So. Wetter. Haben wir grade und irgendwie immer, und
irgendwie immer wird schon irgendwas damit nicht passen. Jetzt grad
beispielsweise. Oder letzte Woche. Seitdem wir aber ein Wetter haben, über das
zumindest in einigen Teilen der Bevölkerung ein weitestgehend positiver Konsens
herrscht, haben wir noch was anderes, und zwar nämlich Liebe und Harmonie im
Straßenverkehr, weil jetzt sind wieder mehr Vertreter aller Parteien unterwegs
und verbreiten untereinander gute Laune. Auto, Fußgang oder Rollstuhl ist egal,
es wird kreuz und quer durcheinandergeherzt. Quasi heterogene Multiphilanthropie.
Aber auch innerhalb der Peergroups spezialviel Liebe, zum Beispiel:
Fahrradfahrer. Gibt’s ja solche, die fahren andauernd, und solche, die nicht so
oft. Selbstverständlich ein mordsrücksichtsvoller Umgang jeweils miteinander.
Kaum Klassenunterschiede, nein wirklich, das ist so eine feine Melange, eine
Emulsion nachgerade, da merkst du keine Differenzen raus. Als Unbeteiligter. So
aus dem Auto heraus, zum Beispiel. Da sitzt du nämlich in deiner Kiste und
sprichst groß auf über den Fahrradfahrer als solchen, der eh klar zum
Autofahrererzfeind erklärt wird, und machst dir gar nicht bewusst, dass da
untereinander auch nicht alles Liebe was radelt. Gut zu beobachten ist das auf der
Fahrradautobahn Wöhrder See – Meistersingerhalle, zum Beispiel. Da mischt sich
alles, was zwei Räder hat, um sich inbrünstig zu verachten. Es gibt den
Berufsradler, Kuriere beispielsweise, denen sind eh alle immer zu langsam, und
wenn so einer auf dich zugerast kommt von hinten, machst du am besten die Augen
zu stoßgebetest. Der hasst alle, wegen zu alles. Leicht zu erkennen an der
Montur. Eben so leicht zu erkennen an der Montur ist der Sonntagsradler. Meist
um die 65, ausgestattet mit dem feinsten, was der Stadler zu bieten hat, sowie
einem „E“, radelt er eifrig umeinander und muss andere Personen belehren über
Ein- und Zweispurigkeiten, düst an der grünen Ampel e-betrieben davon,
produziert aber Auffahrunfälle an der nächsten Kreuzung, weil er ausgerechnet
hat, dass hier gleich Rot ist, ergo Vollbremsung. Dann gibt’s die Spätzünder
und Angstfahrer, die vom Radl springen, wenn man sie von hinten behutsam
anklingelt oder den Überholmindestabstand von fünf Metern unterschreitet.
Kindschauffeure, die um ihre Anhänger gern einen Stacheldraht und Dolche bauen
täten, diesen Mangel dann durch Blicke ersetzen. Und noch viele mehr. Und dann
freilich mich, die sich stets korrekt verhält und artig bedankt beim von hinten
behutsam angeklingelten Fußgänger, der im Schrecksprung auf die Seite hechtet,
um dort ein bisschen zu atmen. Ein Glück: Nachts sind alle Radler grau! Und jetzt hab ich wieder meinen Einsatz mit der „Internationalen
Orgelwoche“ verpasst, zefixnocheins. Gut, dann halt nächste Woche irgendwas mit
Vögeln.
