Freitag, 28. Februar 2020

Zeitfragen

Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt bleibt dumm! Soweit, so einverstanden, aber wir kennen das mit der Regel und der Ausnahme, und deswegen gibt es schon die ein oder andere Frage, die man lieber nicht gestellt hätte, weil si tacuisses, philosophus mansisses. Hättest du halt lieber mal den Mund gehalten. Zu den eher nicht ganz so arg hintersinnigen Fragen, die man so stellen kann, find ich gehört zum Beispiel, wenn man jemanden seit 20 Jahren auf einer Zuhausefestnetznummer anruft und wenn der Zuhauseangerufene ans Zuhausetelefon geht ihn zu fragen: „Bist du zu Hause?“ Aber vielleicht ist sowas dann irgendwann auch schon einfach nur mehr ein Ritual. Zu so einem, obgleich sehr viel dringlicherem, sollte eine andere Frage bitte werden, weil die nimmt nämlich unter Umständen entscheidenden Einfluss auf Tages- oder Lebensläufe, Arbeits- oder gar Freundesbeziehungen. Nämlich zum Beispiel: „Was bedeutet für dich Nachmittag?“ ist eine superwichtige Frage, weil schau, machst du aus mit jemandem „Ich meld mich dann am Nachmittag mit Feedback wie es weitergeht!“ und dann meinst du damit aber die Zeitluke 17 Uhr bis 17 Uhr 10 weil das halt so ist bei dir, weil du gern länger schläfst und dann kommt Brunch und Lunch und Nickerchen und Spaziergang und dann ist dein Nachmittag eher nicht so lang wenn du um 18 Uhr zum Abendessen verabredet bist. Der andere aber denkt „Die einzig wahre Nachmittagszeit ist 15 Uhr, weil das war schon immer so!“, und dann ist Groll und Zorn und Auchmeinenstolz und Totstellen weil Nachmittagistlängstvorbei wenn um 17 Uhr das Telefon klingelt und schon wirst du nie erfahren dass du den Job ganz toll gemacht und später mit zum Abendessen eingeladen bist, dafür großer Frust. Demzufolge ist auch ein „Morgen Früh!“ ganz problematisch weil beispielsweise die Lichtgestalt hat schon seit 20 Jahren mit „Früh“ gemeint dass sie um 7 Uhr morgens anruft, natürlich auch an einem Sonntag, um wichtige Dinge wie Sonderangebot beim Feinkost Albrecht zu besprechen, derweil für mich das „7 Uhr“ noch mitten in der Nacht gelegen hat und „Früh“ eher um 10 Uhr begonnen hat. Also Streit, weil „WIE OFT KANN MAN DENN BITTE AUF ALLEN KANÄLEN ANRUFEN MITTEN IN DER NACHT? WENN JETZT NICHT MINDESTENS JEMAND GESTORBEN IST RAST ICH AUS!!“ – „Aber wir haben doch gesagt wir reden morgen also heute also jetzt wegen ob ich dir auch einen Kaffee …“ Und schon brechen Herzen. Weil so ein Zeitraum wie jetzt der besagte „Nachmittag“, so wie in „Ich schick das Sofa heute Nachmittag!“, da kann schon einmal eine Wunde klaffen von fünf Stunden. Wir brauchen einen Konsens. Vorschlag: Morgen = 6-9.30, Vormittag = 9.30-12, Mittag = 12-13.30, Nachmittag = 13.30-17, Abend = 17-20.15, Nacht = 20.15-6 Uhr. Ok? Wenn das klappt, können wir über Feintuning, später Vormittag und früher Abend sprechen. Und dann wird alles gut. Früher oder später.

