Freitag, 27. Juni 2025

Packstress

 

„Reisen ist purer Stress, ich sag’s ja immer! Und deswegen lass ich es meistens!“ hat die Freundin konstatiert, als ich ihr von meiner wenig ersprießlichen Rückfahrt aus dem Pinzgau berichtete, die es fertiggebracht hatte, für läppische 350 Kilometer stolze acht Stunden in Anspruch zu nehmen, Spezialunfall 200 Meter vor mir nebst einstündiger Vollsperrung der Autobahn bei 35 Grad im Schatten inklusive – und das unmittelbar nachdem ich das Ende der Wasservorräte festgestellt hatte … Nein, das war nicht so schön. Umso schöner war die Woche vorher, mit blauen Seen und tiefen Schluchten, schaukelnden Schifferln und schwankenden Seilbahnen, enormen Gipfeln und beschaulichen Hütten mit Abend(b)rot. Da kehrt man doch gerne zurück ins Lieblingsnürni, um tiefe Atemzüge staubtrockener Backofenluft zu nehmen und erst einmal drei Tage damit beschäftigt zu sein, das Gepäck zu reorganisieren und dabei vergnügt bis missmutig ganze Pakete ungetragener Klamotten wieder zu verräumen. „Wann genau wollten wir eigentlich ‚abends fein ausgehen‘ und ‚tagsüber lässig durch die Innenstadt flanieren‘?“ frug ich den Mann, der seinerseits stapelweise Ungebrauchtes zurück in den Schrank verstaute. Weil freilich hätten wir beide vorher ganz genau wissen können, dass wir tagsüber in einer feinen Panade aus Schweiß, Sonnencreme und Granitstaub durch die Gegend kraxeln und entsprechend abends viel zu platt sind, um irgendwas anderes zustande zu bringen als die allernötigste Nahrungsversorgung zu bewerkstelligen. Aber richtig, man weiß ja nie, was so passieren könnte, und deswegen sagt der Mann „Wir haben ein Auto, wir können es vollmachen“, und das lassen sich zwei Menschen, die mittlerweile schon Probleme haben, sich zu disziplinieren, für einen kurzen Stadtpark-Besuch ohne Rucksack mit Wasser, Decke, Snack und Regenjacke aufzubrechen, freilich nicht zweimal sagen … Ich wünschte, ich wäre nicht so. Ich wünschte, es wäre mir gegeben, ein winziges Tascherl mit dem Allernötigsten zu befüllen und dann frei von Gepäcksorgen leichthin zu entschwinden. Leider ist mir das nicht gegeben. Leider gehöre ich zur Fraktion „Man weiß ja nie“, und richtig, ich ernte seit 25 Jahren Spott und Häme dafür, einen Besuch in der City nicht ohne große Wasserflasche und einen Besuch im Park nicht ohne einen Sicherheitspullover absolvieren zu können. „Wir sind in der STADT, du kannst dir überall was KAUFEN!“, heißt es dann, und ich zucke schuldbewusst mit den Schultern und sage: „Verdurstungsangst“, und meine das genau so ernst wie „Erfrierungsangst“. Entsprechend nervös bin ich jetzt grade (10 Uhr): Gleich werde ich das Haus verlassen und es ist ungewiss, ob ich es vor 18 Uhr noch einmal betrete und wie die Zeit dazwischen aussieht. Was werde ich brauchen, wie wird das Wetter, wo bekomme ich etwas zu essen? Ich pack mal lieber einen Rucksack. So ein Stress …

Freitag, 20. Juni 2025

Pumuckl und der Kini

 