Freitag, 30. Juni 2017
Freitag, 23. Juni 2017
Pubertanten
Als Tochter vergesse man gern einmal, dass die Mutter ja
auch nur eine Tochter sei – so steht es in dem wunderbaren Buch „Altes Land“,
das sich um die Generationenkonflikte vorgenannten Umstandes dreht. Was aber
passiert, wenn die Tochter plötzlich zur Erziehungsperson der eigentlichen
Erziehungsperson avanciert, nicht. Wie geschehen in Extremsituationen. Wie
einer gemeinsamen Städtereise. Angetreten von einer offiziellen Tochter und
zwei inoffiziellen „Nornen“, wie ich liebevoll zu sagen pflege in Anlehnung an
die mystischen Hexengestalten, die kichernd Schicksalsfäden weben. Da findet
man sich also unversehens sowohl in einer wildfremden Metropole als auch der
unbekannten Situation wieder, sich Sätze sagen zu hören wie „Jetzt tu halt amal
das Handy weg und schau aus dem Fenster!“, sich gleichzeitig über
iPad-Fotografie der einen zu amüsieren und der anderen die Bedienung einer 20
Jahre alten Digicam zu erklären. Man überredet mit sanftem Nachdruck zwei
spätabends vor Müdigkeit vom Stuhl fallende Damen zu einer Heimkehr, um sie
dann dabei zu erwischen, wie sie im auf dem Weg liegenden Spätkauf statt der
Flasche Wasser lieber eine solche mit Rotwein erstehen. Man geht nachtschreiend
ins Bett und wird morgenschreiend davon aufgeweckt, dass sich dringend in aller
Herrgottsfrüh über Haarstyling ausgetauscht werden muss. Man frühstückt
figurbewusst nur ein Ei und drei Brotkrumen, begibt sich mit dieser kompakten
Grundlage auf eine Wanderung über acht Stunden und 1500 Höhenmeter, lässt sich
dann auseinandersetzen, dass Bier schon seit jeher in Bayern als
Grundnahrungsmittel angesehen wird, deswegen drei davon eine Tagesmahlzeit
vorzüglich ersetzen und der Wasserhaushalt damit einwandfrei in Gleichklang
gebracht würde. Man lotst Damen mit Bierzeltstimmung klassenlehrergleich durchs
fremde Straßenlabyrinth, bekommt dabei andauernd beschienen, dass man 1. vor
Hunger sterbe und aber 2. eine Einkehr in ein Döner-Restaurant unter der
damenhaften Würde sei und man 3. ausschließlich gourmetzuspeisen gedenke. Man erwischt die wandelnden Renitenzen dabei,
wie sie angereichte Wasserflaschen heimlich in Blumenkübel entleeren. Wie sie
in der Pizzeria um 22.30 Uhr erst einmal eine Flasche Wein bestellen. Man
spricht mit Engelszungen über Abflug- und damit einhergehende Aufstehzeiten,
wird dann aber von fröhlicher Meute zum Wachbleiben bis kurz vor Reisezeit
gezwungen. Man fühlt sich sehr alt. „Je oller, je doller“, so das Wiktionary,
„drückt aus, dass manche Menschen mit zunehmendem Alter unvernünftiger werden.“
Ich sage dazu: „Und es ward geboren ein neues Wort: die Pubertante.“ Hältste
nich aus. Also los! Die Nacht ist jung – im Gegensatz zu … mir.
Samstag, 17. Juni 2017
Kindlewälzer
Gestern habe ich ein neues Buch zu lesen begonnen. Nicht
dass das etwas allzu ausgefallenes wäre, geschieht nämlich ungefähr alle ein
bis zwei Wochen, wegen weitestgehender Fernsehverweigerung wegen sonst Gefahr
von Ausschlag, Epilepsie oder Weltschmerz. Buch also. Dass dieses Buch mich
unversehens in eine Extremsituation katapultiert hat, in der ich mich erstmal
zurechtfinden muss, hab ich mir beim Kauf so nicht vorstellen können, jetzt
jedoch sah ich mich unversehens in der wundersamen Lage wieder, während des
Lesens gleichzeitig Sport betreiben zu müssen, und das mögen jetzt vielleicht
Leute wenig sonderbar finden, die auf Hometrainern Netflix gucken, ich für
meinen Teil halt’s da aber wie mit der Trennkost: entweder-oder. Stolze 966
Gramm bringt der Wälzer auf die Küchenwaage, bei einer Dicke von sechs
Zentimetern für meine Begriffe ein beachtliches Trum. Jetzt Haltungsprobleme.
