Besuch letzthin bei älterem Herrn, mit dem ich weitläufig bekannt bin. Tür auf. „Oh, welch bezaubernder Anblick, Sonnenschein! Und diese Urlaubsbräune!“, flötete es italiengegerbt zu mir heraus. „Wie ein Eskimo!“ Ich schenkelklopfte an dem feixenden Senior vorbei ins Haus, um mich auf der anderen Seite im schattigen Nord zusammenzukauern und sanft hin und her zu wiegen. Ich komm nämlich mit der Situation nicht mehr klar. Seitdem ich denken kann, begegnen mir Menschen mit unverhohlenem Neid auf meinen Hautton. Richtiger ist wohl eher „mit schlecht verpacktem Neid“. Daher kommt der nämlich in einem Gewand, das an Kreativität seinesgleichen sucht. Es beginnt im Frühjahr, so im März, wenn ich mich langsam aus dem Rollkragen heraustraue. So schnell schau ich gar nicht, und ich hab Fremdmenschenfinger auf meinem Dekolleté, die darauf herumstupsen und die entstehenden hellen Punkte auf vornehmem Rotschimmer als eindeutiges Zeichen für „Na du warst aber auch schon in der Sonne, he?“ identifizieren. Das ist der Beginn des alljährlichen Reigens meines persönlichen Sommer-Bingos.
Ob ich Urlaub am Nordpol gemacht habe (10 Punkte), ob ich gestern wohl im Park war (5 Punkte), ob ich nicht langsam mal aus der Sonne gehen sollte (5 Punkte), ob ich nicht vielleicht eher so der helle Typ wäre (20 Punkte) … Bin ich nicht! Ich bin prinzipiell schon eher so der südländische Typ. Halt der südschwedische. Das merkt man schon allein daran, dass ich problemlos stundenlang in einer Mittagssonne liegen kann, bei der jeder weicheirige Italiener längst in den Siestakeller verzogen wäre. Dass meine Noblässe dabei vergleichsweise hurtig den Farbton sinnlicher Klatschmohnfelder annimmt, gründet sich auf der naheliegenden Erklärung „Rot ist mein Braun!“ Dagegen hilft übrigens auch nicht, mich mit LSF 130 in eine weiße Glitschmade zu vercremen. Ich bräune nicht, ich röte, und das ist mir allemal lieber als das Schicksal einer Bekannten, die ebenfalls mit milchweißem Teint gesegnet ist, sich nach dem intensiven Sonnenbad jedoch äußerte, es wundere sie eigentlich nur, dass sie nicht noch mehr ausgeblichen sei.
Man soll ja schließlich hernach sehen, dass man was getan hat. Dieses Schicksal teile ich mit vielen Menschen, die sich einer steten Diskriminierung ausgesetzt fühlen, die genährt wird vom Neid der tiefbraunverbrannten Erben alter Feldarbeiterdynastien. Ich hingegen, die ich niederbayerischem Bauernadel entspringe, kann auf heller Haut rote Muster kratzen (Dermographismus, eine bislang unentdeckte Kunstrichtung!) und auf rotem, weil gutdurchblutetem weil pumperlgesundem Dekolleté in hell meinen Namen schreiben. Das könnt ihr nicht. Ihr könnt dereinst die Narben eurer Melanome zu Sternbildern verbinden, die ihr vom Nachthimmel abmalt, den ihr sommers zum besten Freund macht, weil ihr euch tagsüber tunlichst im UV-freien Keller vergraben werdet. So! Und jetzt geh ich Haare blondieren und mich dann in die Mittagssonne legen, damit ich am Wochenende meinem Spitznamen „Pommes rot-weiß“ gerecht und all euren neidgeschürten Spitzen salbungsvoll begegnen werde. Vielleicht mal‘ ich mir auch einen Mittelfinger ins Dekolleté. Zur Sonntagmorgenröte hat ja vermutlich auch noch kein Mensch gesagt, dass sie sich doch vielleicht lieber mal einschmieren soll. So!
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