„Das Eichhörnchen hält keinen Winterschlaf, es muss also die
ganze Zeit über fressen. Um in den kalten Monaten nicht zu verhungern, legt es
darum überall in seinem Revier Vorräte an“, hat eine salbungsvolle Stimme
dieser Tage in einem salbungsvollen Fernsehbeitrag über die Flora und Fauna in
Wales gesprochen. Ich habe mich dem kleinen braunen Puschel direkt verbunden
gefühlt – konnte also relaten, wie der Franzose sagt. Und das gleich auf sehr
vielen Ebenen, darunter eine mitfühlend, weil auch ich keinen Winterschlaf
halten darf und das zutiefst bedauere. Und wie auch das Eichhörnchen war ich in
den letzten Wochen ausnehmend viel damit beschäftigt, Vorräte anzulegen. Die
mich zwar nicht über den Winter bringen werden, dorthinein aber zumindest
gelegentlich ein bisschen Sommergeschmack bringen können. Unter diesen
angelegten Vorräten befinden sich mehrere Kilo entsteinte und tiefgekühlte
Zwetschgen (oder „Quetzgschen“, wie der Zwerg zu sagen pflegt), viele Gläser
grünleuchtendes Pesto, ein TK-Fach voller köstlicher Apfelvollkornbrote, nicht
zu wenig Apfelstreuselkuchen, fein säuberlich als leuchtend rote Perlenmatte
eingefrorene Johannisbeeren, die sich an die letzten, wirklich allerletzten und
artig vorgeschnittenen Zucchini schmiegt und literweise Apfelmus. Ja, es ist
vielleicht ein bisschen einseitig, aber so hat’s die Natur eben geschenkt, da
kann man eben nicht sagen „Du, Apfelbaum, es wäre mir schon recht, wenn du
jetzt auch einmal einen schönen Käse wachsen lassen könntest oder eingelegte
Oliven.“ Selbstverständlich hat meine Betätigung allerlei Lästerbacken auf den
Plan gerufen. „Bist du jetzt auch eine Tradwife oder was?“ krieg ich zu hören,
wenn ich sage, ich kann jetzt schon wieder nicht telefonieren weil der Teig.
„Ja“, sag ich dann, „so wird es wohl sein. Ich bin heute Morgen um 5 Uhr
aufgestanden, um dem Göttergatten eine feine Vesperdose zu kreieren. Dann habe
ich mich geduscht, sorgfältiges Makeup aufgelegt, das mich für alle
Eventualitäten des Tages rüstet (Postbote, Müllabfuhr, spontane Videodrehs),
mein Schnittlauchhaar gebürstet und geglättet, mich anschließend in ein figurbetonendes
Mieder gezwungen und darüber das feine Blümchenkleid samt Petticoat gedrillt
und dazu die leichten Alltagsstöckel mit nur 8 cm Absatzhöhe gewählt. So stehe
ich hier den ganzen Tag, schäle und zermuse Äpfel und warte, dass der
Göttergatte nach Hause kehrt und ich ihm das Abendessen zum den staubigen Bart
schmieren kann …“ Dann höre ich, wie es am anderen Ende der Leitung schwer
schluckt, lache in mich hinein und schaue an mir herunter: eine konturenlose
Jogginghose, ein altes Shirt voller Mehl und Butter, Kuschelsocken in
Plüschlatschen, auf dem Kopf eine formvollendete Frisur namens „grade
aufgestanden“, mit der ich eigentlich niemandem begegnen will. Wer Essen will,
braucht keine Frisur. Auch das habe ich mit dem Eichhörnchen gemein.
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