Freitag, 27. März 2015

Kommunikatonstunnel

Kann es eigentlich etwas Großartigeres geben als Kommunikation? Nein! Könnte ich den ganzen Tag machen. Weil: Es könnt‘ alles so einfach sein, isses aber nich. Auf der einen Seite ein Sender, auf der anderen ein Empfänger, fertig. Sollte man meinen. Wäre da aber nicht noch der böse böse Kanal – und in dem droht allerhand Ungemach. Ein bisschen muss man sich das so vorstellen wie den St.-Gotthart-Tunnel: Vorne fährt man rein und hinten wieder raus. Eigentlich. Dazwischen liegen nur leider knapp 17 Kilometer Düsternis, und man kann sich nie ganz sicher sein, ob man der heil entkommen kann (qed!). Im Gegensatz zum Straßentunnel, der sich für gewöhnlich dadurch auszeichnet, dass man sich mit spontanen Umkehr- und Abbiegemanövern eher schwer tun dürfte, birgt so ein Kommunikationskanal allerlei ersprießliche Möglichkeiten, heiter links und rechts auszuscheren. 

Der Watzlawicks Paul hat das sehr hübsch in seinen fünf Axiomen zur Kommunikation beschrieben und einen Teil davon noch viel hübscher in der Geschichte verdeutlicht, in der ein Mann eigentlich nur einen Hammer vom Nachbarn leihen möchte, dann aber fatalerweise zu denken beginnt mit dem Ergebnis, dass er den Nachbarn heimsucht und ihn statt einer Begrüßung mit den Worten „Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!“ anschreit. Diese Mär befindet sich in einem Sachbuch namens „Anleitung zum Unglücklich sein“, und genau das passiert gern mal, wenn man nicht kommuniziert. Oder nicht nicht kommuniziert, je nachdem (kann man nämlich gar nicht, sagt der Paule. Also nicht kommunizieren). Wir meinen A, sagen B, machen dazu aber ein C-Gesicht. 

Das Gegenüber, erfahrungsgemäß in den allermeisten Fällen entgegen landläufig geäußerter Stoßgebete nicht mit der so praktischen wie seltenen Gabe der Telepathie gesegnet, hatte in der vergangenen Nacht einen Traum D, dazu die kürzlich gemachte Erfahrung E nebst der Grundlaune F und versteht deswegen völlig unverschuldet Alphabetsalat. Besonders schikanenreich gestaltet sich die schriftliche Kommunikation, und die aber präferieren wir ja heutzutage meist, frei nach dem Motto: Warum fünf Minuten telefonieren, wenn wir doch über den selben Inhalt auch fünf Stunden whatsappen können? Und weil dann trotz reichhaltigen Angebots an emotionsbeschreibenden Gelbgesichtern halt der so feine wie variantenreiche Gesichtsausdruck des Echtmenschen fehlt, tja, da muss es ja schnackeln. Und deswegen ist der exemplarische St.-Gotthart-Tunnel halt einfach eher ein Spiegellabyrinth. Zum Glück – sonst hätt ich doch gleich viel weniger zu erzählen.

Freitag, 20. März 2015

Stockentensyndrom

Ich bin prädestiniert fürs Stockholm-Syndrom, ich bin mir ganz sicher. Oder wie nennt man das sonst, wenn man dem Mann, der einen gefoltert und dann wochenlang eingesperrt hat, mit Haut und Haar verfällt, sobald er einen einzigen magischen Satz sagt? In meinem Fall waren das die Worte „Sie können dann jetzt langsam versuchen, ohne die Krücken …“ und mehr hab ich nicht gehört. Mit verklärtem Blick starrte ich ihn an, diesen wunderschönen Doktor – allein, ohne ihn zu sehen, spielten sich doch vor meinem inneren Auge bereits bollywoodeske Szenen ab. Ich gehe, laufe, renne eine Straße mindestens epochalen Ausmaßes entlang, hinter mir die Rotten vernachlässigter Auftraggeber und Zeitungsredakteure, die mich mit Deadlines und Kalendern bewerfen und mir nach dem Leben trachten, und ich laufe und fliehe immer schneller und die Krücken fliegen von mir fort, links und rechts spritzen sie von mir, und ich renne weiter und weiter auf eine Frühlingsblumenwiese, auf ihr warten meine Freunde die Tierchen und Blümchen und ich tanze und tolle und kitze und … 

