Samstag, 16. November 2013

Augenmaß

Mein Opa hat mich einst schwer mit einem unfehlbaren Augenmaß beeindruckt, das es ihm gestattet, Abstände und Längen millimetergenau anzugeben. Ich kann das nicht. Ich weiß: Rutschst du bei Schriftgröße 11 und Zeilenabstand „Standard“ über die erste DINA4-Seite hinaus, so hast du zu viel geschrieben und es erwartet dich ein Tadel. Was ich aber kann, ist einfach so mit Augenmaß zu sagen: Das Bild / der Spiegel / die Wimpelborte hängt schief. Das kann ich auch, wenn ich mich in einem sehr seitlichen Winkel zum bemängelten Objekt befinde. Ich tät dann für gewöhnlich hingehen und mit ein, zwei beherzten Ruckern alles wieder gradebiegen. Fertig, juhu. 
Der Mann als solcher kann das nicht. Der Mann als solcher streitet erst einmal das Schiefsein per se mit Nachdruck ab, weil schließlich hat er das ja mit viel Schweiß und übermenschlichen Mühen an die Wand gearbeitet, das Bild. Dann bedarf der Mann zur Überprüfung der anrüchigen Unterstellung dringend eines Geräts. Nicht irgendeines Geräts, nein, es muss mindestens 17 Meter lang und zwölf Kilo schwer sein, denn erst dann ist ein Gerät ein ordentlich funktionierendes, den hohen Ansprüchen des Mannes entsprechendes Gerät. Ein kleines Gerät wie es eine Frau vielleicht hätte, das kann doch nicht funktionieren, am End‘ haben wir das auch noch in rosa, also, wo kommen wir denn da hin … 
Hat der Mann ein solches Gerät nicht zur Hand, so muss er sich eins basteln. Geschwind mcgyvert sich der Mann nun aus unter dem Bett hervorgekehrten Wollmäusen und abgestorbenem Blattwerk einer längst vergangenen Zimmerpflanze ein Lot. Es erfolgt nun eine gar heitere Darbietung, die mit sehr, sehr vielen Einzelschritten und sehr, sehr vielen Bleistiftstrichen an der Wand verbunden ist, derweil die Frau sich feixend zurücklehnt, von der Show bestens unterhalten fühlt und nach dem ersten vorsichtig geäußerten Halbsatz einen Teufel tun wird, noch einmal die mathematisch-physikalisch-religiös-kulinarischen Fähigkeiten des Mannes zu kommentieren. Nach geschätzten drei Arbeitsstunden der große Moment: Der Mann bringt mit dramatischer Geste das Bild an der nachjustierten Kurzware an. Kurz darauf ist die Stimmung der Frau auf dem Höhepunkt, die des Mannes eher nicht. 
Aber ich hab ja gleich gesagt: Ein bisschen Augenmaß kann ich. Und mit dem schick ich euch jetzt in die Nacht. Wer am Freitag nach „Bock im Park“ im Schnepperschütz (Hallerwiese) noch über Muttersprache und Motorik verfügt, der tanze doch direkt hinaus zum Anwesen Vogelweiherstraße und „Abrakadabra“ in allen Flügeln. Auch an den Stadtrand gedrängt sieht sich alles „Ü30“, nämlich ins Terminal (Flughafenstraße), wohingegen U30 in der Stadt bleiben und sich mit schweren Entscheidungen beschäftigen darf: King „Lui We Tone“ (Luitpoldstraße), Mathespaß mit „Pi“ im 360° (Adlerstraße), Rosatrallala in der Großen Liebe (Engelhardsgasse), eine laute „Desirene“ in der Brückenstraße, „Just Jack“ in der Indabahn (Bahnhofsplatz) oder Hawaiihemden-Party im Stereo (Klaragasse), beim sechsten und letzten Mal „Down with it!“. Am Samstag dürft ihr eure Wunden lecken – oder müsst, denn um 2 Uhr gehen die Lichter an und die Anlagen aus, damit ihr den sonntäglichen Stillen Feiertag … Ja, womit eigentlich verbringen könnt? Hm. Mit nageln, meinetwegen.

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