Was haben Halloween und Allerheiligen gemeinsam? Richtig, bei beiden herrscht weitestgehend Unwissenheit darüber, warum es das gibt und was das überhaupt soll. Aber sonst? Eins ist abends, das andere eher tagsüber, eins ist laut, bunt und Party, während das andere so ziemlich genau das Gegenteil davon bedeutet. Aber wie so vieles, was über den großen Teich zu uns geschwappert kommt und hier als hipper Scheiß made in USA gefeiert wird, kommt Halloween natürlich in Wahrheit sehr wohl aus good old Europe, nämlich aus der katholischsten aller Regionen. Nein, nicht Bayern, sondern Irland, und das sieht man dem „Halloween“ zwar nicht an der Nasenspitze, wohl aber unter den zotteligen Gespensterhaare an: „Halloween“ ist gewachsen aus „All Hallows' Eve“, was wiederum nichts anderes bedeutet als „Abend vor Allerheiligen“ … Ich sinniere über dieses edle Wissen mit einer großen, sehr großen Schüssel in weiß-rotes Bonbonpapier gedrehter Schokokugeln, von denen ich mir eine nach der anderen genüsslich in den Mund schiebe. Die guten ins Kröpfchen, die schlechten … auch! Denn schließlich habe ich eine Mission zu erfüllen: meinen Beitrag zu Halloween, dieses zweitschrecklichste Event für einen Verkleidungsgrinch wie mich, der sich höchstens vor dem morgendlichen Atem gruselt und sich ausschließlich aus Gründen der romantischen Verklärung verkleidet, nämlich an Weihnachten mit Elfenhut und Weihnachtsmannpullover. Und deren einzige nennenswerte, eigentlich: geschichtsträchtige Halloweenpartyerfahrung die ist, dass einmal vor langer, langer Zeit zwei Nachbarsmädchen eine Gruselparty im sturmfreien Elternhaus gaben. Einzig zu dem Zweck, unter die wenigen Gäste einen schon lange Angebeteten zu mischen und diesen dann als bleichgeschminkte Schönheiten zu umgarnen und mittels Gummischlange zur Erwiderung der großen Liebe zu hypnotisieren. Bedauerlicherweise waren die zwei Nachbarsmädchen vor Aufregung selbst so hypnotisiert, dass sie in der Folge zwar kein Herz eroberten, wohl sich aber die lebenslange Häme der Eltern nebst einem Eintrag ins Familiengeschichtsbuch sicherten. Merke: Teelichte, die man ohne ein Teelichtbehältnis außenrum auf helles, am besten weißes Holz stellt, werden so heiß, dass das Holz beginnt zu kokeln. Und Teelichtwachs, das seit Stunden vor sich hin simmert, ist irgendwann so erhitzt, dass es Teppichböden problemlos zum Schmelzen bringt und organische, großflächige Muster hinterlässt, die es unmöglich machen, zurückkehrenden Elternmenschen die Party zu verheimlichen … Meine Mission also ist, mehrere Kilo Schokokugeln auszuwickeln und ins gewonnene Papierl knoblauchgefüllte Oliven sorgfältig einzuzwirbeln, auf dass es die Eltern, die am Dienstagabend unter dem Vorwand der Kindsflankierung fröhliche Bierspaziergänge durchs Quartier unternehmen, recht graust, wenn sie ihren Sprösslingen die Beute wegstibitzen!