Wir beginnen den Freitag mit dem Zitat eines der größten Denker und klügsten Philosophen unserer Tage, drunter machen wir’s ja hier nicht. „In den Bergen wohnt die Freiheit, in den Tälern wohnt der Neid“ sind glasklar berühmte Zeilen aus – Pumuckl! Und im Gegensatz zu diesen seltsamen Menschen, die es beständig in irgendein Flachland zieht, das dann zu lästigem, alle Ritzen und Poren für immer auskleisterndem Sand wird, auf das ein entweder zu warmes oder zu schmutziges oder sich auf rätselhafte Weise andauernd füllstandshöhenmäßig als höchst unzuverlässig erweisendes Gewässer ohne gegenüberliegendes Ufer folgt und angeblich DER Sehnsuchtsort schlechthin ist, obwohl es dem Auge schlichtweg nichts zu bieten hat außer endlose und noch dazu meist aufs lästigste lärmintensive Wellen (Meer, das) … hab ich mich jetzt doch glatt zu einem Fadenverlust echauffiert, upsi. Na egal, ich gestern: Vier Stunden aus einem Fenster geschaut und als ich wieder aufgewacht bin, war aus dem trockenen Flachland des Mittelfränkischen eine saftig grüne, dicht bewaldete, schneekuppige, das Auge mit Liebe und das Herz mit Sehnsucht füllende Berglandschaft geworden: Tu felix Austria, auch wenn das mit dem eingangs zitierten Kini, ich weiß, ich weiß, nur noch mit historischem Augenzwinkern zu assoziieren ist. Hier ist Kaiser statt König, und so ähnlich fühle ich mich auch, residiere ich doch by accident in einem wirklich prächtigen Hotel, in dem man bis 10.30 Uhr frühstücken kann und dabei noch dazu ganz alleine ist. Was daran liegen könnte, dass es sich um ein „Sport- und Aktiv-Hotel“ handelt, weswegen man hier um 10 Uhr mutterseelenallein durchs lukullische Buffet pflügt, weil der Rest der Gästeschaft seit 8 Uhr sportlich und aktiv ist. Ich hingegen bin ja mittlerweile eher Freundin des sogenannten „Passiv-Urlaubs“, auch wenn ich um ehrlich zu sein grade nicht ganz freiwillig am Schreibtisch mit Fenster zu genau demjenigen Berg sitze, auf dessen Gipfel die anderen seit Stunden herumkraxeln, und noch dazu ein bisschen schlafe, weil „Bergblick“ heißt auch „Sonnenaufgangsblick“ und der war um 5.13 Uhr. Gähn … Dabei ist hier pretty much to do, und damit man das nicht vergisst, bekommt man pünktlich um 8 Uhr eine Email mit Unternehmungsvorschlägen: Bergbahn, Gipfelbesteigung, Seedurchquerung, Wasserfallbestaunung, Walderforschung? Oder lieber Aromapeeling, Zirbenvitalmassage, Algenpackung, Yinyoga und Poolschaukel im Mystikraum, der Bio-Kräutersaunastube oder dem Amethysten-Dampfbad? Ich weiß es nicht, und darum muss ich mich jetzt auch schweren Herzens hier verabschieden, um mich um die weitere Tagesgestaltung zu kümmern bzw. diese zu treuen Händen an meinen Adlaten weiterzureichen. Urli eben! Findet ihr blöd, weil ihr müsst arbeiten? Na na, gemach! Oder wollt ihr, dass Pumuckl und der Kini recht behalten?

Freitag, 13. Juni 2025

Schwung im Alltag

Der (alternde) Mensch braucht oftmals einen Impuls für „Mehr Schwung im Alltag“ – zumindest, wenn man den wiederkehrenden Überschriften in der SeniorenBRAVO (aka Apothekenumschau) Glauben schenkt. Was wir natürlich tun, seitdem wir festgestellt haben, dass im Laufe der Jahre zunehmend Themen darin auftauchen, die uns (mir) wie auf den Leib geschnitten sind. Eine Zeitschrift nur für mich? Nehm ich! Googelt man „Mehr Schwung in den Alltag bringen“, so identifiziert die fleißige KI hierfür drei Hauptkategorien: Bewegung & frische Luft, Abwechslung & neue Erfahrungen sowie „Gesunde Gewohnheiten“, und ich kann mit Fug & Recht behaupten, bereits einen Großteil der aufgeführten Tipps ausgeführt zu haben, obwohl es erst 11.47 Uhr ist. Zu verdanken habe ich das einer Art dyskalkulatorischer Funktionsstörung, die mich schon mein ganzes Leben begleitet und gelegentlich für allerhand Schwung in der Bude sorgt. Irgendwas stimmt bei der Übertragung von Zahlenwerten zwischen Augen/ Ohren und Gehirn nicht, so dass unter Umständen Ziffern lustig durcheinandergewürfelt werden. Beispiel: Ich höre „17 Uhr“, denke „17 Uhr!“ und merke mir dann „sieben Uhr abends“, weil die „7“ ist bei beidem mit dabei. Seit einigen Monaten – zumindest fällt es mir seitdem verstärkt auf – passiert etwas Neues, nämlich dass ich die verschiedenen Ziffern eines Termins untereinander heiter vermenge und dann ein Mordskuddelmuddel fabriziere. Heißt es „Dienstag, 13.5., 9.45 Uhr“ kann es also durchaus (zum Glück selten) passieren, dass ich zwar am Dienstag, jedoch erst um 13.05 Uhr erscheine … „Hierfür gibt es ja wohl Terminkalender mit Erinnerungsfunktion??“ schlaumeiern jetzt sicher verschiedene Personen, und ich sag: Ich weiß, doch auch hier kommt es gelegentlich zu Übertragungsfehlern, deren Auswirkungen mich dann irgendwann lustig überraschen. Man muss halt „9.7., 11 Uhr“ nicht nur richtig lesen, sondern auch richtig in den Kalender hineinbasteln. Oder man lässt es und hat sogleich mehr Schwung im Alltag. Ich wollte (neue Erfahrungen) ein Sportangebot im Park ausprobieren, habe mich darauf innerlich vorbereitet, den ganzen Tag um diesen Termin herumgebastelt und am Vorabend noch dreimal die Uhrzeit gegengecheckt. Dann folgte „Bewegung & frische Luft“ – aber anders als gedacht: „Kurze Spaziergänge, Treppe statt Aufzug, Morgensport & Fahrradfahren“ waren innerhalb 30 Minuten erledigt, dazwischen stand ich mal zehn Minuten frierend in Wind und Schatten und wunderte mich: Treffpunkt richtig, Uhrzeit richtig, aber weit und breit niemand zu sehen. Nochmal die Anmeldungsmail gecheckt, stimmt doch alles! Angerufen. „… ja, aber doch nicht heute, sondern am 9.7.!“ Ich glaube, den restlichen Tag widme ich einem weiteren wichtigen Punkt: Entspannung.

