Achtung bitte, machen Sie den Gang frei, bitte zur Seite, danke, dankeschön, Verzeihung, ja, danke, vielen Dank, so, und jetzt alle nocheinmal zurücktreten, damit ich … drei … zwei … eins … Juhuuuuuuuiiii so ein schöner Sprung in dieses superspezialdunkelgraue Regenpfuideifi, endlich haben Wassersäulen und Zueschuhe einen Sinn! Und wenn auch nur einen sehr winzigklein überschaubaren, weil wahrscheinlich noch während ich mich freu dass man endlich einmal wieder über madiges Wetter sprechen kann, lauert hinter der nächsten westlichen Erhebung eine große runde Lichtgestalt. Die atmetet in eine Papiertüte hinein, ein-aus, ein-aus, das hat sie so gelernt beim Waldschwimmen oder wie die Leute jetzt sagen zum Spaziergang, jedenfalls: Achtsamkeit und nicht immer gleich aufregen, und so wird geatmet und dann aber mit so einer Art großväterlichen Effet sich nach dem Wolkengrau ausgestreckt und dann – klaps! – das Hindernis aus dem Weg geschoben. „Du Dummerchen“, sagt die Sonne zum Wetter, „hast du dich wieder einmal verlaufen auf die Insel der Glückseligen, dabei gibt’s doch im Handbuch der Wolkennavigation extra das Kapitel mit den zehn Wegen, die Noris zu umgehen. Also komm, geh weiter!“ Und dann, ihr werdet’s schon sehen, lichtet sich die Welt und ein jeder Mensch muss erstens vom Indian Summer schwadronieren und zweitens: kollektiv aufatmen. Aber fei nur kollektiv einatmen! Aus dann erst später daheim oder ins Fotzensackerl. Jedenfalls Erleichterung wegen „Puuh jetzt BIN ich aber froh weil hab ich schon gedacht es ist vorbei mit den Letztenschönentagen, dabei war ich wirklich noch nicht einmal ansatzweise fertig mit dem Sommer, eigentlich hab ich noch nicht einmal angefangen! Weil ich hab ja nichts gemacht glaub ich, dabei hab ich so viel vorgehabt: Beispielsweise wollt ich so viel radeln, aber vor lauter Bergradeln war ich gar nicht Flussradeln, und Spezialseen wollt ich endlich besuchen, aber dann hab ich lauter andere Spezialseen gefunden und hab da plötzlich hinfahren müssen und dann vor lauter Seebesuch gar nicht genug ins Freibad gehen können und hinterher Tretboot fahren und Pizza essen, weil ich hab ja Karten spielen und Eis essen müssen, und vor lauter Nichtgenugimfreibadsein hab ich überhaupt nicht ein Mal Minigolf gespielt und auf einer Luftmatratze einen Fluss befahren, und weil ich eigentlich so viele alte Biergärten endlicheinmalbesuchen wollt, hätt ich fast übersehen, dass plötzlich ja nocheinmal zusätzlich so viele neue Biergärten passiert sind, also hab ich die alten nicht und die neuen dafür schon und a propos hab ich gestern neben dem sauberen Grill eine unbenutzte Hängematte gefunden die ich damals extra … Papiertüte??“ Letzte Woche hab ich ein schönes neues Wort gelernt für „Freizeitstress“, das heißt: Lebenhamstern. Ist ein bisschen wie Corona, gibt’s auch kein Mittel dagegen außer schlechtes Wetter und daheim bleiben (dürfen). Bloß ist der Hamster schlau: Stopft er doch die Backen voll, legt fich damit tfufrieden und entfpannt auf‘ Kanapee und tfillt fich durch den Winter. Ob wir das auch schaffen? Sonst gibt’s Lebenhamsterrad.
