Ich hatte mal eine Freundin mit einer ganz sehr besonders
speziellen Gabe. Ich würde sogar sagen: eine Superkraft. Diese Freundin konnte
nämlich allein kraft ihres Willens ihre Peristaltik kontrollieren und somit
ungeachtet aller äußeren Umstände ihre Verdauungsprozesse an diese anpassen. So
erfreute sie sich beispielsweise in einem zweiwöchigen Campingurlaub irgendwo
in der kroatischen Walachei eines ausgezeichneten Durch- und Langschlafs ohne
jegliche Verlegenheit, nächtliche Wanderungen durch Fröstel und Regen über den
Campingplatz zum nächsten Klohäusel unternehmen zu müssen und schlief bis spät
in den Tag hinein den Schlaf der Gerechten, ohne dass ein Hauch von Notdurftnot
sie aufzuwecken vermochte. Während wir anderen kaum dass wir uns hingelegt hatten
schon wieder den Schlafsack von uns schälen, uns mit Crocs und Gummistiefeln
oder Regenschirmen bewaffnen und die lästige Reise antreten musste und morgens
mit der ersten Regung Sonnenschein direkt auch sogleich einen dringenden
Klowunsch verspürten, der keinen Aufschub gestattete. An dieser Frau habe ich
gestern Abend gedacht. „Warum bin ich so, dass ich lieber eine halbe Stunde im
warmen Bett liege und versuche, etwas absolut Unausweichliches irgendwie durch
Denkarbeit sich in Luft auflösen zu lassen, obwohl ich weiß, dass ich ohnehin
verliere, anstatt einfach schnell aufzustehen und aufs Klo zu gehen?“ habe ich
laut durch den Palast gewehklagt. „Genau“, hat der Mann klug ergänzt, „und dann
schläfst du dabei ein und musst dafür nachts raus, du Dummerchen.“ Was mir
überraschenderweise lieber ist. Zumal im Winter. Gerade hat man sich endlich
vor der garstigen Dunkelheit und grausigen Kälte der Welt im Allgemeinen und
der Wohnung im Speziellen in die wunderschöne Bettwärme geflüchtet, das Nest
schön vorgeheizt von der Wärmi, alle Körperteile bis hinauf zur Nase sicher
unter Daunen verstaut, und dann drückt die Blase und man soll schon wieder
aufstehen, damit man nachts nicht mehr muss? Pah! Ich sitz bzw. lieg das aus!
Schnell einschlafen und die Blase überlisten ist die Devise, weil viel lieber
geh ich nachts aufs Klo, wo ich nicht über mögliche Kälte nachdenke, sondern
über gar nichts, mir deswegen auf dem Weg die Hand am Türgriff anhaue, den Kopf
am Regalvorsprung und den kleinen Zeh an einer unvermittelt aufgetauchten
Türschwelle. Zurück im Bett fühle ich mich dann gerettet und entspannt und noch
dazu um die große Freude beschenkt, noch drei oder fünf Stunden schlafen zu
können – ein großer Genuss! Meinem Bruder, derzeit in Nepal wanderurlaubend,
stellt sich die Frage nicht: „Es ist hier acht Uhr abends, ich lieg in voller
Merinomontur samt Mütze und Schal im Polarschlafsack in irgendeiner unbeheizten
Baracke, und wie jeden Abend bete ich, dass ich nicht heut Nacht bei
mittlerweile Minus zehn Grad aufs Klo muss“, reiseberichtete es gestern. So
gesehen: Es könnte alles schlimmer sein. Meine Superpower: schlafen!
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