Es gibt eine Phase im Leben, da weiß man urplötzlich nicht
mehr genau, ob man lieber geduzt oder gesiezt werden möchte und umgekehrt.
Freilich ist das kontextabhängig. Aber die Kontexte sind halt sehr verschieden
und so die eigene Verwirrung groß. Wenn mich ein Punker um ‚ne Kippe und ‚nen
Euro anhaut, erwarte ich, weil ich halt auch nur ein Mensch voller Vorurteil
bin, dass der das duzend tut. Erfolgt die Ansprache jedoch wider Erwarten in
der Höflichkeitsform, bin ich eher perplex als beleidigt. Das wiederum ist
tendenziell der Fall, wenn ich mich unter vermeintlich Gleichaltrigen auf,
sagen wir, einem Festival befinde, und so ein junges Rehkitz auf mich zutänzelt
und „Entschuldigung, wissen Sie vielleicht, wo hier die Toilette ist?“ flötet.
Da verkrampft sich mir das spätadoleszente Antlitz zu einem steifen Lächeln und
ich bin geneigt, die Antwort zu verweigern oder eine solche nur zu geben, wenn
das unverschämte Gör sich vor mir auf den Boden wirft und, mir jugendliches Aussehen
beteuernd, um Verzeihung bittet. Dann kommt es vor, dass man in ein lockeres
Gespräch gerät in einem lockeren Umfeld mit einem so pimaldaumen
Gleichaltrigen, nach fünf Minuten sich dabei ertappt, wie man ständig
abwechselnd „Du“ und „Sie“ sagt und selber dabei blöd findet.
Schweigen wollen
wir lieber von den Momenten, in denen man sich Aug in Aug mit einer Autorität
wiederfindet, deren Uniform jedoch in so eklatantem Widerspruch zum zart
sprießenden Kinnflaum steht, dass man an sich halten und selbst gut zureden
muss, der Autorität siezend Folge zu leisten und nicht, wie der erste Impuls
befiehlt, dem Welpen über die Wange zu streichen und ihm einen heißen Kakao anzubieten.
Es ist und bleibt vertrackt, jedoch nicht unlösbar. Eine Möglichkeit aus dem
Dilemma zeigt uns das Gesundheitswesen. Zur Gänze wird hier einzig in der ersten
Person Plural gesprochen: „Was fehlt uns denn?“ fragt der Herr Doktor, und
„Haben wir vielleicht gestern was falsches gegessen?“, und da weiß man zwar
noch lang nicht, was der Herr Doktor gestern gespeist hat, kann dafür aber
weitgehend unbeleidigt für sich selbst antworten. Eine andere Hilfestellung
bietet, wie kann es anders sein, die wunderschöne fränkische Sprache. Die löst
das Problem nonchalant, indem in Situationen undefinierter Nähe schlichtweg die
dritte Person Singular für die persönliche Ansprache bemüht wird. Das klingt
dann so: „Hat er schon was gefunden, was ihm schmecken tät?“ oder „Darf man ihr
vielleicht noch was bringen?“ oder „Hat sie denn schon eine Idee, was sie der
Mama gern kaufert?“
Mit der Lösung kann
ich gut leben und geh alsgleich mal schauen, wie sich das im Nachtleben
anwenden lässt, in dem wir im feiertagsaffinen November an diesem Wochenende
von Tanzverboten verschont bleiben. So wird es feucht und fröhlich im Nano
(Königstraße) bei der „Drunken Table Soccer Championship“, endorphinschwanger
nebenan bei der „Klassiklounge“ in der KK, ekstatisch oben drüber bei der
„Sonic Space Disco“, schnulzig im Marquee (Klingenhofstraße) bei der
„Schlagernacht“ und auf eigenen Wunsch skurril bei der Eröffnung der „Großen
Liebe“ (Engelhardsgasse). Der Samstag feiert auch nicht still, dafür „Apnea“
auf der Mississippi Queen (Donaustraße), „Take off 90s & More“ im Terminal
(Flughafenstraße), „Maximum Rock Night“ im Hirsch (Vogelweiherstraße) und
nebenan „Rigorös“ in der Rakete“ sowie „The Electric Dog & Urban Echoes“ in
der Desi (Brückenstraße). Nebst der üblichen Verdächtigen, versteht sich. Haben
wir das verstanden?
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