Freitag, 25. September 2020
Montag, 21. September 2020
Kloßquamperfekt
Radfahrende in Nürnberg haben jetzt ein Parkhaus. Das ist nicht nur überfällig, sondern auch noch schick und macht die Radfahrenden zu Radparkenden, so sie denn nicht aus Furcht, Radfallende zu werden, lieber gleich als Radstehenlassende daheim verbleiben. Das machte sie dann zu Radfahrenwürdenden, derweil die Radfahrenwerdenden die Radgefahrenen befragen, ob denn die Radgefahrenhattenden als Radfahrendenden wieder Radgefahrenhabenwerdende sein wirden oder lieber als Radgefahrengewesengehabthattende künftig doc … Moment, aber die letzte Zeitform kommt mir Spanisch vor. Oder Fränkisch? Weil da bin ich neulich schon einmal darübergestolpert und gar nicht so elegant wie ich das gern gehabt hätte. Weil es gehen die Konjugationsformen ja bekanntlich so: „Es heißt, es hieß, es hat geheißen, es hatte geheißen …“ Und während du mit dem klammen Fingerlein die Tabelle hinabfährst und dir nickend zustimmst in deiner Schläue murmelst du weiter „es hat geheißen gehabt, es hatte geheißen gehabt…“ und der Finger aber fährt ins Leere. Sogleich schlimmer Hirnfraß, Schlafraub, weil: Wie kann das sein? Ich kann es sprechen, höre deutlich, wie um mich herum die Menschheit sagt „Aber es haddoch kassen ghabt …“ und „Du hast ihm doch gschriem ghabt …“ und jetzt soll es das nicht geben? Bestürzt, doch voller Tatendrang hab ich mir die Pionierskrawatte umgebunden und als Fähnlein Fieselschweif im linguistischen Entdeckerauftrag großen Schrittes ausgeholt. Gehabt. Erst einmal: Schwarmintelligenz befragen. Ob man mir sagen könne, wie das Tempus heißt, hab ich in die Crowd gerufen und dann gemeinsam Lösung ausgearbeitet, echte Teamarbeit, die Wangen rot, so muss Columbus sich gefühlt haben, als er Indien entdeckt. Oder halt um genau zu sein in dem Moment, als er entdeckt hat, dass da ein kleiner Irrtum vorgelegen gehabt hat. Weil freilich hab ich mit konquistadorisch geschwellter Brust rammbockgleich die Bürotür vom Linguistikzentrum eingerannt und von der Erkenntnis gekündet: „HABEMUS KLOßQUAMPERFEKT!“, hab ich gerufen und berichtet vom bislang völlig unbekannten Sprachphänomen, dem allein ich jetzt auf die Schliche gekommen und darob auch sorgfältig einen Namen auserkoren gehabt hab hätte, zwengs der offensichtlich fränkischen Singularität in Anlehnung an das im Hochdeutschen durchaus bekannte, im elaborierten Süddeutschen Sprachraum freilich lang nicht ausreichenden Plusquamperfekt, bei dem … „Ach liebe Frau Wasmeier!“ hat das Zentrum mich lächelnd unterbrochen, „das ist wirklich eine ganz wunderbare Idee, vielen Dank dafür, ich gebe das weiter.“ Die Entdeckung an sich jedoch sei nicht ganz so neu wie von mir vermutet, vielmehr befleißige sich der Baier als solcher schon lang der sogenannten „Strecktempora“, um einer Sache Wichtigkeit besonderen Ausdruck zu verleihen und weil halt so ein Präteritum einfach so nach Saupreiß klingt. Rote Wangen, Schameshitze. Zorn. Steinchentreten. Möchte trotzdem, dass das „Kloßquamperfekt“ heißt. Gefälligstbitte. Und dass Radgefahrengehabthabenden bitte wieder weitermachen.
