Süßer die Glocken nie kliiiiingen, als in der Wahaainachtszeeeeeeit … Ein deutsches Volkslied, das uns seit dem 19. Jahrhundert beschallt und uns mit der Verkündung von Frieden und Freud‘ in Sicherheit wiegen will. In falscher, wohlgemerkt, denn was uns dieses Lied wohlweißlich vorenthält, ist, dass es sich beim süßen Geläut um das schrille Tönen von Alarmglocken handelt und der Gesang der Englein nichts weiter ist, als das anschwellende Kreischen eines formidablen Tinnitus‘. Und wen wundert’s. „Ich möchte am liebsten jeden Tag um 17 Uhr ins Bett gehen und am liebsten bis 17 Uhr dort bleiben“, gestand eine Freundin kürzlich, nachdem ich sie ob ihres anhaltenden Aktionismus gelobt, bewundernde Worte gesprochen und zu zwei Tagen Urlaub „einfach so“ beglückwünscht hatte. Die, fuhr die Freundin fort, habe sie nur genommen, „um alles zu schaffen.“ Was mich eigentlich nicht wundert, wenn ich mich so im Bekannten- und Kollegenkreis umhöre, der nach nur einer Woche Advent bereits schwer ächzt. Adventsessen nebst vegetarischer Alternative müssen ausgerichtet werden und Bäume nachhaltig selbst geschlagen. Man trifft Freunde („jetzt haben wir’s das ganze Jahr nicht geschafft, uns zu sehen!“) und Kollegen („um sich auch mal wieder anders zu sehen als immer nur im Arbeitskontext“), backt mit hochrotem Kopf und militärischer Disziplin Plätzchen und Stollen („die gekauften schmecken einfach nicht“), übt mit dem Nachwuchs Nikolausgedichte („lieber guter Nikolaus, rück mal die Geschenke raus“), durchforstet Hirn, Internet und den 17. Kunsthandwerkweihnachtsmarkt nach individuellen Geschenken („nur eine kleine Aufmerksamkeit“), sorgt nebenbei für Bewegung an der frischen Luft („das gute UV kommt ja auch durch die Wolken“) und schaut dabei auf dem Smartphone einen schönen Weihnachtsfilm … Weil ich schon bei der Niederschrift dieses Adventskanons erhöhten Blutdruck bekomme, hab ich mir dieses Jahr das beste Vorbild genommen, das man sich denken kann, und versuche, mit der gleichen Entspanntheit, Nonchalance und Selbstliebe durch die Tage zu kommen, wie’s mir vorgelebt wird: Mit zwei Hapsen eine Wurst verschlingen, das gesunde Körnerbrot aber liegenlassen. Plätzchen, Waffeln und Lebkuchen so lange zu naschen, bis mir schlecht oder die Schale weggenommen wird. Nach Bücherlesen verlangen und dann doch lieber ein Puzzle machen. Mich über Schneematsch freuen und glücklich drin rumrühren, ohne an kalte Hände und nasse Füße zu denken. Bei Arbeitsandrohnung dringend und unabdinglich sofort mit den Kuscheltieren schmusen müssen. Treffensanfragen mit einem lapidaren „Nein, ich möchte nicht“ abwehren – und statt Geschenken lieber herzenslautes Lachen zu verteilen. Das klingt dann schon eher wie süße Weihnachtsglocken. Auch wenn der zwergenkleine Lieblingsneffe mehr „Bengelein“ ist als „Engelein“.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen