Freitag, 23. Oktober 2015

Frauenschnupfen

Ich kann nicht schreiben. Seit einem gerüttelt Maß an Zeit sitze ich vor meinem Moleskine und starre auf die beigen Seiten, derweil vor meinem inneren Auge dort, wo eigentlich launige Sätze sich zu einer Textarmee formieren sollten, lediglich eine Substanz unappetitlicher Farbe und noch viel weniger ersprießlicher Konsistenz umherwabert. Bewege ich den Kopf, ändert die Substanz prismagleich die Form, und wenn ich lang genug darauf schaue, sehe ich Konturen, die Betten, Teekannen und Gedenksteinen frappierend ähneln. Ich würde hier meine Leidenskunst präsentieren, hätte ich als Arbeitswerkzeug Pinsel statt Typen. Und damit meine ich nicht meine Geschlechtsantagonisten. Ein solcher jedoch blickte mich vor wenigen Tagen an und sprach milde: „Kann es möglicherweise sein, dass du Frauenschnupfen hast?“

Vor Schreck fiel mir das Fieberthermometer aus dem Mund und versank metertief im Wollschal, in den ich mich gehüllt hatte. „Wie bitte?“, erhob ich meine Grabesstimme und verschüttete dabei ein wenig Salbeitee auf dem um mich herum ausgebreiteten Taschentuchteppich, wie man es wagen könne, wollte ich wissen, wo ich doch seit Tagen tapferst und ohne mit der tränenverhangenen Wimper zu zucken, derweil andere längst, und man möge sich gefälligst an der eigenen penatenbekleisterten Nase! Ermattet schmiegte ich mich zuwendungsbedürftig an meine Heizdecke und sehnte mich nach meiner Mama. Wog kurz den Nutzen einer Mamapflege gegen die Kosten einer Papasuppe. Beschloss, alt genug zu sein, um ein Ableben in Abgeschiedenheit zu zelebrieren zu können zu müssen. Startete die nächste Folge Pumuckl.

Während ich mir beherzt das Paket frischer warmer Zwiebeln aufs Ohr drückte, besann ich mich auf meine Pflicht qua Geschlechtszugehörigkeit und befand mich für ausnehmend tapfer. Im Gegensatz zu diesen anderen da beispielsweise hatte ich es nämlich geschafft, eine dieser Goldgruben mit dem großen roten A, um das sich listig eine Schlange windet, zu betreten, und der Alchemistin, die mich händereibend empfing, zwei präzise Wünsche aufzutischen. Traurig schob sie den vorbereiteten Geschenkekorb „1. Hilfe Männerschnupfen“ im Wert von 250 Euro beiseite und griff weisungsgemäß ins Regal, dessen Beschriftung jedes Paläontologen Herz vor seliger Freude hüpfen ließe angesichts der ganzen Rhino- und Bronchosauren, an die er sich erinnert fühlen darf.

Wie auch den Zwiebeltrick bemühe ich lieber Hausmittelchen, die einem so zugetragen werden und bin deswegen zu einem Meisterwerk in ätherischem Öl mutiert, an dem sich die Parfumeure der Welt ihr feines Näschen ausröchen. Eukalyptus (schleimlösend), Ingwer (Dings … wärmefördernd), Knoblauch (wieso das gleich wieder?) und jetzt halt auch noch Zwiebel. Nach meiner Rekonvaleszenz bin ich weitere zwei Wochen nicht gesellschaftsfähig. Aber das soll mich nicht weiter stören, geht’s doch meinen Mitmenschen wenig besser. Falls hier jemand einen roten Faden sucht, so tut er das vergebens, das Prisma schlägt lieber Purzelbäume.

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