Freitag, 27. Oktober 2023
Freitag, 20. Oktober 2023
Dekoprofi
Es ist Herbst. Wenn jemand an diesem Gedanken Zweifel oder irgendwelche Probleme haben sollte, empfehle ich einen Besuch in einem stadtbekannten Pflanzengroßhandelsmarkt, der seinem Dekorationsauftrag grade gewissenhaft nachkommt und vom stimmungsvollen Kürbis-Bouquet über lustige Pilz-Figuren bis prächtige Laubteppiche alles anbietet, was Freunde der saisonalen Raumgestaltung aktuell glücklich macht. Und ja, es gibt diese Menschen, die mehrfach im Jahr die Wohnung umdekorieren und dafür unvorstellbare Massen an Gestaltungselementen im Keller oder auf dem Dachboden aufbewahren, um je nach Temperatur oder persönlicher Stimmung den Wohnraum in passender Optik zu präsentieren. Ich kenne zwar so jemanden, gehöre aber selbst nicht dazu, sondern schaue einer geernteten Kastanie ebenso interessiert beim Vertrocknen zu wie all meinen Balkonpflanzen, die den Kampf erst gegen mich und nunmehr gegen die Kälte verloren haben und als ein unglaublich trauriges Bild der Verdörrnis und Nichtliebe vor dem kältebeschlagenen Wohnzimmerfenster mich mit letzter Kraft vorwurfsvoll anschauen und gelegentlich mit einem letzten verblieben grünen Blättlein winken. Manchmal weht es auch ein vertrocknetes Blatt durchs Fenster. Morgens sind jetzt immer schon die Scheiben so schön beschlagen, während sich verschiedene Spinnentiere anschicken, ihr Winterquartier in den Ecken der Räume zu beziehen und in der Küche ein Kürbis darauf wartet, dass ich ihn zu Speise verarbeite, bevor uns beide der Kreislauf des Lebens überholt und er nurmehr für den Bio-Müll taugt. Im Großen und Ganzen ist mir das Herbst-Deko genug, und wenn man noch die schlagartig angestiegene Zahl an Schals und dicken Jacken dazunimmt, die sich momentan mit den eben noch genutzten leichten Blousons um den wenigen Platz in der Garderobe streiten und darob den ein oder anderen Stuhl bevölkern, dann wird’s einem doch ganz heimelig ums Herz. Nebst der sich im Dauereinsatz befindlichen Wärmflasche, Teekanne und den Schlappen, die mich neulich noch barfüßig durchs Dolce Vita trugen und jetzt meine dick besockten Füße unterm Schreibtisch vergeblich vor den gröbsten Erfrierungsschäden bewahren sollen sowie der bodenlangen Wolljacke, in die ich mich gehüllt habe, ist das Ensemble weitestgehend komplettiert, so dass ich weder Veranlassung noch auch nur einen Fitzel Platz um mich herum entdecke, um Stoffrehe, Styroporpilze und Herbstlaubkränze aufzustellen … Hm. Eigentlich wollte ich gerne über das drohende Weihnachten, Bastelzeit, Halloween und den richtigen Zeitpunkt zum Einschalten der Heizung schwadronieren, habe aber offenbar den Faden verloren. Den nehm ich nachher wieder auf und zwar mit meiner neuen Passion: Strickliesel, die garantiert sinnloseste Beschäftigung für kalte Herbstabende.
Freitag, 13. Oktober 2023
Kastanientiere
Normalerweise freut man sich ja nicht so richtig, wenn einem urplötzlich von oben etwas auf den Kopf fällt. Vielerlei ist denkbar, meist ein Vogeldings, gelegentlich mal ein Dachziegel oder wenn alles wirklich sehr schlecht läuft und man ein Gallier ist, kann einem sogar der Himmel auf den Kopf fallen. In meinem Fall aber: Herrliches Aufjauchzen, große Freude, sofortiges auf den Boden Werfen und im Unterholz Herumwühlen auf der Suche nach: einer Kastanie. Diesem handschmeichelnden Stück Natur, dem es Jahr für Jahr allein kraft seiner Existenz gelingt, aus Erwachsenen kleine Kinder zu machen, die jucheissassa den braunen Kugeln hinterherjagen, sie armvoll aufsammeln, tütenweise nach Hause schleppen und den Fund schwungvoll auf den Wohnzimmertisch kippen – wobei der Blick der Außenstehenden frappierend demjenigen ähnelt, den man der Katze zuwirft, die stolz ein Mauserl als Geschenk darbietet. Ich also: „KASTANIE!“ und sogleich: „TIERE BASTELN!“ Ich meine, wozu hab ich denn schließlich endlich ein Kind, das mit mir all die schönen Dinge tun kann, für die andere Erwachsene zu erwachsen sind? „Die beste Lieblingstante bastelt mit dir heute Kastanientiere, mein Schatz!“, sagte ich zum Schatz, der mich mit großen Augen ansah, nickte und nach kurzer Überlegung nach „Tuchen!“ verlangte. „Kuchen kriegst du auch, aber erst wird gebastelt!“, verkündete ich vergnügt und schulterte meinen großen Jutebeutel, in den ich eine ausreichend große Menge Kastanien geschaufelt hatte, um das komplette Sortiment der Arche Noah nebst Ausgestorbenem und Zukünftigem nachzubauen. Unter Einsatz meines Lebens, denn während der öffentliche Raum dank gieriger kleiner Kinderhände von Kastanienabwesenheit nur so glänzte, glänzten die braunen Wunderkugeln in einem benachbarten Grundstück ungeliebt und in großer Anzahl vor sich hin. Eine Tante muss tun, was eine Tante tun muss, und so erleichterte ich die Anwohner kurzerhand um eine Fuhre Gartenabfall und trug sie heimlich aus dem Grundstück. „Tuchen?“ frug das Kind, und ich, streng: „Erst arbeiten!“ und begann das kreative Werk am Esstisch. Zahnstocher und Schaschlikstäbe, Handholzbohrer klein und mittel, Pfeifenputzer, Wackelaugen – was für ein Spaß! „Jetzt Tuchen?“ insistierte der Zwerg, nachdem er artig zwei Zahnstocher in zwei Beinlöcher gesteckt und unartig wieder herausgerissen hatte. „Gleich, ich mach das mal!“ sagte ich … Und wachte nach einer Stunde wieder auf. Um mich herum die Arche Noah und darüberhinausgehendes Fantasiegetier aus Kastanien: glotzende Würmer, kurzhalsige Giraffen, einäugige Kühe – ein herrlicher Anblick. „Ich bin stolz auf … äh … uns?“ wunderte ich mich und entdeckte das Kindlein weit weg von mir auf dem Boden, umgeben von Lego, Hubschraubern und Kuchenkrümeln. Hm. Vielleicht ja nächstes Jahr.
