsinnig gestört haben. Dafür hätten besagte Bürger aber auch gar keine Energie gehabt, denn die gilt es schließlich aufzusparen, um sich am kommenden Sonntag, während die ganze Innenstadt seit Tagen in einem einzigen tosenden Freudentaumel sich befindet, sich in den Armen liegt und feiert, als hätt‘ das letzte Stündlein geschlagen, beim ältesten Faschingsumzug der Galaxie gewaltig zu entladen. Wer sagt, die hohen Besucherzahlen speisten sich allein aus Ungläubigen, die sich von dem Elend lieber selbst überzeugen wollen, der lügt! Auf! 

Freitag, 17. Februar 2017

Morgenstund'

„Was machen wir eigentlich“, fragte die Freundin, „wenn wir so richtig alt sind? Um 3 Uhr aufstehen und die zweite Nachthälfte genießen?“ – „Nein!“, rief ich aus. „Dann stehen wir auf und fegen so lange demonstrativ den Gehweg, bis auch alle anderen endlich wach sind.“ Dem vorausgegangen war die Versendung des heiteren Spruchs: „Alt bist du, wenn du um 8.30 Uhr denkst: geil, ausgeschlafen!“ Dem vorausgegangen ist eine Entwicklung, für die ich alle möglichen klugen Gründe anführen kann, wichtig ist nur, dass sie den Themenbereich „Alter“ weiträumig umschiffen. Ich war schon bei verschiedenen Ärzten, habe Blutbilder machen lassen und ganzheitliche Checks, habe sehr teure Vitamin-D-Kuren durchlaufen und an Eisenstangen geleckt und mir zwischenzeitlich eine Co-Schwangerschaft selbst diagnostiziert, wegen Freundinnensolidarität, und es versteht sich von selbst, dass die Nachbarbaustelle und die davon ausgelöste Psychose ein gerüttelt Maß an Verantwortung tragen an der Metamorphose Eule zu Lerche, die, also die Psychose, eine kurzzeitige Renaissance erfuhr, als die neue Nachbarsomi damit begann, pünktlich zwischen 4 und 6.30 Uhr an meinem Kopf drei Scheiben Brot mit der Maschine abzusägen. Unlängst saß ich aber auch noch samstagmorgens um neun im Auto, habe gelacht und gesagt „Hachz du, wenn das so weitergeht, dann stehen wir bald morgens vor verschlossenen Ladentüren und regen uns auf, wieso die Geschäfte erst um halb zehn aufmachen.“ Hatte ich für einen Spitzen- weil gänzlich absurden und einen Zustand in unsichtbar weiter Ferne beschreibenden Witz gehalten. Jetzt aber plötzlich beobachte ich mich dabei, wie ich Sonntagmorgen um sieben quietschfidel umeinanderspringe, mich gegen halb neun zu langweilen beginne und Däumchen drehend darauf warte, dass akkurat derjenige Kurs im Fitnessstudio, den zu besuchen früher aufgrund der absurden Anfangszeit nicht mal angedacht werden konnte, um zehn Uhr startet – erst! Jetzt wäre das ja alles nicht weiter schlimm, sagt ihr und wundert euch vermutlich zurecht. Wäre da nicht eine tiefe Zerrissenheit in mir drin. Um nicht zu sagen ein großer Ärger. Weil ich nämlich so gern ein Schläfer, halt Vorsicht: ein Schlafender sein will! Und mich aufgrund irgendeiner spätpubertären Renitenz dem Joch des protestantischen Arbeitsethos entgegenstellen, aus Prinzip nicht frühaktiv sein und stattdessen den Mythos des frivolen Freiberuflers kultivieren, der sich nicht schert um konventionelle Ruhezeiten, dienstagnachts durch Kneipen zieht und donnerstagmittags im Schlafanzug zum Schreibtisch schlurft. Stattdessen ist es jetzt, Moment, 8.13 Uhr und ich bin mit allem fertig. Und find’s, pardon, leider geil. Weil ich nämlich jemanden weiß, der später gleich in der prallen Frühlingssonne hockt, während die Spätanfänger sauber bis abends am Schreibtisch schimmeln. Ätsch! 

