Samstag, 19. Oktober 2013

Freisprechanlagen

Man hat sich an so vieles gewöhnt. An Menschen, die in ihrem Auto brüllen, ohne dass darin sich ein Kollege, Nachwuchs oder Eheweib befände. An Menschen, die in der Gegend umherspazieren und mit starrem Blick ins Nichts hineinsprechen. Auch an Menschen, die die feierabendliche Leibesertüchtigung damit zubringen, rotschwitzig Sozialpflege zu betreiben und in ihren Walkman hineinzuschnaufen. Alles wichtig, gewiss. Immerhin: Sie kommunizieren. Denn so weit ist’s noch nicht, dass ich an dieser Stelle Simulantentum unterstellen möchte. Hierfür gibt’s nämlich eine ganz andere Spezies, der man das nicht nur unterstellen, sondern dringend urkundlich bestätigen möchte. 

Früher, als Handys noch so groß waren wie Autobatterien (gut, das sind sie jetzt wieder, aber das ist ein anderes Thema), da gab’s so eine Sorte Mensch, die sehr dringend diese Last am Gürtel befestigt mit sich führen musste. Vermutlich aufgrund eines Haltungsschadens, der ihnen irgendwie verbot, das Gerät in einer Tasche zu verstauen, war’s wichtig, es gut sichtbar mit sich zu führen. Als gänzlich unbeabsichtigter Nebeneffekt erzeugte der Mensch einen Eindruck der Wichtigkeit mindestens im Range eines Feuerwehrhauptmanns, der stets einsatzbereit und für jedermann erreichbar durch die Welt patrouillierte. Der Mensch trug’s mit Fassung und einem Hauch von Stolz ob der Bewunderung, die ihm (vermeintlich) entgegenschlug. 

Diese Zeiten sind beinahe vorbei, und wie sich die Technik fortentwickelt, so senken sich die dafür zu berappenden Preise, und das ist gut, denn nun können sich die Haltungsgeschädigten einer Neuerung bemächtigen, die ihnen die Last des Geräts und der Verantwortung vom Gürtel weg direkt ans Ohr pappt: die Bluetooth-Freisprechanlage. Einem Virus gleich scheint sie mit dem Träger Tag und Nacht verwachsen. Ob morgens beim Bäcker, nachmittags beim Tanken, abends beim TK-Pizza-und-Sixpack-Kauf, immer klebt die kleine schwarze Krake am Ohrwaschel, und dabei wird der arme Mensch nie, niemals angerufen außer Sonntagmittag von der Mama, die fragt, wie’s dem Haltungsschaden geht, aber der Wirt weiß sich seines Virus‘ nicht zu erwehren, und so trägt er mit einer von Außenstehenden nur zu leicht mit unverhohlenem Stolz zu verwechselnden Tapferkeit den Draht zu Außenwelt mit sich herum, weil es könnt ja immer sein, dass seine Superheldenkräfte benötigt werden, um Kinder aus lodernden Flammen zu retten oder Burgfräulein vor dem Drachen. 

Man hat’s nicht leicht als vielgefragte Person, und weil ich das freilich nicht verstehen kann, muss ich mir die Häme auch verkneifen. Im Diskothekenbetrieb ist die Spezies gottseidank noch eher kaum verbreitet, und deswegen flücht‘ ich mich geschwind dorthin.  Zum Semesterstart steigt „Prüfungsgeil“ in der Indabahn (Bahnhofsplatz), zum Geburtstag „5 Jahre Tonkonzum“ in der KK (Königstraße). Der Lui (Luitpoldstraße) ruft „We tone“, das Terminal (Flughafenstraße) „Get on board“, die Muz (Fürther Straße) in die „Muckibude“ und das Stereo (Klaragasse) hebt die Hände zum „Clap!“. Am Samstag ist lange Nacht der Wissenschaften, aber Studienobjekte hat’s ja auch im Ausgang mehr als genug, deswegen ab zur Feldforschung: „W.H.M.C.“ im Zwinger Keller (Lorenzer Straße), „Jockey Club Ibiza“ in der Mitte (Hallplatz), „Jazzboutique“ im Opera (Ostermayerpassage) und „Bassbot“ im Nano (Königstraße). Wenn irgendwo ein Burgfräulein in Flammen stehen sollte – sagt Bescheid! 

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