Sonntag, 13. September 2020
Wer nicht fragt bleibt dumm
Neulich mal Regen, darum gleich Zeit für Einkehr. Im warmen Wirtshaus angekommen dann Zeit auch fürs Innen, also das gedankliche jetzt, und zwengs keinem Input von Außen eben einen Mordsoutput an superklugen Gedanken entwickelt. Nämlich Fragen: Wie viele Jacken muss ich besitzen, um jeden Morgen in der Kälte bekleidet das Haus verlassen und jeden Abend in der Wärme luftig und unbelastet heimkehren zu können? Und: Wie krieg ich diese sieben Jacken dann am Wochen-Ende heim? Wie viel Fremdscham kann ein Mensch ertragen und warum zahl ich eigentlich für Leitungswasser anstatt mich gegen Honorar zu besaufen? Und kann ich mit dem Satz des Protheseus ausrechen, wie viele Menschen noch ins Deutschland passen, wenn in ungefähr 11 014 Gemeinden ungefähr 2,9 Prozent Wohnfläche leerstehen? Es ist schwierig, man weiß es einfach nicht. Hoffentlich ist bald wieder Schöneswetter und Gedankenfreiheit, also -losigkeit mein ich, Gedankenfreiheit haben der Bill und der Attila und vermutlich auch ein Geheimbund Kreuzritter eh schon längst beschn… Ah genau, Ritter, da wollt ich eigentlich hin. Weil es gibt auch leichte Fragen mit einfachen Antworten. So geschehen letzte Woche, als ich Arm in Arm mit dem Mann meines Herzens das romantische Aquarell der Söderb… nein: Kaiserburg erklomm. Ein traumhafter Abend, der weite Ausblick grandios, Touritäubchen und Turtelisten legten einen Zauber aufs Areal, in dem die Handwerker den Rhythmus des Spätsommers schlagbohrten. Es stellte dann der Herzensmann die eine Frage, die gestellt werden muss in dieser weichgezeichneten Szenerie von Glück und Seligkeit, und also blickte er mit Augen voller Treue und Verzückung zu mir auf und sprach die magischen Worte, auf die ich mein Leben lang gewartet habe: „Und aber du, wo sind eigentlich jetzt die ‘itters?“ Mein Geist vor Liebe verklärt, stellte ich mich der Herausforderung kämpfte mich in Lanzelot’scher Tradition durch ein Turnier des Wissens. „Die Ritter sind wahrscheinlich in der Burg.“ – „Aber wa’um kommen die nicht ‘aus?“ – „Weil vielleicht sind sie sehr beschäftigt.“ – „Aber wa’um sind die beschäftigt?“ – „Vielleicht müssen sie abendessen.“ – „Ich hab schon gegessen.“ – Aber die Ritter vielleicht noch nicht, außerdem müssen die ja so schwer arbeiten den ganzen Tag.“ – „Aber wa’um kommen die nicht einfach ‘aus?“ – „Weil sie sich ausruhen müssen.“ – „Ich muss mich nicht ausruhen.“ – „Du hast ja auch nicht so eine superschwere Rüstung an den ganzen Tag und musst kämpfen und Steine schleppen und …“ – „Kacka machen.“ – „Nja.“ – „Wie machen die ‘itters eigentlich Kacka?“ – „Na die gehen aufs Klo.“ – „Oder einfach in die ‘üstung!“ – „ …“ Nach mehreren Stunden des inquisitorischen Fragens kann ich euch die Lösung aller Lösungen präsentieren. Stolz! Weil: Die auf der Kaiserburg lebenden Ritter fürchten sich vor kleinen Kindern, da diese mangels schwerer Rüstung so viel flinker sind. Deswegen verstecken sich die Ritter in den oberen Gemächern, von wo sie sehnsuchtsvoll nach unten linsen und sich nichts mehr wünschen, als mit den Wuselwürmern im Burggarten zu tollen. Schaut, das war doch ganz leicht. Vielleicht ist die Lösung für die anderen Fragen auch eher einfach.