Freitag, 6. Oktober 2023
Rentnerparadies
Grade rechtzeitig zum Herbsteinbruch bin ich wieder zurück
aus dem Land, wo zwar von Milch und Honig keine Spur ist, dafür aber Pils und
Fischsemmeln fließen. Ostsee also, und Leute, wir müssen reden. Es gibt vieles,
was dafürspricht, diese Gegend zwischen Rostock und Stralsund zu besuchen, die
ich mir in den letzten Tagen angeschaut habe. Leider fällt mir grade keiner
dieser Gründe ein, außer vielleicht dass es wirklich sehr schön ruhig und sehr
wenig aufregend ist und darum bestimmt genau das richtige für Menschen Ü75.
Doch, da kann ich das wirklich wärmstens empfehlen. Morgens schön Frühstück vom
Buffet, mittags schön Fischsemmel, dazu kleines Bierchen für sechs Euro, abends
auch. Dazwischen fünf bis 50 Kilometerchen auf dem eBike und dabei die Mischung
aus präpolnischer Trostlosigkeit und maritimem Disneyland genießen und den
Blick über eine Landschaft streifen lassen, in der weder ein Berg noch sonst
überhaupt irgendein Hauch von Anblick das Auge stört, im Ort günstig shoppen im
Camp David Outlet, dazu Waffel oder Softeis nach dänischem Vorbild und ein
Kaltgetränk an der Seepromenade, die grad wegen Ostförderung mit
baustellendonnerndem Charme zu bestechen weiß. Dann ab ins Kurhotel und am
nächsten Tag alles von vorn – schon bei der Niederschrift tiefenentspanne ich
augenblicklich und falle sogleich in einen geruhsamen Tagschlaf. Und dann gibt
es aber Gründe, die also wirklich ausdrücklich gegen eine Reise an dieses
„Ostsee“ sprechen, und die kann ich ganz vorzüglich benennen. Allen voran zu
nennen wäre da: Sand. Ein Konzept, das sich mir seitdem ich denken kann nicht
erschließen will, zumal wo es doch so schöne Wiesen gibt, und wenn das nicht
geht, wenigstens Gummimatten oder einmal schön rausfliesen, das geht doch
heutzutage schnell. Aber nein, diese Meeresmenschen und ihr Sand! Ich mein, ich
stell mich doch daheim auch auf keinen Spielplatz im höchsten Sturm und freu
mich hernach, dass ich den Sand aus zwischen den Zähnen und jedem einzelnen
Haarfollikerl wieder rauspopeln darf. Und plötzlich findet man sich auf
sogenannten Wanderwegen wieder, wo weit und breit kein Weg in Sicht, wohl aber
ein kilometerbreiter Sandabschnitt zu durchpflügen ist, den man mit Schuhen
nicht bewältigen kann, sonst hat man hernach Sand nicht nur darin sondern in
jede einzelne Sockenfaser säuberlich eingerieben und den restlichen Tag
Schleifpapier am Fuß. Ohne Schuhe aber auch nicht, weil … also … weil SAND!
Sand im Rucksack, Sand unter den Nägeln, Sand im Käsebrot. Niemand hat mir das
bislang hinreichen erklären können, was das soll. Dafür kann ich mir die
Antwort auf eine andere Frage direkt selbst geben: Warum soll ich sieben
Stunden nach Norden fahren, wenn ich doch in der gleichen Zeit im schönsten
aller Bellaitalias sein kann, wo ich zwar prinzipiell das gleiche habe wie oben
beschrieben, aber eben in Italien – und wenn man nicht zu weit fährt, dann auch
absolut ohne Sand?