Montag, 28. Februar 2022

Survival of the pissest

 Das Walberla kriegt jetzt eine öffentliche Toilette! „Was, aber die haben doch da oben schon so ein rotes Häusel, ist das nicht …?“ – Nein, meine Lieben, ist es nicht, und deswegen kannst du schon sagen: Hey wow, damit wär dann sogar der Franken heiligster Hügel besser ausgestattet hinsichtlich dem Sanitär als sagen wir beispielsweise so ein Marienbergpark, zumindest was Mensch pro m² betrifft. Andererseits musst du ehrlicherweise auch zugeben: In letztgenanntem ist wenigstens noch Platz für eines der letzten großen Abenteuer, dem Adrenalinschock im öffentlichen Raum, dem Herzklopfen im Rhythmus der Natur. Der weiblichen Notdurft. Weißt, der Mann hat’s leicht. Wann immer ihm die Blase drückt, hält er an, angelt in den Reißverschluss, hält sein Fähnlein in den Wind und tarnt die Reviermarkierung als hochnotwendige Erleichterung. Es soll sogar Exemplare geben, die aufs Anhalten verzichten, weil der Schwung grad so gut ist auf dem Radl oder Snowboard, und wennst eh nie in Bewegung warst, sondern seit vier Stunden ganz vorn drin im Bierzelt schunkelst, also dann fragt ihr mal den Opa, wie er das eigentlich gelöst hat mit den fünf Maß Bier und nie auf Tö und wieso er eigentlich immer mit dem Gehstock unterm Arm gelinksrechtsvorzurückt. Wenn er’s nicht sagen will, fragt mich, ich bring‘s euch schonend bei. So, dann wir. Haben natürlich auch immer eine Urinella dabei, dieses trichterförmige Dingen, das uns aus einem hochfeministischen Gedankenspiel heraus dazu befähigen soll, statt winzigklein zusammengefaltet hinter der Leitplanke im Autobahnstau für kleine Mädchen gehen zu müssen, stolz aufrecht in Reih und haha Glied mit den Jungs als große Frau zu pinkeln. Nicht. Haben wir nicht dabei. Wir haben überhaupt meistens nie etwas dabei außer unseren runden weißen Hintern, und den müssen wir dann so gut es geht verstecken, was besonders fein gelingt, befindet sich die Vegetation in der Ruhephase und zeigt sich ergo blätterfrei, so dass noch ein jedes dichtes Waldgebiet zu einer weiten Steppe mit fröhlicher Weitsicht gerät, durch die deine entblößten vier Buchstaben weithin von der Notdurft künden. Vor Spaziergängern, Kindern und sonstigem Geziefer tief ins Unterholz gedrückt, kannst du sicher sein, pfeilgrad in einem Brennnessel- oder Distelnest gelandet zu sein, in eine tiefe Schlammgrube abzurutschen oder Ameisen zu finden, nämlich hernach in der Hose, und so wie du Gefahren scoutest, spürt dich garantiert ein Köter auf und hechelt Interesse. Dank unzähliger Mountainbiker ist alles noch viel heikler geworden, denn selbst am stillsten aller Waldesörtchen kannst du dir nicht sicher sein, dass nicht urplötzlich ein wildgewordener Senior auf einem außer Kontrolle geratenen eBike hinter dir durchs Unterholz bricht. Survival of the pissest – Nürnberg bleibt stabil. Ich hol mir jetzt mal Infos übers Windelsegment. Und dann geh ich aufs Walberla.

Montag, 14. Februar 2022

Das Gedicht vom Sonnenkönig

 Wovon der Sonnenkönig seit Jahrzehnten vergebens träumt, gelang einem anderen Nürnberger mit Grandezza: Peter Althof erobert das Herz der Nation nonchalant im Zehntagessturm. Die Noris rückt zusammen, aus dunklen Straßen erklingen strahlende Heldengesänge, erste Bronzestatuen werden gegossen, der Nürnberger Trichter erfährt reißenden Absatz, ein Bürgerbegehren verlangt die Umbenennung des Hauptmarktes in „Peter-Althof-Platz“ (wegen Rathaus und Dschungel, is' klar): Niemand braucht Reichskleinodien, wenn er die Dschungelkrone haben kann! Doch während der Großteil der Bevölkerung frenetisch jubelte, spielte sich in einer kleinen, bescheidenen Villa im Osten der Stadt dramatische Szenen ab … Später, viel später, sollten sich die Menschen an den Schenken folgendes Gedicht zuraunen:

Der Sonnenkönig grämte sich „Was mach ich denn jetzt nur? 

Von Beliebtheit beim Volke fehlt mir wohl jede Spur.“ 

Er raufte auf dem Throne die Haare sich schier aus, 

ein Leben ohne Zepter war ihm ein wahres Graus. 

Zu viel stand auf dem Spiele, der Masterplan war groß: 

Herrscher aller Länder - und abends fränkisch Kloß! 

Er sah zurück und dachte „Ich hab alles versucht. 

Auf meinem Herz, so scheint es, lastet ein schwerer Fluch. 

War stets mit beiden Ohren ganz nah am Bürgermund 

und tat dann, was ich hörte, als meine Wahrheit kund. 

Trug stets heitere Kostüme, auf dass der Zweifel bricht, 

und plakatierte Städte mit meinem Lachgesicht. 

