„Was machen wir eigentlich“, fragte die Freundin, „wenn wir
so richtig alt sind? Um 3 Uhr aufstehen und die zweite Nachthälfte genießen?“ –
„Nein!“, rief ich aus. „Dann stehen wir auf und fegen so lange demonstrativ den
Gehweg, bis auch alle anderen endlich wach sind.“ Dem vorausgegangen war die
Versendung des heiteren Spruchs: „Alt bist du, wenn du um 8.30 Uhr denkst:
geil, ausgeschlafen!“ Dem vorausgegangen ist eine Entwicklung, für die ich alle
möglichen klugen Gründe anführen kann, wichtig ist nur, dass sie den
Themenbereich „Alter“ weiträumig umschiffen. Ich war schon bei verschiedenen
Ärzten, habe Blutbilder machen lassen und ganzheitliche Checks, habe sehr teure
Vitamin-D-Kuren durchlaufen und an Eisenstangen geleckt und mir
zwischenzeitlich eine Co-Schwangerschaft selbst diagnostiziert, wegen
Freundinnensolidarität, und es versteht sich von selbst, dass die
Nachbarbaustelle und die davon ausgelöste Psychose ein gerüttelt Maß an
Verantwortung tragen an der Metamorphose Eule zu Lerche, die, also die
Psychose, eine kurzzeitige Renaissance erfuhr, als die neue Nachbarsomi damit
begann, pünktlich zwischen 4 und 6.30 Uhr an meinem Kopf drei Scheiben Brot mit
der Maschine abzusägen. Unlängst saß ich aber auch noch samstagmorgens um neun
im Auto, habe gelacht und gesagt „Hachz du, wenn das so weitergeht, dann stehen
wir bald morgens vor verschlossenen Ladentüren und regen uns auf, wieso die
Geschäfte erst um halb zehn aufmachen.“ Hatte ich für einen Spitzen- weil
gänzlich absurden und einen Zustand in unsichtbar weiter Ferne beschreibenden Witz
gehalten. Jetzt aber plötzlich beobachte ich mich dabei, wie ich Sonntagmorgen
um sieben quietschfidel umeinanderspringe, mich gegen halb neun zu langweilen
beginne und Däumchen drehend darauf warte, dass akkurat derjenige Kurs im
Fitnessstudio, den zu besuchen früher aufgrund der absurden Anfangszeit nicht
mal angedacht werden konnte, um zehn Uhr startet – erst! Jetzt wäre das ja
alles nicht weiter schlimm, sagt ihr und wundert euch vermutlich zurecht. Wäre
da nicht eine tiefe Zerrissenheit in mir drin. Um nicht zu sagen ein großer
Ärger. Weil ich nämlich so gern ein Schläfer, halt Vorsicht: ein Schlafender
sein will! Und mich aufgrund irgendeiner spätpubertären Renitenz dem Joch des
protestantischen Arbeitsethos entgegenstellen, aus Prinzip nicht frühaktiv sein
und stattdessen den Mythos des frivolen Freiberuflers kultivieren, der sich
nicht schert um konventionelle Ruhezeiten, dienstagnachts durch Kneipen zieht
und donnerstagmittags im Schlafanzug zum Schreibtisch schlurft. Stattdessen ist
es jetzt, Moment, 8.13 Uhr und ich bin mit allem fertig. Und find’s, pardon,
leider geil. Weil ich nämlich jemanden weiß, der später gleich in der prallen
Frühlingssonne hockt, während die Spätanfänger sauber bis abends am Schreibtisch
schimmeln. Ätsch!
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