Freitag, 12. September 2025

La dure far tutti

 

Ach Leute, ich sag’s euch: Es könnte wirklich schlimmer sein … Ich fläze ohne jede Körperspannung in der Hängematte, es herrschen äußerst angenehme Temperaturen; gerade warm genug, um im Bikini nicht zu frösteln, aber auch nicht so heiß, dass die Sonnencreme in die Augen laufen oder ich gar ins Schwitzen geraten würde. Wenn ich die Augen schließe, höre ich nichts als plätscherndes Wasser und haufenweise Kindergeschrei. Gelegentlich kommt mein schöner Mann vorbei und befragt mich nach meinen Wünschen: ein kleines Sandwich, kühle Getränke oder eine Runde Karteln? Mal sehen, ob ich den Tag morgen wieder so verbringen darf oder lieber einen kulturell ansprechenden Ausflug machen muss … Was ich möchte, denn schließlich ward mir versprochen: zwei Wochen „La dolce far niente“ – das sprichwörtlich italienische süße Nichtstun: schlendern, bummeln, hier ein Spritzchen, dort ein Gelato, dazwischen sehr viel liegen und lesen und dabei wahnsinnig gut ausschauen. Ok, letzteres gelingt mir freilich mit links. Ansonsten herrscht hier ein strenges Regime. Von wegen süßes Nichtstun: „la dure far tutti“ lautet die Parole – das harte Allesmachen! „Und hast du dir schon einen Plan überlegt für Unternehmungen?“ frug der Mann kaum dass die Strada del Sole, sprich A9, betreten worden war und wedelte drohend mit dem im euphorischen Überschwang (oder schwachen Moment) erworbenen Reiseführer. Berge wollen bestiegen werden und Schiffe auch, Museen durchstriffen und Gässchen erkundet, und über allem (mir) schwebt das Damoklesschwert eines Freizeitparkbesuchs, um eine gewisse Attraktion dort zu betreten und per Konfrontationstherapie zu erkunden, ob ich die Nahtoderfahrung von vor einigen Jahren wiederholen oder mich heiter in den Wind des Schreckens stellen kann und dort heiter mit den Ohren flattern. Das ist also dieses „Urli“, von dem immer alle reden, und das einzige, was sich grad dem süßen Nichtstun hingibt, ist meine Verdauung nach einer knappen Woche monothematischer Ernährung mit Stangenweißbrot und Grissini … Immerhin: Langweilig wird mir schon allein darum nicht, weil ich mir die tätigkeitsreichste Art der Unterbringung ausgesucht habe. Camping. Schön im Igluzelt auf Luftmatratzen und Dreibeinhockern? Natürlich nicht, aber auch im festinstallierten Mobilheim hat man zwar ein Dach über dem Kopf, dafür aber auch immer was zu tun. Allem voran, sich einer reduzierten und entschleunigten Lebensweise rückzubesinnen – etwas, das einem im vollausgestatteten Luxus des Eigenheims gelegentlich abhandenkommt. Die minimalistische Ausstattung sowie der überschaubare Wohnraum machen’s möglich, und so mach ich zwar nicht niente, dafür aber tutti in großer Langsamkeit und mit Bedacht, um nicht mehrfach täglich einen kleinen Wutanfall zu erleiden, weil wichtiges Küchengerät nicht zur Hand ist oder Kleidungsstücke im Klamottenchaos verschollen sind. Alles in allem: tutto bene! Ciao!

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