Freitag, 4. September 2020
Ausgschmiert
„Wenn daf hier allef überftanden ift“, hatte vorletzte Woche mein Hirn aus dem Gefrierschrank genuschelt, so dass ich erst einmal hingehen und ihm die erneut verrutschte Erbsenpackung aus dem Mund hab zupfen müssen, „danke“, hat das Hirn sich bedankt und weiterreferiert: „Also, wenn das hier alles überstanden ist, dann schreib ich ein Buch!“ – „Aha!“, hab ich interessiert getan und dabei versucht, möglichst nicht mich zu bewegen, wegen der Energieersparnis, man möcht ja nicht versehentlich eine Kalorie verbrennen oder zwei, nicht auszudenken, man erzeugt sich selbst noch eine Hitze wenn eh die Körpersäfte mit Mühe kurz vorm Siedepunkt gehalten vor sich hin simmern, „Ein Buch also. Und wie soll das heißen?“ – „AUFGFCHMIERT!“ hat das Hirn gejubelt und ich: mühsames Lächeln, weil vom Schmieren hab ich wirklich langsam genug gehabt. Eigentlich mach ich grad seit Wochen nichts anderes, als irgendeine Sache auf mich hinaufzucremen. Aus Tuben, Tiegeln, Flaschen, Vaporisateuren kommen Cremes und Salben, Mittelchen und Wässerchen, die sind alle manchmal für, meistens gegen irgendwas – und liegen damit zwar voll im Trend, doch sind in erster Linie lästig. Na, wenn ich’s mir recht überlege, schließt das eine (dagegen) das andere (lästig) ja nicht prinzipiell aus, aber im vorliegenden Spezialfall schon. Also schmieren, schmieren, schmieren. Morgens ins Gesicht weil gegen dem UV und für das was der UV eh schon angerichtet hat, zudem auf den ausgedörrten Leib, der schwer gezeichnet ist vom Hitze-Kälte-Klimaanlagen-Stress mit Chlor und frischer Luft. Abends dann die gleiche Prozedur, nur da nicht gegen den UV sondern generelle Schadensbegrenzung, dann auf die Lippen wegen der Geschmeidigkeit, so noch vorhanden, und eine große Ladung kühlende Substanz auf prall gefüllte Unterschenkel, die wie zwei Höcker mit vollem Wasserspeicher leider unten am Kamel dranhängen und es im geschmeidigen Gang behindern statt stramm oben auf zu ragen, ich erkenne da einen Konstruktionsfehler in der menschlichen Gestalt. Dazwischen schmierst du je nach Tagesform und -plan einen LSF 50 auf den Käseleib oder literweise Mückenspray, gelegentlich auch beides, und hernach schaust du zu, wie die Melange aus Mittel, Schweiß und Straßenstaub zu einem schönen Teig eindickt und du plötzlich verstehst, warum Elefant und Rhinozerus sich den Umweg übern Drogeriemarkt sparen und gleich nur ein schönes Schlammbad nehmen. Abends bürstelst du das Erdreich ab und schon musst du wieder schmieren, weil der Säureschutzmantel. „Ich möchte nichts mehr aufschmieren!“, hab ich darum geklagt, „Man kommt doch aus dem Händewaschen gar nicht mehr heraus, seit März tu ich nichts anderes als Händewaschen und Schmieren, Händewaschen und Schmieren, das muss jetzt einmal reichen, und es reicht auch, weil wenigstens tät ich jetzt gern einmal nur noch Händewaschen ohne Schmieren, das muss doch jetzt wirklich einmal ein…“ – „AUSGSCHMIERT!“ hat da das Hirn mich zornig unterbrochen und ein, zwei letzte Erbsen ausgespuckt. „AUSGSCHMIERT werd ich’s nennen, weil dann endlich Herbst ist und die elende Einschmiererei zu Ende, Kreizbimbam!“ Da ist mir auch nichts mehr dazu eingefallen.