Lustig. Da stellst du jahrelang mit feuchten Augen die schmerzhafte Frage in die Welt hinaus: Wer und warum und wieso hat eigentlich bestimmt, dass nur einmal im Jahr Geburtstag ist? Und dann auf einmal wachst du eines Tages auf und es schmerzt nicht mehr die Frage, sehr wohl dafür der Kopf, und während du durstig am Apfel der Erkenntnis lutschst, dämmern gleichermaßen Tag und Einsicht, dass gelegentlich Konzepte, die von Erwachsenen erfunden worden sind, schon ihre Berechtigung haben. Auch wenn man sagen muss, dass grad diese Erkenntnis aktuell gewaltig zu philosophischem Dörrobst zusammenschmurgelt. Ja, also schmurgeln, da geht’s eigentlich hin. Hab ich ja gesagt: Hobbys und so, und was alles eher nicht mein neues Hobby wird, Nasenrachenabstrich beispielsweise. Dafür hab ich in den letzten Monaten beobachtet, dass das Brotessvolk zu einem Brotbackvolk sich gemausert hat, und so dacht ich: Das probierst du auch einmal. Roggenvollkorn, Hefe, Salz und ein Löffelchen voll Zucker, das den Sauerteig versüßt, so schwer kann’s doch nicht sein, das macht man doch mal schnell am Sonntag, bevor man das Haus verlässt. Das Haus war dann nicht so schnell verlassen, wohl aber anscheinend ich von allen guten Geistern, der Stromkreis kurz vom Kollaps, der Mitbewohner ebenso. Denn was gefälligst hätte ein geschmeidig-feiner Teig duftender Substanz hätte werden sollen, auf dass er freundlich in der Schüssel schlummere und dort wüchse, kämpfte mit unvorhergesehener Gewalt um sein Leben. Wie ein wildes Tier in Panik schmiss der Teig sich in der Schüssel erst von links nach rechts, schließlich weit darüber hinaus, um sich, als das nichts half, einer Superkraft zu besinnen und sich in Spezialkleber zu verwandeln. Der Feind, namentlich ein zunehmend erhitztes Handrührgerät, wollte besiegt werden, indem man ihn lähmte, und so wickelte sich das Tier als zwei saftige Keulen um die Rührarme, um dort zu verweilen und mir triumphierende Blicke zuzuwerfen. So nicht, rief ich aus, griff tief in den Teig hinein, um ihn mit blanken Händen zu besiegen, doch der Teig war schneller, wickelte sich in Windeseile um alle Finger und verschloss sich schließlich mit einem satten Schmatz zu ordentlichen Roggenvollkornfäustlingen. Und wie wir vom beliebten Kinderspiel „Schokoladeessen mit Handschuhen und Besteck“ wissen, gelangt man dergestalt vergleichsweise schlecht an Waffen in Schubladen. Während ich später, viel später, mit sehr, sehr viel warmem Wasser den Teig in die Form hineinstreichelte, erinnerte ich mich an Episoden aus Lehm. Dieser schöne Glitsch, der braune Gatsch in Form liebkost, die erotische Zärtlichkeit der Berührung des Naturprodukts, Momente des Glücks angesichts klumpiger Töpferarbeiten voller Liebe: ungestalte Vögelchen, schaurige Köpfchen, mysteriöse Schälchen und der Evergreen unter den Tonkunstwerken. „Heuraka!“, rief ich. Zeitgemäß, klimabewusst, umweltschutzgemäß und sowas von wiederverwertbar: der essbare Roggenvollkornaschenbecher – das wird DER Hit auf allen Festiv… Ah, Moment. Ich denk nochmal drüber nach. Noch jemand ein Stück Apfel?
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