… finde mich wenig später auf der Brüstung des Business Towers wieder. „Komm, nur einen Schritt!“, lockt der kleine Teufel vor mir, und der Kopf ist willig, doch das Fleisch renitent. Oder: Mein Reptilienhirn halluziniert einen reißenden Abgrund vor mir auf dem Physioboden und lässt sich nicht verarschen, nö nö, denkt es sich, verschränkt die Arme und bleibt einfach stehen. „Ok, dann machen wir das also“, hatte der kleine Teufel gesagt, als ich ihm die frohe Kunde trug von meiner baldigen Erlösung, und ein listiger Schatten huschte über das süße Puppengesicht der Physiosadistin, und ihre Hand schnellte vor und beraubte mich meiner beiden besten, über die vergangenen Wochen so liebgewonnenen Freunde. Das ist jetzt schon ein bisschen her, und wie durch ein Wunder ertappe ich mich neuerdings dabei, fröhlich durch dieses Draußen da zu spazieren.

 Immer schön am Wastl entlang, weil da bin ich unter meinesgleichen, wie sich herausstellt. Außer mir zuppeln da nämlich neuerdings noch ganz viele andere ältere Damen an zwei Stöcken umeinander, und mit jeder weiteren, die mir entgegenwatschelt, wird mein Drang größer und größer, den Stockenten einen verschwörerischen Blick zuzuwerfen, so „Haha, du auch, aber halt in anders, haha lustig.“ Bedauerlicherweise lassen die Stockenten in flottem Schritt und nicht minder flott-coloriertem Lycra diesen feinen Hintersinn vermissen, was zur Folge hat, dass ich mit einem einsamen, weil empfängerlosen Deppengrinsen herumspaziere. Aber wissder was? Des is mir wurscht. Weil: Freiheit, Frühling, Wunderheilung! Vielleicht kann man nachts Schnüre um den Wastl spannen, zum Entenjagen. Da hätt‘ dann zumindest ich auch wieder meinen Spaß. 

Freitag, 13. März 2015

Abrissmeise

Es gab da mal ein Eichhörnchen, das litt unter einer Identitätsstörung. Tagtäglich ließ es mich daran teilhaben, indem es mit lustigen Kratzgeräuschen die Hauswand rauf und runter schrappte, plattgedrückt wie eine Flunder, Spiderhörnchen auf Mission. Manchmal machte es einen kurzen Zwischenstopp auf meinem Fensterbrett, um die Lage zu sondieren, und winkte mir verschwörerisch durchs Fenster zu. Irgendwann war das zu Ende, das Eichhörnchen verschwunden, die Welt retten anderswo, was weiß ich. Es hat aber einen Nachfolger. Weniger geheimnisvoll, dafür ungleich lästiger. Eine Kohlmeise nämlich, die sich für einen Specht hält. Oder eine Abrissbirne, man weiß es nicht. Die Meise jedenfalls erfreut mich neuerdings mit ihren unermüdlichen Bestrebungen, einen Wanddurchbruch von außen in mein Schlafzimmer hinein zu vollführen. 

Kaum graut der Morgen, geht es los, pockpock pock pockpockpock pockpock, und dann wartet die Meise kurz und ich höre, wie das Mauerwerk aufs einem Trümmerfeld gleichendeFensterbrett rieselt. Jetzt ist es nicht so, dass ich prinzipiell was gegen Natur hätte, auch mit Vögeln komme ich klar, schließlich lebe ich fatalistisch inmitten der vermutlich größten Schwalbenpopulation der Stadt und den damit einhergehenden allsommerlichen Unwägbarkeiten. Ich bin mir aber nicht sicher, ob meine Naturverbundenheit nicht an eine empfindliche Grenzen stoßen könnte, sollte ich demnächst aufgefordert sein, mein Gemach zu einem Quartier der hiesigen Kohlmeisengemeinde umfunktionieren lassen zu müssen. Jetzt fragt sich nur, wie dem Einhalt zu gebieten ist. Schon nämlich trage ich Sorge, dass bald ein Nachwuchs in den Rollladenkasten hineingeboren wird, und spätestens dann ist es vermutlich nicht vertretbar, weder ethisch noch hygienisch, das Nest mit einem gezielten Schuss aus der Zwille abwärts zu befördern. 