Hat schon mal jemand versucht, einen fastvollen Maßkrug auf dem Rücken liegend
mit einer Hand im 45°-Winkel nach oben zu halten? „Mit Zittern“ güldet nicht
und wär ja eh also wirklich, wer soll denn da lesen? Auf dem Bauch geht auch
nicht, weil kein Mensch, also doch, vielleicht schon, aber ich nicht meinen
Hals dauernd so weit nach oben umeinanderrecken kann, um auf die Spitze des
Buchbergs schielen zu können, dass da nicht in kürzester Zeit ein bis sieben
Wirbel einen Veitstanz aufführen. Freilich hab ich alte Amazone mich dem Kampf
gestellt, um dann direkt am Morgen danach mit aus den Haltungsproblemen
resultierenden Haltungsschäden schief und krumm in ein Rückenschulungsprogramm
zu hatschen und dem schmerzverzerrten Gesicht im Spiegel dabei zu assistieren,
die Rückseite wieder in ein einigermaßenes Gleichgewicht zu bringen. „Ich
versteh beim besten Willen nicht“, merkt ein Brudermensch regelmäßig an, „warum
du und deine Mutter euch nicht einfach ein Kindle zulegt.“ Alle Bücher der Welt
auf 207 Gramm verteilt, ist ein Werk ausgelesen, beamt ein Klick drei neue
hinein, die ganze Bibliothek stets in der Hosentasche. Da geht’s jedoch schon
los mit der Crux: Ich will keine Bibliothek in der Hosentasche, sondern Papier
um mich herum. Regale voll Erinnerungen, Stapel voll Gefühl, zärtliches
Streichen über hunderte von Buchrücken, ein Vermögen voller Glück. Inmitten
dieser Buchstabenarmada steht der Beweis: Seit gut einem Jahr besitze ich ein digitales
Lesegerät. Einmal aus und an hab ich’s geschaltet, für später aufgeladen, ins
Buchregal gestellt und dann gleich noch wieder in den Lieferkarton hinein,
damit der glatte Kunststoff nicht so stört in der papierenen Optik. Und
vergessen. Gestern ist’s mir kurz wieder eingefallen: Der Wälzer, der von Seite
zu Seite immer schwerer wurde, den könnte man doch vielleicht ausnahmsweise mal
… NEIN!! hab ich alle Artgenossen aus den Regalen schreien hören, das lässt du
schön bleiben und kämpfst dich da durch. Du weißt genau, danach fühlst du dich
gut! Wie Sport halt. So denn … Braucht jemand ein Kindle? Was ich allerdings schon
verstehen könnte, wäre, wenn jemand meine gesammelten Werke als eBook … Naja.
Freitag, 9. Juni 2017
Trennungsschmerz
Ich bin furchtbar aufgeregt. Mein Herz klopft, ich schlafe schlecht. Man darf intensive emotionale Bindungen einfach nicht eingehen, das hab ich schon immer gewusst, sonst droht über kurz oder lang ein großer Schmerz. Und obwohl ich mir das schon dauernd vormantraisiere, kann ich einfach nichts dagegen tun, dass mich die bevorstehende Trennung von meinen Babys aufs Äußerste beutelt. Eigens hab ich eine Pflegerin installiert, die muss sogar zum Probekümmern kommen und ist eigentlich eine Vertrauensperson, aber es hilft nicht, sie ist halt nicht ich. Nicht die Mama. Als winzige kleine, hilf- und schutzlose Würmchen hatte ich vor vier Wochen sechs zarte Pflänzlein zu mir nach Hause transportiert. Schon länger bin ich hauptberuflich Balkonière, habe ein karges Rechteck in einen grünen Dschungel verwandelt, auf dem alles wächst und gedeiht, was gleißende Hitze mag. Die Auswahl an Kräutern und „Ich pflanz einfach mal alles ein, was ich so finde, und gucke, was passiert“, wird ergänzt von meiner eigenen Minihecke, für die ich im festen Glauben, darüber, dass das eh nichts wird, und nach dem Motto „Viel hilft viel“ in einen Pflanzkasten Sämereien für circa 30 Quadratmeter Wiesenfläche ausgebracht habe und nun nicht nur einen sehr hübschen, einmeterhohen Sichtschutz, sondern bald auch einen Nebenverdienst als Floristin habe und meine eigenen Blumen zu pittoresken Sträußen winde. Und als wär ich nicht eh schon genug beschäftigt mit der Gärtnerei hab ich jetzt also auch noch eine Gemüseplantage: Tomaten und Paprika leben an der Stelle, an der vormals ein Besucherstuhl stand. Den ich aber nicht mehr brauche, weil ich keine Zeit mehr habe für Besuch. Muss nämlich pflegen. Und hätte ohnehin keine finanziellen Möglichkeiten mehr, den Gast zu verköstigen, geht doch alles Geld jetzt in die