Freitag, 10. Februar 2017

Punkeromis

Ich bin ja von Natur aus eher so der platinblonde Typ. Oder, wie die Kollegin mit dem Katzenfetisch zu sagen pflegt, ein Wasserstoffblondümmchen. Und wie das mit dieser Natur eben so üblich ist, gehört sich stets ein gewisser Aufwand betrieben, um den Soll-Zustand zu erreichen oder mindestens den Ist-Zustand beizubehalten. Indirekt proportional zur dieser Draußennatur verhält es sich aber bei der meinigen in puncto Pflegeaufwand, denn hier gilt: weniger ist mehr. Was beispielsweise dazu führt, dass wann immer eins ein Lagerfeuer entzünden will, ich ihm ein Büschel meiner Frisur reiche und schon lodert’s in den saubersten Farben. Ja, Farbe, das ist immer so eine Sache. „Ich komm gleich noch vorbei“, hab ich der Nachbarin gesagt, „aber du darfst nicht lachen, sondern musst mich trösten!“ Im Vorfeld war bei der gelegentlich angewandten Auffrischungsprozedur wohl ein kleines Malheur passiert, im Zuge dessen ich gelernt habe, dass auch blanke Chemie ein Verfallsdatum zu haben scheint. Kurz darauf wurden meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt, nämlich in Form einer gänzlich unbotmäßigen Wiederbelebung desjenigen Geistes, den eine gleichwohl ambitionierte wie beratungsresistente Farbexpertin vor Jahren gerufen hatte. Nämlich, dass sich innenmittendrin in meinem Straßenköterfell ein sauberes Rot versteckt, das man bei unsachgemäßer Behandlung allzu sehr zum Vorschein bringen kann. Ergebnis: Pumuckl. Vorsichtig ausgedrückt. Weiters hab ich lernen müssen, dass wenn man dann meint, ja ach, alchemier‘ ich halt gleich noch einmal drüber, was soll der Geiz, erst ein kopfhäutiger Blasenwurf erfolgt, der sich anschließend in eine Art Reptilhaut verwandelt. Man kann ich vorstellen: Muss nicht sein, trotz dessen der Vorteil des damit einhergehenden Lifting-Effekts um die Augen- und Mund-Partie herum nicht von der Hand zu weisen ist. Halbwertszeit allerdings ähnlich wie beim Beinerasieren, deswegen als Mittel der Wahl doch eher zu vernachlässigen. Was also tun? Achtung aufgemerkt, Lebenslernstunde: Ihr kennt diese entzückenden Omis, die allem Beige und Rollator zum Trotz die Frisur im wildesten Punkpink und –lila tragen? Das machen die gar nicht wegen fancy, pardon. Sondern zieht weißes Haar aller Art lauter Schmodder aus der Luft an und denkt sich dann „Juhu, Gelb!“ Um dem entgegenzuwirken greifen die Omis nach etwas, das zwar „Silbershampoo“ heißt, in Wahrheit aber lila ist, weil da nämlich draufsteht „gegen Gelbstich“. Dass dieses Zeug bei einem Moment zu lange einwirken lassen selbst ins Haar eindringt und dann, tadaa, Rockerbrautomi und so, das hat denen niemand gesagt. Mir übrigens auch nicht. Aber helau, alaaf, ahaa – is‘ ja Fasching. Auch ohne Schnee (haha!). Und dann sind’s schon nur noch zwei Wochen bis zum traurigsten Gaudiwurm der Welt. Was freu ich mich! 

Freitag, 3. Februar 2017

Regenbogensex

Letzthin im Drogeriefachmarkt. Ich stolz, zumindest ein bisschen, denn nachdem ich mir wochenlang habe Auskunft erteilen lassen über den Lieferstatus eines bestimmten Artikels, hab ich das Exemplar endlich in Händen halten können. Zuvor war selbiges Produkt in der Sekunde der Anlieferung bereits vergriffen, unter vier rollenden Augen verriet das Personal, es habe sich gar nicht erst die Mühe des Regaleinräumens gemacht. Objekt der Begierde ist ein Duschgel zum Preis von 55 Cent. Verrückt? Ja. Und nicht weniger, wenn man weiß, dass es sich hierbei um die „Regenbogen Dusche“ handelt, die nach „Sternchen und Wölkchen“ duftet und verwirrte Anwärterinnen des Frauseins ausrasten lässt wie seinerzeit Take That. Grund hierfür ist ein aufgedrucktes pummliges, weißes Pony mit einem Stachel auf der Stirn. Mit größter Faszination beobachte ich das fragwürdige Interesse an dem Fabelwesen, das als „letztes Einhorn“ auch mich vor Wonne hat schauern lassen, allerdings halt so im Alter bis ungefähr zehn. Als das Duschgel ausverkauft war, erblödeten sich die Marktetingmenschen , Einhornaufkleber zur Selbstverzur anzubieten – für 1,99 das Stück, was einen nicht weiter wundert, weiß man doch, dass auch Schokolade im Einhorngewand derzeit zum 17fachen Preis gehandelt wird. Was mich ratlos zurücklässt, ist das Alter der Jüngerinnen. Während ich ab allerspätestens 14 einen Gegenstand, der auch nur im vagen Verdacht des Mädchenseins stand, mit der Wimpernzange nicht angefasst hätte, und erst im spätadoleszenten Stadium den gllitzerpinken Mädchentraum aufholte, sind es grade die Heranwachsendinnen, die völlig aus dem Häuschen sind, und das bar jeglicher Ironie. Das Pubertier beispielsweise schleppt wohin auch immer es geht glubschäugige Plüschausgaben dieses seit der Antike bemühten einst so würdevollen Wesens mit sich herum. Es gibt diese Objekte, die den Kampf gegen das so viel lässigere Longboard verloren haben, in verschiedener Größe, das mächtigste misst grob geschätzt einen halben Meter und wiegt vermutlich ein Zentner, hat aber einen Platz im schmalen Kinderbett des Pubertiers gewiss. „Warum heißt‘n die eigentlich ‚Pizza‘?“, wollt ich unlängst wissen, worauf man mich zurechtwies: „Ey, das is’n ER!“ Wie Schuppen fiel’s mir von den Augen. „Deine Tochter liegt mit Männern im Bett“, beschied ich dem Erzeuger und zeigte weise auf die goldglänzende Erektion, die auf rosa Plüsch unter der Decke hervorlinste. So also, hab ich mir überlegt, muss es sein. Das Einhorn mit seinem hochaufgerichteten Phallus auf der Stirne als Stellvertretermann, als Symbol der erblühenden Libido in einer Zeit, in der der Körper schon kribbelt, Jungs und Pimmel aber noch eklig sind. Wir lehnen uns entspannt zurück und betrachten das, naja, Treiben – wohl wissend, dass den Markt neue Kondome erblickt haben: vegan, stylish und weithin zu lesen mit „Einhorn“ gebrandet. Bitte auch benutzen!