Freitag, 8. Juli 2022

Flatscherl auf den Kopf

 Angeblich sollen ja die letzten dereinst noch lebenden Lebewesen auf der dann gänzlich zugrunde gerichteten Erde keine geringere Spezies als die Schaben sein. Ich kann mir das durchaus gut vorstellen, seitdem ich dieser Tage versucht habe, eine goldglänzende Vertreterin in meinem Badezimmer einzufangen und artgerecht zu entsorgen, nämlich selbstverständlich auf eine lustige Flussreise zu schicken. Leider hatte die Schabe keine Lust auf Baden und flitzte wie ein goldener Pfeil kreuz und quer durchs Badezimmer, um sich schließlich unter einer Seifenschale zu verbarrikadieren und von dort aus triumphierend mit den Fühlern zu winken. Sonnenklar: ein Fall für den Kammerjäger-mit-Herz, und der trug das Tierchen begleitet von meinen wohlmeinenden Worten („WEHE DU LÄSST SIE WIEDER EINFACH FALLEN!“) behutsam auf den Balkon, um sie von dort aus in Freiheit zu entlassen. Die Seifenschale liegt jetzt unten vor dem Haus, die Schabe darf darin meinetwegen gerne glücklich werden. Wir leben hier nämlich in großem Einklang mit der Natur. Eine Oase inmitten des innerstädtischen Asphalts, wo Fauna und Flora gedeihen und sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Ok, das nicht grade. Aber Krähen sagen sich guten Morgen. Sie sagen auch guten Mittag und guten Abend, zwischendurch auch guten Feierabend, guten Nachmittag oder schlichtweg MAHLZEIT, je nachdem, wonach ihnen grad der Sinn steht. Das ist ein relativer Nachteil der Krähe gegenüber beispielsweise einem Hahn, der morgens einmal laut und ehrlich alle in den Wahnsinn schreit, um sodann zu verstummen und den Rest des Tages nurmehr zu picken und zu begatten. Sehr rural eben. Unsere Krähen hier sind jedoch sehr urban, sprich 24/7 hochaktiv, und deswegen können sie sehr gut gleichzeitig krakeelen, Nahrung vertilgen, selbige wieder ausscheiden sowie – das stimmt mich froh – Unmengen Nester bauen. Das alles direkt hoch oben in der Baumkrone direkt über dem Hauseingang, weswegen der Boden vor der Türe übersät ist mit allerlei Unrat und man gerne mit Regenschirm bewaffnet das Haus verlassen möchte. Hat man keinen Schutz dabei und großes Pech, tut’s manchmal so Flatscherl auf dem Kopf und dann weißt du nicht: Hat dich ein Zweiglein getroffen oder doch endlich Defäkat? Letzteres brächte immerhin Glück. Und ich brächte ohne die Gefahr vielleicht noch öfter den Bio-Müll hinaus, denn dieser ist derzeit Zuchtstation für die wahren Überlebenden aller extra- sowie intraterrestrischen Gefahrenszenarien. Wenn die Welt einmal untergegangen sein wird, werden die Fruchtfliegen herrschen. Hierauf bereiten sie sich in meiner Küche vor und verwandeln frisch gekauftes Obst in fliegende Punkte sowie zehn Sekunden alte Bananenschalen in sirrende Infernos. Und während die angebliche Geheimwaffe „Essigmischung“ sie köstlich amüsiert, lebe ich seit Wochen in Flachatmung bloß nicht durch die Nase! Toll, dieses „Natur“! Lieber die Krähe auf dem Dach als die Schabe in der Hand.

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