Es gibt Sprichwörter, die erschließen sich mir relativ
schnell, und andere, da sag ich: Entschuldige, aber wer hat das denn bitte so
erfunden? Bevor ich mich hier in Details verlier – es geht natürlich um
„Morgenstund hat Gold im Mund“. Da kann unmöglich ein Mensch verstehen, was das
sein soll, es sei denn, es handelt sich hier um einen Übertragungsfehler, und
ursprünglich soll das heißen „hat Gold im geschlossenen“ Mund! Weil also
erlaube mal, es hat schließlich seinen Grund, warum Menschen morgens die Zähne
putzen, mit Listerine spülen und optional mit Wasserstoffperoxid gurgeln, bevor
sie das Haus verlassen. Zur aufgrund hermetisch abgeschlossener Lippen
schweigenden Tätigkeit zählt höchstens vielleicht noch das Schreiben, und dann
wird vielleicht ein Schuh draus, weil wir alle wissen: Reden ist Silber,
Schreiben ist Gold. Ich hatte jedenfalls unlängst alles andere als Gold im Mund
zur Morgenstund, sondern vielmehr Pinzetten, Wasserschläuche und diese
herrlichen Wattestopfen, mit denen man vermutlich nicht nur den Mund, sondern
auch ganze Kellerzeilen trockenlegen könnte. Korrekt, ich war beim: Zahnarzt
Komma der = Angstperson Komma die. Hey ich mein, da machst du lässig einen
Termin aus, Kontrolle, easy und so, hast eh immer gut geputzt und gespült und
gezahnseidet und gezahnzwischenraumbürstelt und rauchen eh nicht und Kaffee
geht so und Tee naja und Zucker BUH!, was soll da schon groß passieren, nicht
wahr! Dann kommt der große Tag, der damit beginnt, dass du die Morningroutine
halt einfach mal so spaßeshalber, nicht weil es irgendwas bedeuten würde, iwo,
halt weil du eh grad schon drüber bist um drei bis 17 Minuten verlängerst, denn
in deinem Hinterstübchen sitzt ein neongrünes Tier, das sagt „Denk an die
Zahnfärbetabletten und die ewige Schmach, wenn der Onkel Doktor dir zeigt, wo
du überall nicht gut geputzt hast, und dann musst du den restlichen Tag mit
blauen Zähnen rumlaufen!“ Dann wird’s schon etwas banger, aber hey, du bist 40
Jahre alt, reiß dich zusammen gefälligst! Du betrittst die Praxis, wo du
umgehend nervös zu witzeln beginnst und versuchst, Zeit zu schinden: Erstmal
Klo, dann ordentlichst die Jacke in die Garderobe falten, und wenn du schon
dabei bist die anderen Jacken darin auch. Dann als du grad versuchst, das
Personal in ein Fachgespräch über Zimmerpflanzen zu verwickeln, reißt der Arzt
gut gelaunt die Tür auf, flötet „Wie geht’s!“ und drückt dir sogleich einen
„Kräftig spülen bitte!“-Becher in die Hand, um klarzustellen: Du hältst jetzt
die Klappe. Beziehungsweise reißt selbige weit auf. Dann Schwitzhände und Zeug,
bis die Worte kommen, die die Welt bedeuten – und dich in Sekundenschnelle zu
einer überglücklichen und bollestolzen Fünfjährigen werden lassen: „Alles
wunderbar. Und gut geputzt hat se auch!“ Also doch Gold im Mund! Und vielleicht
ja irgendwann mal Grillz.
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