Montag, 6. April 2015

Komfortzonenengagement

Soziales Engagement ist eine ganz arg feine Sache. Tagtäglich machen Menschen tolles Zeug, um gegen Missstände jedweder Art zu aktionieren, am End gar gegen solche, die sie persönlich eigentlich nicht betreffen. Dafür verlassen diese Menschen ihre Komfortzone und stellen sich bei Wind und Wetter in politischen, wirtschaftlichen wie sozialen Gegenwind, dass die Ondulanz nur so flattert. Das finde ich toll. Was Unternehmen, also Firmen verschiedener Couleur, angeht, gibt es solche, die sich in puncto Engagement mehr und andere, die sich weniger mit Ruhm bekleckern. In der ersten Kategorie findet sich eine gewisse Häufung im Mode- und Luxusartikelsegment, das ist ja gemeinhin bekannt. Arbeitsplätze schaffen in Ländern der Dritten Welt ist da gern das Mittel der Wahl. Vor Ort, also hier, wird die Luft dünner, ich mein, was soll man auch mehr machen im Verwöhntland als hier und da mal ein paar Schnäppchen auf den Markt zu werfen.  

Man würd‘ ihn ja gern rausholen aus der Komfortzone, den Konsumenten, aber wie nur, wie? Da hat sich ein französischstämmiges Handwerkerunternehmen eine Wahnsinnsstrategie ersonnen, die so listig ist, dass ich direkt meinen Zylinder ziehen muss vor lauter Anerkennung. Besagtes Unternehmen mit dem Beinamen „Malletier“, was auf Deutsch so viel bedeutet wie „Kofferhersteller“ und damit in etwa so sexy klingt wie der Großteil der gemeinhin bekannten Produkte als „schön“ zu bezeichnen ist, nämlich hat verlauten lassen, seine Niederlassung in der ortsansässigen Lieblingseinkaufsmeile aufzugeben. Und schon ging ein #aufschrei durch die Stadt. Der Bürger war emotional eruptiert – und tut es noch. Und während sich der Hintersinn der Unternehmungsentscheidung bereits als sozialengagiert durchdacht entpuppte – man wolle sich ganz auf die Grundbedürfnisse der Mitmenschen im Hessischen wie Oberbayerischen konzentrieren können – ging als Nebeneffekt ein Ruck durch die Komfortzone sondersgleichen.  

Kaum war die Information champagnergleich durch die Goldfugen der Gerüchteküche gesickert, schon erhob sich der tief getroffene Bürger und griff zu dem einzigen Mittel im Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit, das ihm sein weitreichender Erfahrungsschatz bot: Er gründete eine hochdramatische, frappierende nach Satire duftende Facebook-Seite (mit bis dato 300 Mitrecken) zur Rettung des Geschäfts. Von dieser Tätigkeit ermattet sank der Bürger sogleich zurück in die samtene Chaiselongue, um zur Beruhigung des Blutdruckes angelegentlich die Rolex-Sammlung zu polieren. Und sich mit gerechtem Stolz nicht nur in deren Glanz, sondern auch dem des soeben absolvierten Engagements zu sonnen. Man muss ihm also Respekt zollen und aufrichtige Dankbarkeit, dem Franzosenkofferer mit dem lustigen Walrossschnauzer, dass er es 123 Jahre nach seinem bedauernswerten Ableben noch geschafft hat, die Massen zu bewegen. Grund genug für mich, am Sonntag ein Kerzerl zu entzünden und eine Kniebeuge extra zu absolvieren zu Ehren nicht nur der Auferstehung des Herren, sondern auch derselben Aufstand. Oder ich tanz einfach (irgendjemand anderem auf der Nase herum). Frohe Ostern, urbi et orbi, gepriesen seist du o Herr! 

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