Es ist wie beim allseits beliebten Gesellschaftsspiel „Das
verrückte Labyrinth“: Das Ziel feste vor Augen hat man Hürden überwunden und
Gegner ausgetrickst, ist bereit für den finalen Spielzug und damit glorreichen
Sieg und – ZACK! kommt von links eins daher und macht den ganzen Pfad kaputt.
Wo grade noch ein schöner Weg entlangführte, ist jetzt nurmehr ein tiefer
Graben, eine hohe Mauer oder Stromschnelle, über die hinweg es schlichtweg
keine Möglichkeit gibt. Da steht man dann, als armer Tor, und ist so klug als
wie zuvor – und gezwungen, alles neu zu überdenken … So in der Art geht es mir,
seitdem ich inmitten Nürnbergs größter Baustelle lebe. Will sagen: Inmitten
Deutschlands größtem Escape Room. Das Prinzip dieser Livespiel-Einrichtungen
ist immer ähnlich. Menschengruppen wechselnder Größe werden in einen Raum
gesperrt, der gemäß eines Mottos gestaltet ist. Gruselschloss, Gefängniszelle
oder eben Baustelle. Den Menschen muss es nun innerhalb einer bestimmten Zeit
gelingen, sich mittels Rätseln und Geschicklichkeitsaufgaben aus dem Raum
hinauszuknobeln. Die Aufgabe hier: Gelange von deiner Haustür A in den
nahegelegenen Stadtpark B / die Apotheke C / den Supermarkt D, ohne dass es zu
Personenschäden, Handgemengen, Entleibungen oder Auffahrunfällen kommt.
Hindernisse wie Hängebrücken oder Fußgängerampeln dürfen genutzt, müssen aber
erst mal gefunden werden. Hindernisse wie klaffende Bodenlöcher, meterlange
Absperrungen oder breite Gräben dürfen keinesfalls überwunden werden, sondern
bedürfen einer weiträumigen Umgehung. Beinahe täglich versuche ich mich dieser
Aufgabe zu stellen – beinahe täglich werde ich mit neuen Herausforderungen
konfrontiert: Dort, wo gestern noch eine Verkehrsinsel war, ist heute eine
tiefe Grube. Da, wo ich neulich noch die Straße queren konnte, ist jetzt weit
und breit nur wutschnaubender Verkehr. An der Stelle, wo unlängst noch ein
Laden bequem umschifft werden konnte, ist jetzt eine Schikane in Form einer
Engstelle bierfilziger Größe, an der Passanten, Fahrräder, Kinder, Rollstühle
und Kleiderständer mit kreischbunten Sale-Angeboten lustiges Ballett tanzen.
Allen Aufgaben gemein ist, dass ich das Ziel zwar immer sehen kann –
beispielsweise den Supermarkt genau gegenüber auf der anderen Straßenseite –
allein der Weg dorthin gänzlich im Verborgenen liegt. Es gilt dann, geschickt
Strömungen und Bewegungen zu beobachten und daraus eine Lösung abzuleiten oder
sich zu Bedarfsgemeinschaften zusammen zu finden und gemeinsam zu pfadfindern.
Herrlich! Und sehr verbindend. In echten Escape Rooms kann sich die
Spielleitung einschalten und per Lausprecher Tipps geben, wenn die Verzweiflung
allzu groß wird. Ein Service, den ich mir für hier auch wünsche: „Mensch
Wasmeierin, geh halt noch einen Meter vorwärts, dann siehst du einen Wegweiser
und gleich dahinter die Ampel. Obacht: Um die Ecke ist eine gespannte
Hundeleine, von links kommt gleich ein Lastenrad und die Grünphase dauert nur
zwei Sekunden!“ So könnte das gehen.
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