Freitag, 6. Juni 2025

WetterApps

 

Was ist der Deutschen liebstes Thema? Lüften, richtig, aber das können wir ja dank Kippstellung jetzt erstmal wieder auf die lange Herbstbank schieben. Was bleibt also? Genau: Wetter! Haben wir aktuell vergleichsweise viel davon. Um und an Pfingsten haben wir traditionell besonders viel davon, was Freunde des Festivals oder einschlägiger Heimat-Kärwas leidlich wissen. Verwandelt sich das Bierzelt in einen Dampfgarer (draußen Regen und Matsch, drinnen Schwitz und Dunst) oder in einen Schnellkochtopf (draußen Hitze, drinnen noch schlimmer)? Muss ich mich fürs Festival mit Gummistiefeln und Regenponcho behängen oder mit Wasserschläuchen und Sonnenhüten? Man weiß es nicht, kann im Vorfeld eh nichts mehr daran ändern und lebt also gezwungenermaßen im Moment. Hätte sich da in den vergangenen Jahren nicht eine neue Spezies von Wetterexperten entwickelt. Früher war das so: Man hörte oder tagesschaute am Vorabend einem Meteorologen bei der Arbeit zu, danach wusste man zwar auch nicht mehr immerhin, in welcher Bandbreite sich das Tagesequipment ungefähr bewegen sollte. Dann zerrte man meist einen Großteil des Gepäcks umsonst herum, war aber auf alle Eventualitäten eingestellt. Seit einiger Zeit hat sich in dieser bewährten Methode jedoch eine Änderung vollzogen, die für Verwirrung, Aufruhr, Absagen, Planmodulationen und schlimmstenfalls Streit sorgen. Diese Änderung heißt „WetterApp“, darin enthalten die besonders wichtige Funktion „Regenradar“, dank derer Menschen sich dazu befleißigt fühlen, zu echten Wetterexperten aufzusteigen. Weil: „Meine App hat immer recht.“ Es ist ja gegen eine meteorologische Detailplanbarkeit ersteinmal nichts einzuwenden. Ich schlepp auch ungern den Friesennerz durch Gluthitze. Leider haben verschiedene Apps verschiedener Menschen verschieden recht, und schon wird’s problematisch. Die eine sagt zielsicher Gewitter um 17.38 Uhr voraus, die andere Trockenheit bis 21 Uhr. Die eine weiß von sicher Sonne bis 16 Uhr, die andere von sicher Nässe gegen 13.45 Uhr. Umstände, über die man sich vortrefflich streiten kann, wenn es um Ausflüge, Seetage oder Gartenpartys geht. Besonders wichtig ist es hierbei, keinesfalls nach der Devise „Jetzt machen wir halt, dann sehen wir schon“ zu agieren, sondern möglichst dezidiert und ausschweifend die jeweils aktuelle Meldung der App zu diskutieren: „Oh, jetzt sagt sie plötzlich Regen um 16.19 Uhr.“ – „Hä nee meine ist immer noch bei 17.38 Uhr.“ – „Also ich hab ja die Spezialapp die man eigentlich als Normalo nicht herkriegt, und die sagt ganz klar: Schauer um 13.20 Uhr, danach trocken.“ – „Und was machen wir jetzt?“ Immerhin: Wenn es nach stundenlanger Diskussion über Unwetter und wann und wie doll endlich zu tröpfeln beginnt, sind alle wieder vereint, denn alle haben irgendwie recht. Und wenn nicht, sind alle irgendwie froh. Mir ist es egal. Ich war ja auf alle Eventualitäten vorbereitet.