Freitag, 21. Februar 2020

Kümmerling

Große Leistungen machen müde, das wissen wir. Nicht umsonst fällt ein jedes Baby in einen tiefen Schlaf nach jeder Mahlzeit, und auch der Mann wird meist bewusstlos, sobald er seine drei Minuten beigetragen hat zur Arterhaltung. Vermutlich darum hat mich nach dem ersten Klingenkreuzen mit dem Schubiduden („gesungene Silbenfolge ohne Bedeutung aus der Jazz- oder Popmusik“) eine große Erschöpfung angefallen, so dass ich nackt und schutzlos dem Angriff eines Supervirus ausgeliefert war. „Das klingt nach Männerschnupfen!“, erscholl die Facharztdiagnose durch ein Telefon, und „Ja!“, parierte ich, „damit kennst du dich ja aus, also lass mich liegen auf dem Sterbebett. Was ich jetzt nicht gebrauchen kann ist Häme!“ Auch wenn die, schon logisch, zu den Standardreaktionen auf Leidverkündung gehört, mag man sie meist wenig, schließlich befindet man sich in einer einzigartigen Ausnahmesituation, über deren Ausmaß sich niemand ein Urteil bilden soll, gefälligst, auch nicht, wenn es zum Beruf gehört, sich Urteile über Krankheitsausmaße zu bilden. Du siehst täglich zwölf Schädelbasisbrüche? Ganz egal, meiner ist der schlimmste, also zeig etwas Respekt! Gar keinen Respekt hingegen zeigen Miesepeter und Gutelaunefeen: „Ich muss demnächst für eine Woche ins Krankenhaus.“ – „Aha. Nimm bitte den Müll mit, wenn du rausgehst.“ Da fühlst du dich gut aufgehoben, man soll ja aus einem Mückenstich keinen Elefantentritt machen, die freundliche Nachfrage regelt am End noch das jammernde Angebot, Umgotteswillen! Und dann gibt’s aber noch ein anderes Extrem: „JETZT HÖR DOCH BITTE ENDLICH AUF, DICH UM MICH ZU KÜMMERN!“ hab ich kurz nach Krankheitsausbruch ausgerufen und mir Fieberthermometer, Heizdecke, Wadenwickel, Wärmflasche und Tropf vom Leib gerissen. „Ich hab nur eine winziggkleine Erkältung, wirklich!!“ und das Schriftstück angezündet, auf dem mein Nachruf bereits eifrig formuliert war. Übereifrig. Beinah schon besorgniserregend proaktiv. „NICHTS DA!“, erscholl drohend die Antwort. „Du bist krank! Ich muss mich um dich kümmern!“ Eigentlich ist das schön. Schöner allemal als allein dahinzusiechen und zu -scheiden und erst bemerkt zu werden, wenn Beschwerde im Treppenhaus zwengs strenger Geruchsentwicklung eingereicht wird, gar keine Frage. Aber so ein klitzekleines bisschen in Ruhe und in Stille vor sich hin zu laborieren, das hat schon was. Doch da hast du die Rechnung ohne den Kümmerling gemacht. „Möchtest du noch Tee?“ – „Nein.“ – „Doch!“ – „Na gut.“ ist ein mit dieser Spezies typischer Dialog. „Soll ich dir eine neue Wärmflasche machen?“ – „Nein.“ – „Doch, ich sehe dass du frierst.“ – „Na gut.“ – „Hast du Hunger?“ – „Nein.“ – „Doch.“ – „Na gut.“ – „Möchtest du Fernsehen?“ – „Nein.“ – „Doch.“ – „Na gut …“ und so wird man durch den Tag gepflegt und wünscht sich nichts sehnlicher, als in einen schweren Fieberschlaf zu fallen und nicht weiter behelligt zu werden von Aufmerksamkeitsbelästigung. Alternativ wird man einfach schleunigst gesund. Wie, Plan von Anfang an? Also das ist doch … ! Darauf einen Kümmerling! Genesung Alaaf!

Freitag, 14. Februar 2020

Cave Redacteuram

Vor zwei Wochen wollte ich eigentlich eine Lanze für alle Redakteure brechen. Ich hab’s mir dann aber lieber nochmal anders überlegt und breche die Lanze jetzt lieber über mich, weil schließlich bereichere ich den Wortschatz aller, die tagaus, tagein an ihren grauen Tischen sitzen in ihren trüben Kammern, im Eck vielleicht ein hagerer Wunderbaum, die Fensterbank voller Preziosen, die vergeblich Freude zu bringen versuchen in die Triste Einöde, im Eck ein alter Kaffeeautomat, der mühsam gegens Alter angurgelt, die lustigen Schildchen an der Tür ein Ausdruck größtmöglichen Zynismus, der übersetzt bedeutet „Cave Redacteuram!“, in diese traurige Welt also kommt mein strahlender Nimbus und zaubert mit dem Feenstab in den Nebel Freude und Gelächter. Ja, zuweilen vielleicht hysterisches, aber das ist besser als nichts, nichtwahr. Dann sind die Eminenzen kurz einmal abgelenkt, weil sie müssen nachdenken über seltsame Wortkreationen, die sie so noch nie gesehen, Satzbauten, die kein Mensch zuvor gewagt hat, dann raucht und qualmt es kurz – und dann trennt sich die Spreu vom Weizen, und jetzt werd ich doch aus Versehen die Lanze gebrochen haben. Vielleicht auch nur ein Länzchen, man muss es ja nicht übertreiben. Denn eine gute Sorte Mensch, aus der kommt jetzt langsam zwar, ganz langsam, so ähnlich muss man sich das vorstellen, wenn ein Faultier einen schlimmen Lachanfall erleidet, schiebt sich also erst ein Magenknurren nach oben, wo du denkst, nanu, in der Kantine war ich doch grad erst drei feine Stunden lang, und dann kribbelt’s im Hals und plötzlich auf einmal kommt so ein hellklingende Freude aus dem gramen Antlitz. Und schon sind die kommenden Stunden ein bisschen mit einem Regenbogenhauch durchzogen. Im besten Fall. Denn es gibt auch schlimme Menschen, wo du sagst: alles verloren, eine Existenz voller Grant, die Hirnfurchen so tief wie die die auf der Stirne, eingegraben von Verhärmung und Freudlosigkeit und die Verbitterung um die Mundwinkel gemalt. Seelenlose Roboter, die sich rächen an der Sprache, ihr das Glück nicht gönnen, ach, wärst du halt lieber bei der Algebra geblieben oder ganz tief unten im Archivlabor, denn dann müsstest du jetzt nicht aufschluchzen und mit dem Finger zeigen und mit lautem Robbenheulen kreischen „aus einem Antlitz KANN überhaupt keine Freude kommen, höchstens vielleicht ein LACHEN, und das kommt dann außerdem auch aus dem MUND!!“ und dann gleich noch „wie können denn STUNDEN von REGENBOGEN durchzogen sein, das GEHT ja wohl überhaupt nicht, höchstens kann am HIMMEL ein Regenbogen ERSCHEINEN!!“ und „von Verbitterung kann jemand vielleicht GEZEICHNET sein aber ganz sicher MALT die nichts in ein Gesicht!“ und dann muss der Mensch, der kann noch so bunt und fröhlich tun und Konfetti überall hinaufkleben, in Wahrheit ist er innen drin nur eine kleine, arme, schluchzende Staubflu… „SEIT WANN KÖNNEN FLUSEN SCHLUCHZEN??“…se und dann kommt der finale Stich: „UND NUR DAMIT DU’S WEIßT: DAS STEHT SO ÜBERHAUP NICHT IM DUDEN!!!“ Das ist dann der Punkt, an dem es auch mir endlich gut geht. Lehn ich mich zurück. Schubidu. 