Hab christlich mich gegeben und Essen stets geteilt 

– wenngleich auch nur auf Facebook, das ginge sonst zu weit. 

Ich wusste mich zu zeigen als des Zeitgeists Kind, 

auch wenn andere stets unkten, ich sei Fähnlein im Wind. 

Was manche nennen Lüge, heiß ich Evolution. 

Und wenn du mir nicht glaubst, änd’re ich schnell den Ton. 

O göttlicher Franz-Josef, was ist denn nun dein Rat? 

Es fehlt mir offenkundig an einer Wundertat.“ 

Sein Blick fiel auf ne Truhe, „L’etat c’est moi“ stand drauf. 

Darin wahrte er Schätze der Regentschaft auf. 

Der Sonnenkönig stutzte: Kann es so einfach sein? 

Und tauchte euphorisch im Kostümfundus ein. 

Er wühlte sich durch Ohren, Perücken, Silikon-

brüste schienen verloren, doch was kümmert’s schon? 

Ganz unten in der Truhe, „Es muss doch hierdrin sein!“, 

erblickt sein jauchzend Herz den Sonnenglorienschein. 

Der König grub gleich freudig erregt das Ass heraus, 

„Ach Gott na sag mal träum ich? Jetzt geht es hoch hinaus! 

Im Dschungel magst du siegen, der wahre Chef bin ich! 

So werd ich schon hinbiegen, was meinem Recht entspricht!“ 

Er setzte sich die Mütze auf sein grames Haupt 

und plötzlich schien der Himmel im Sonnenschein grell laut. 

Die Menschen draußen sangen: „Der König hat’s vollbracht! 

Er bringt uns den Frühling, vorbei die Winternacht!“ 

Doch schon nach zwei Tagen die Wolken kehr‘n zurück. 

Was erst schien wie Erlösung, war nur ein Schurkenstück! 


Freitag, 4. Februar 2022

Rückenwind

 Letzte Woche war ich auf dem Nordpol. Na gut, vielleicht auch nur im Fichtelgebirge, aber wer da im Winter schon mal war, der weiß, warum Einheimische und Zugeraste liebevoll von „bayrisch Sibirien“ sprechen. Im Sommer übrigens auch. Jedenfalls ganz oben am Nordpol, auch bekannt als „Schneeberg“, da hab ich 1. gedacht, so eine echte Polarexpedition, die muss ich vielleicht nicht unbedingt haben im Leben, da langt’s mir hier auch schon. Und 2., dass das aktuelle Gejammer vom „immerdieserwind“ schon recht auf hohem Niveau ist, und mich dabei mit allen Vieren um ein Stangerl gewickelt, derweil der Polarwind versucht hat, mich bis auf die Unterhose zu entkleiden. Ich als alter Buddhist finde, selbst die greislichste Böe hat was Gutes, und weil’s wohl noch ein paar Tage weiterstürmt, möchte ich euch gern teilhaben lassen an meinen Lehren. 1) Hausputz. Öffne alle Fenster. Das lüftet nicht nur formidabel, sondern kehrt auch noch die letzte Staubmaus unterm Kanapee hervor. Du brauchst derweil nur im Ohrensessel warten und am End bequem allen Unrat aufsammeln. Genieße den reinigenden Effekt: Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird vom dank geschickter Lüfttechnik erzeugten Tornado erfasst und von dannen getragen. Bügelwäsche, Steuererklärung, Hausaufgaben, Biomüll und vielleicht sogar der Ehegatte segeln aus dem Fenster – höhere Naturgewalt, was willst du machen? 2) Style. Vergiss teure Frisörprodukte und stundenlanges Styling mit Lockenstab und Glätteisen: Modebewusste tragen heute out-of-wet! Verlasse das Haus unbedingt mit nassen Haaren – der Eiswind wird’s schon richten! Steil nach hinten oder seitlich keck, Leningrad-Cowboy-stirngerichtet oder die Bonnie-Tyler-Reminiszenz – nichts ist unmöglich. Fortgeschrittene wagen täglich Abwechslung und verlassen mal seitlich, mal rückwärts das Haus. Ganz Verwegene probieren das Umstyling in der Mittagspause und sonnen sich in der Bewunderung des Kollegiums. Achtung: Zu viel Sonne bedroht die Frisur! Schnell den Kopf aus dem Fenster halten und alles wieder richten. Notfalls Autofahrer auf der Straßen bedrohen und zum Mitfahrenlassen bei geöffnetem Fenster zwingen. 3) Sport. Schon Thomas D sang: „Und wir fahrn auch über Wasser wenn dort Brücken sind/ Hey, der Typ hat ne Meise aber Rückenwind!“ Köpfchen unters Wasser, Schwänzchen in die Böe – und immer auf den Horizont zu. Wie Nemo im Australischen Strom lässt du dich im sportiven Gewand treiben, leicht wie eine Feder, fit wie ein Turnschuh, schnell wie der Blitz. Der Schrittzähler sirrt, die Fitnessapp jubiliert. Nie war Bewegung schöner! Doch merke: Es droht ein Rückweg. Im Optimalfall navigierst du dich durch geschickte Lenkmanöver im Windkanal zum U-Bahnschacht um dich dort seitlich hineinfallen und nach Hause chauffieren zu lassen. Alternativ gegen den Wind stemmen und hoffen. Oder Theodor Sturm lesen. Nee: Storm!