Freitag, 6. Oktober 2023

Rentnerparadies

 

Grade rechtzeitig zum Herbsteinbruch bin ich wieder zurück aus dem Land, wo zwar von Milch und Honig keine Spur ist, dafür aber Pils und Fischsemmeln fließen. Ostsee also, und Leute, wir müssen reden. Es gibt vieles, was dafürspricht, diese Gegend zwischen Rostock und Stralsund zu besuchen, die ich mir in den letzten Tagen angeschaut habe. Leider fällt mir grade keiner dieser Gründe ein, außer vielleicht dass es wirklich sehr schön ruhig und sehr wenig aufregend ist und darum bestimmt genau das richtige für Menschen Ü75. Doch, da kann ich das wirklich wärmstens empfehlen. Morgens schön Frühstück vom Buffet, mittags schön Fischsemmel, dazu kleines Bierchen für sechs Euro, abends auch. Dazwischen fünf bis 50 Kilometerchen auf dem eBike und dabei die Mischung aus präpolnischer Trostlosigkeit und maritimem Disneyland genießen und den Blick über eine Landschaft streifen lassen, in der weder ein Berg noch sonst überhaupt irgendein Hauch von Anblick das Auge stört, im Ort günstig shoppen im Camp David Outlet, dazu Waffel oder Softeis nach dänischem Vorbild und ein Kaltgetränk an der Seepromenade, die grad wegen Ostförderung mit baustellendonnerndem Charme zu bestechen weiß. Dann ab ins Kurhotel und am nächsten Tag alles von vorn – schon bei der Niederschrift tiefenentspanne ich augenblicklich und falle sogleich in einen geruhsamen Tagschlaf. Und dann gibt es aber Gründe, die also wirklich ausdrücklich gegen eine Reise an dieses „Ostsee“ sprechen, und die kann ich ganz vorzüglich benennen. Allen voran zu nennen wäre da: Sand. Ein Konzept, das sich mir seitdem ich denken kann nicht erschließen will, zumal wo es doch so schöne Wiesen gibt, und wenn das nicht geht, wenigstens Gummimatten oder einmal schön rausfliesen, das geht doch heutzutage schnell. Aber nein, diese Meeresmenschen und ihr Sand! Ich mein, ich stell mich doch daheim auch auf keinen Spielplatz im höchsten Sturm und freu mich hernach, dass ich den Sand aus zwischen den Zähnen und jedem einzelnen Haarfollikerl wieder rauspopeln darf. Und plötzlich findet man sich auf sogenannten Wanderwegen wieder, wo weit und breit kein Weg in Sicht, wohl aber ein kilometerbreiter Sandabschnitt zu durchpflügen ist, den man mit Schuhen nicht bewältigen kann, sonst hat man hernach Sand nicht nur darin sondern in jede einzelne Sockenfaser säuberlich eingerieben und den restlichen Tag Schleifpapier am Fuß. Ohne Schuhe aber auch nicht, weil … also … weil SAND! Sand im Rucksack, Sand unter den Nägeln, Sand im Käsebrot. Niemand hat mir das bislang hinreichen erklären können, was das soll. Dafür kann ich mir die Antwort auf eine andere Frage direkt selbst geben: Warum soll ich sieben Stunden nach Norden fahren, wenn ich doch in der gleichen Zeit im schönsten aller Bellaitalias sein kann, wo ich zwar prinzipiell das gleiche habe wie oben beschrieben, aber eben in Italien – und wenn man nicht zu weit fährt, dann auch absolut ohne Sand?

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