Pflege derjenigen Pflanzen, die ich dereinst in Gold aufzuwiegen gedenke. Allein der Ankauf aller Töpfe und Untertöpfe hat fast mich ein Monatsgehalt gekostet, mindestens jedenfalls so viel, dass ich mir dafür zwei Jahre lang fertige Tomaten hätte kaufen können. Dazu nur feinste Bio-Erde, eh klar, die so öko ist, dass es mich wundert, dass noch kein olfaktorisch aufmerksamer Nachbar die Polizei geschickt hat, um sich nach meinem Wohlergehen zu erkunden. Mein erster Gedanke morgens gilt den Kindern – haben sie die Nacht gut überstanden? – abends bring ich sie ins Bett. Singend. Meine Nebenkostenabrechnung hat sich mutmaßlich verzehnfacht im letzten Monat – für das, was die Kleinen saufen, nehmen andere dreimal täglich ein Vollbad. Ich hingegen dusche – einmal wöchentlich mit dem Wasser, das die Süßen übriglassen. Aber gell, es geht ja um das Erlebnis statt Ergebnis. Und jetzt erstmal das Überlebnis meiner Abwesenheit. Puh … „Tanz.Indie.Nacht“ (Stereo, Klaragasse), „Querbeat“ (KK, Königstraße), „Xylotrip W/Perel“ (Z-Bau, Frankenstraße), „Offset“ (Rakete, Vogelweiherstraße) und am Samstag „MUZ Sommerfest“ (Fürther Straße), „Scratch BBQ Open Air“ (Hirsch, Vogelweiherstraße), „4 Jahre Singleparty“ (T90, Flughafen), „Next Generation Bass“ (KK), „Not Another Saxo Beat“ (Desi, Brückenstraße), „King Kong Kicks“ (Stereo). Wenn’s von einem Balkon herzzerreißend runterschluchzt, bitte stehenbleiben und trösten. Im Zweifel ist’s ein Trennungsschmerz.
Freitag, 2. Juni 2017
Hummelnase
Hab ich neulich mein Auto gesucht. Wegen alte Dame und gelegentlich bewegen müssen wegen der Gelenke, ihr wisst schon. Also das Auto. Nicht mich. Hab ich das Auto lang gesucht. Weil muss man wissen, dass ich nicht in einer Gegend wohne, wo man sagt, ja schau, wie im Hollywoodfilm: immer ein Platzerl frei vor der Haustür, sondern eher so, dass man jedes Mal ein Kerzlein entzünden möchte, wenn man im Anwohnerareal auf einem Hektar überhaupt sich im Konkurrenzkampf „17 Parkplätze auf 784 Autos“ hat behaupten können. Bin ich also durch die Straßen geirrt und schier verzweifelt, weil hat mir einfach nirgendwo mein strahlend blaues Gefährt zugewinkt, und da kann man dann schon mal stutzig werden, weiß man ja nie, wo der Pole grad sein Unwesen treibt. Schließlich hab ich’s doch gefunden: Beim fünften Vorbeilatschen hat mein Hirn die wohlbekannte Form registriert, die jedoch in sattem Gelb sich präsentierte. Mit dem für Notfälle solcher Art neben mehreren Litern Frostschutz im Kofferraum lagernden Besen hab ich die Kiste dann ausgraben können und mit Hilfe von Spritzwasser auch die Frontscheibe erst in ein gelbes, gatschiges Massaker und schließlich halbwegs sichtfrei verwandeln. Mei, hab ich mir gedacht, dieses „Natur“, das ist schon eine schöne Sache. Einmal im Jahr wird uns gezeigt, was wir über den Rest der Tage gar nicht bemerken würden, nämlich, wie schön ein Leben ohne Pollenflug ist. Leg ich das Handy grad für zwei Minuten ab, muss es danach unter den Hochdruckreiniger sowie auch die Hand, die es umfasste. Die Sonnenbrille ist stets mit dem UV-Schutz „plus“ bezogen, in aller Klamotte hängt ein feiner Gelbstich und nicht nur auf meinem Balkontisch wogen sich sanft die gelben Dünen, sondern auch in meiner Wohnung, sprich unter meinen Fußsohlen, sprich kommst mit dem Saubermachen nicht mehr hinterher. Jetzt muss ich sagen: Gottseisgedankt gehör ich nicht zur Fraktion „Heuschnupfen“, diese armen Menschlein, die jetzt statt freudig auf der Frühlingswiese balgend sich im Keller verschanzen und auf den November warten. Jedoch muss ich sagen, auch meine weitestgehend gesunde Nase droht zuweilen einzubrechen, wie eine in den Aalzug gestellte Reuse schaufelt sie die Pollen nur so in sich hinein, dass ich mir vorstell, dass es innen in meiner Nase grad so aussieht wie am feisten Hummelhintern: Pul‘ ich ein bisschen dran herum, kann ich mir frischen Honig auf die Semmel schmieren. Ach, machen Hummeln ja gar nicht. Dann doch lieber Nutella.
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