Dann aber lese ich „ Ab dem zeitigen Frühjahr ist der recht auffällige, metallisch-helle Gesang zu vernehmen, der ein zweisilbiges tsi-da … tsi-da … tsi-da oder beispielsweise als tsi-da-tsit … auch dreisilbig sein kann.“ Weiter: „Daneben verfügt die Kohlmeise über ein sehr breites Repertoire an Rufen wie beispielsweise ein hohes pink und ein warnendes dädädä“. Dädädä also. Das dann aus fünf bis zehn glücklichen Vogelkinderkehlen, und zwar ganztags. Kann es denn irgendwas Schöneres geben? Vielleicht hole ich einfach Hammer und Meißel und greife der Meise tatkräftig unter die Flügel, um dereinst inmitten unzähliger Singvogelbabys, Eichhörnchen, Schmetterlingen, Rehkitzen und was die urbane Fauna halt noch so hergibt, zu erwachen. Ich glaub, es ist Frühling. Kann man auch morgens beim Aufstehen hören. Oder beim Heimkommen. Frühling lässt sein blaues Band // Wieder flattern durch die Lüfte // Süße, wohl bekannte Düfte // Streifen ahnungsvoll das Land ...

Freitag, 6. März 2015

Frauensachen

Es gibt Dinge, über die wird viel zu wenig gesprochen, obwohl man eigentlich nie genug darüber reden könnte. Deswegen nehme ich mich eines dieser Themen hiermit angesichts der anstehenden Feierlichkeiten am 8. März an und gleichzeitig sämtliche meine Geschlechtsgenossinnen in Generalhaft. Äh, Schutz, meinte ich. Da hängen wir nämlich alle mit drin – Weiblein und die Männlein gern mal auch. Tag für Tag wachen Millionen und Abermillionen Frauen morgens mit der untrüglichen Gewissheit auf, heute wäre der schlimmste Tag ihres Lebens. Mit der Gewissheit, das hässlichste, ungeliebteste Wesen auf der ganzen Welt zu sein. Das tollpatschigste noch dazu, denn an diesen Tagen ist prinzipiell alles zum Tode verurteilt, was die ebenfalls sicher Todgeweihte quasi-midasch in die Hand nimmt oder nur ansieht, eingeschlossen sie selbst, was sie sich mit permanenter Selbstverstümmelung an Türrahmen, Küchenmessern oder Treppenabsätzen leichthin selbst beweisen kann.

Sie hat den grausigsten Job der Welt, schafft es aber trotzdem, darin die schlechteste zu sein. Jeder Mensch hat nur Böses im Sinn, meldet sich zu selten oder zu desinteressiert, und je näherstehend der Mensch, desto ärger die Verfehlung. So noch Platz im Denkorgan ist zwischen all der Unfairness, so kreisen die Gedanken ausschließlich um die Beschaffung eines Nahrungsmittels, völlig gleichgültig welcher Art, und es hört erst auf, wenn auch das letzte verzweifelt zu Tode frittierte Hühnerbein einem stummen Hilferuf gleich aus der Kehle ragt. Diese Phänomene und noch viele mehr haben einen so unaufgeregten wie bedeutungsschwangeren Namen, der da lautet: PMS, und es ist das Damoklesschwert vieler wie auch immer gearteter Beziehungen und Lebensgemeinschaften, das in vierwöchiger Regelmäßigkeit an einem hellblauen Faden über der Harmonie schwebt.

Kluge Haushalte, so erzählt man sich, führten entweder mehrere oder einen gemeinsamen, öffentlich einsehbaren Kalender, in dem Gefahrengebiete weithin sichtbar rot umkringelt und entsprechend weit umschifft werden können. Nun hilft es aber nicht, sich von der intermittierend irren Person, die nicht Herrin ihrer Selbst ist, fernzuhalten, sondern es sei eindringlich dazu geraten, mit Engelszungen und Samthandschuhen zu operieren. In Gleichnissen zum Volk zu sprechen hat früher schon geholfen, deswegen tue ich das auch: Liebe Herren, stellt euch einfach vor, ihr wäret dem bösen Männerschnupfen anheimgefallen, der euer Wohl bedroht, und überlegt, mit welchem Maß an Umsicht und Verständnis ihr umhegt werden mögt. Aha, seht ihr?