Freitag, 2. Oktober 2015

Sommer ade

Sommer ade, scheiden tut weh. Gehst du nicht bald nach Haus, treibt dich der Grampus aus … Nun, bei solch einer Drohung hätte ich als guter Katholik freilich auch die Beine in die Hand genommen und wäre gerannt. Jetzt haben wir also den Salat. Schön kalt und knackig. Weil ich damit nicht einverstanden war, bin ich nach Süden geflohen. Weil der Herbst damit nicht einverstanden war, ist er mir kurzerhand gefolgt. Einen Tag lachte er mir listig ins Gesicht, nur um dann die Faust zu ballen und mit einem veritablen rechten Haken zuzuschlagen. Jetzt: kalt. Nass. Weltschmerz. Na wobei, stimmt eigentlich gar nicht, um ganz ehrlich zu sein. Der sozial verständige Mensch wie ich weiß ja schließlich, was sich gehört, und es gehörte sich in den vergangenen Monaten rein gar nicht, auch nur eine einzige Sekunde potentiell draußenaktiven Wetters in einem Drin zu verbringen, wenn man nicht als mindestens lebensbedrohlich krank eingestuft werden wollte. Wollte ich nicht.

War ich also draußen. Jetzt, endlich: reinwärts! Keine lästigen Spontanbalkonpartys mehr, über die man sich aufregen (Nachbarschaft) oder vergnügt-quietschend freuen (eigene) kann. Keine tägliche Auseinandersetzung mit der Bikinifigur (vorhanden nur im Sinne von „Bikini + Figur“) mehr, dafür wohliges Wollbehagen. Kein empörtes Aufschreien beim auch nur ersichtig werden des Wortes „Kino“, dafür große abzuarbeitende Listen, auf denen sich allsämtliche Musst-du-gesehen-haben-Filme sowohl der Blockbuster- als auch der Spartenlandschaft befinden. Kein lästiges Herumhängen mehr auf sämtlichen attraktiven-wie-unattraktiven-scheißegal-Hauptsache-draußen-Plätzen, dafür, und es gluckst in meinem Inneren vor unverschämter Freude: Couch, Decke, Bequemhose, Frisurfreiheit und Make-Up-Revolution.

Ganz zu schweigen vom tagtäglichen Umlackieren sämtlicher verfügbarer Extremitätennägel wegen „Fuß passt nicht zu Hand, dafür Hand hervorragend zu Top, dafür Top nicht zu Lippenstift, dafür der wiederum …“ und so weiter. Vorbei! Rein in die Hüttenschuhe und gut ist. Was mich aber lähmt, ist das Wissen um die nun anstehenden „letzten, also wirklich allerletzten sonnigen Tage des Jahres“. Sonntagmorgen aufwachen, aus dem Fenster linsen und blauen Himmel sehen statt wolkenverhangenem Regengrau – wie schrecklich! Dann muss man doch sofort wieder hinaus, in Zwiebelschichten, damit man sich als wandelndes Wolle-Petry-Gedächtnis-Mal formunschön um den Leib knoten kann. Jedoch: Es wird schön zeitig dunkel, weswegen sich der Outdoorterrorismus weitgehend in Grenzen hält. Wer Zweifel hat an meiner reinwärts-Theorie, der möge sich einfach die Programme der Clubs und Diskos anschauen. Schwalben machen Sommer, vorhergenannte Winter!

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