Freitag, 7. Februar 2020

Zauberworte

Es gibt in so einem Menschenleben viele Zauberworte. Zauberworte sind solche, die einen Zauber auslösen sollen. Abrakadabra, Simsalabim, Hokuspokus, Hexhex, Expecto Patronum, das übliche halt. Und dann sind das aber auch so generell Worte, die eine bestimmte Wirkung nach sich ziehen (sollen): Bitte und Danke, beispielsweise, Guten Tag, oder auch einmal ein Prositdergemütlichkeit, da passieren dann auch Sachen, deswegen kann man vielleicht manchmal vorher gut überlegen, ob man es wirklich aussprechen soll, so ein Zauberwort. Früher beispielsweise, da war „Ruhigerabend“ ein Zauberwort, das mit einem Ausgesprochenwerdenverbot belegt worden war. Weil irgendwann hat eine Freundesgruppe feststellen müssen, dass immer wenn ein Mensch daraus um einen ruhigen Abend gebeten hatte, alle anderen Menschen gern mitmachen wollten bei dem ruhigen Abend und versehentlich eine Flasche vergorenen Saft mitgebracht haben und dann so jung nicht mehr zusammengekommen sind und dann plötzlich Sirtaki, so schnell hast du gar nicht geschaut. Jetzt heutzutage erhärtet sich in mir der Verdacht, dass ein spezialgefährliches Zauberwort lautet „Herrenabend“. Ich mein, ich hab wirklich, also Handaufsherz wirklich schon sehr viele Damenabende gehabt. Da ist dann vielleicht einmal eine klitzekleine doch sehr wichtige Handtasche kurz verlegt worden oder auch ein Nagel ist einmal ein wenig abgebrochen und ganz, ganz vielleicht gab es da mal einen Vorfall mit einer Telefonzelle und einem Wildpinkler und noch viel, viel vielleichter auch einen mit einem GoGo-Bunny und einer Bühne, und wenn wir alle alt und würdevoll genug sind, dann erzähl ich diese Geschichten vielleicht auch einmal in ganz. Aber ich schwöre: Noch nie, niemals sind Sachen passiert wie solche, die sich anscheinend zwingendermaßen an die Fersen des Wortes „Herrenabend“ heften müssen. Typischerweise beginnt der Herrenabend beim Frühstück, wenn wegen undeutlicher Bartnuschelaussprache die Bedienung zwei große Weißbier bringt statt zwei kleiner Kaffees. Kannst du sagen: Da steckst du nicht drin. Typischerweise wird man aber im Fortfolgenden Opfer eines Raubüberfalls und seines Handys verlustig, der Taxifahrer verliert die Orientierung und fährt zur nahegelegenen Konzerthalle 20 km durch die Stadt, wo die Herren als ungeplante, doch gefeierte Stargäste auf einer türkischen Hochzeit gastieren, es zu Splittergruppen kommt, die dank des feinen Kommunikationsnetzes von Rettungssanitätern wieder zusammenfinden, man im Eifer des Gefechts die Worte „Ein großes Wasser bitte!“ mit „Fünf große Schnaps aber mit Schuss bitte!“ verwechselt, vor Freude von Mauern herabstürzt und in der Folge als Büßer mit dem Dornenkranz wieder zu sich kommt, während eilig herbeigerufene Frauen Hände tätscheln und fragen, ob man die Reservierung um 15.30 zum Bundesligaschauen stornieren solle. Ecce homo! Da haben wir ein neues Zauberwort: „Bundesliga“ – so schnell ist ein Mensch noch nie genesen. Ich schwör!