Und endlich haben wir das auch wieder überstanden und sind dort angekommen, wo wir hinwollten: zum Sonntagsspaziergang. Der Sonntagsspaziergang ist für sehr viele Menschen obligat, zumindest gewinnt man diesen Eindruck, wenn man Zeit seines Lebens in unmittelbarer Nähe einschlägiger Grünanlagen haust. Die Motivationen, sich bei Wind und vorzugsweise Wetter adäquat gewandet im Kreis zu schieben, sind mannigfaltig. Den schwer im Magen lastenden Schweinebraten verdauen. Sich die Sünden der vergangenen Nacht aus dem Kopf lüften lassen. Die krakeelenden Kinder irgendwie beschäftigen. Die krakeelende Oma irgendwie beschäftigen. Aus intrafamiliärer Dissonanz in Freiheit fliehen. Aus ehelicher Dissonanz in die vermeintlich rettenden Arme des neuen Gespielen werfen. Unangenehmes Schweigen mit dankbaren Themen („Boah schau mal, eine Ente!“) füllen. Der bedauerlicherweise angeschaffte Hund geht immer noch nicht alleine aufs Klo, das schlechte Gewissen nach mehrstündigem Horchen an der Couch muss zum Schweigen gebracht werden.
Hier wär dann auch ich anzusiedeln. Jedoch verhält sich das bei mir so, dass ich die Fortbewegungsart „laufen“ als völlig fehlkonstruiert erachte. Gehen, um zum Ziel zu kommen, hat mir immer schon zu lang gedauert, ich beginne hurtig, mich zu langweilen. Deswegen habe ich irgendwann eingeführt, das Gehen als eine Art sportlichen Wettkampf mit mir selbst zu zelebrieren und versuche permanent, meine eigenen Bestzeiten zu unterbieten und jedweden zu absolvierenden Gang möglichst schnell hinter mich zu bringen. Hieraus folgt jedoch leider, dass ich den militärischen Stechschritt schwerlich abstellen kann, was wiederum zu höchst genervten Begleitpersonen führt, die fünf Meter hinter mir schwer atmend irgendwas von Spazierrennen und Duspinnstdoch und Niewieder keuchen. Daraus hat sich eine gewisse soziale Isolierung entwickelt, weil: Eins von zwei ist stets latent genervt (ich wegen Handbremse, der/die andere wegen Gefährdung des Ruhepulses), und dass ich im Kreis um den Schlendrian laufe, während der gemächlich vor sich hin flaniert, hat sich auch nicht direkt als optimal erwiesen.
Also führe ich mich vorzugsweise selber Gassi an der iPod-Leine. Das ist schön, keiner heult, höchstens der Mensch im Ohr, aber den kann man erfreulich einfach abstellen. So zieh ich meine Kreise, die dann niemand stört außer vielleicht diese Lahmen anderen da, mit ihren Hunden, Kindern und Omas und diese schwitzigen Jogger, aber die kann man ja mit pikierter Miene überholen. Und sich dabei überlegen, was man eigentlich als nächstes so in diese Kolumne hineindichten könnte. Wenn ich nicht zu schnell laufe, gelingt es mir sogar, dass der ein oder andere Gedanke den ganzen Weg über Schritt hält.
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