Heute Morgen bin ich seit längerem einmal wieder quer durchs schöne Frankenland gefahren. Es handelt sich hierbei eher um ein gefühltes als ein reelles Wissen, das ausschließlich auf den zwei Tatsachen beruht, dass ich an Ort A in ein Auto hinein- und an Ort B aus diesem wieder hinausgestiegen bin und daraus schlau schussfolgere, in der Zwischenzeit aktiv einen Ortswechsel vorgenommen zu haben. Gesehen habe ich in der Zeit nämlich akkurat eins, nämlich: nichts. Was dem, so sprach das kluge Bildungsradio, sogenannten „Hochnebel“ geschuldet war, was ich für einen meteorologisch-psychologischen Trick zur Rettung der Reststimmung der Gesamtbevölkerung halte, die sich mutmaßlich umgehend sofort nach einem Strick umschauen würde, konfrontierte man sie in gleichhoher Frequenz mit dem Wort „Tiefwolken“. Denn nichts anderes war’s, was ich da durchschneist habt. Hier und da war die Autobahn hübsch dekoriert, leuchtend Rot vorzugsweise, was sich bei genauerem Hinsehen stets herausstellte als leider nicht von den Herrschaften von der Autobahnunterhaltung arrangiertes Ornament, sondern verunfalltes Wild. Auch wenn es für den letzten unermüdlichen Optimisten wieder etwas überraschend kommen mag, so ist dann jetzt halt doch mal Herbst, was unter anderem bedeutet, dass sich in Edeleinrichtungsgeschäften mit rot-gelbem Emblem die lustigen Hallooweenartikel mit denen für den selbstgebastelten Adventskalender um die Auszeichnung für größte Geschmacklosigkeit kloppen. Jetzt mag so manch einer alsgleich in große Trübsal verfallen und zu lamentieren beginnen, die Platte vom Auswandern auflegen et cetera, mir doch bedeutet die kalte Jahreszeit das größte Glück. Nämlich werde ich ab sofort verschont von des Menschen schlimmstem Körperteil: dem Fuß. Schwere Zeiten liegen hinter mir, in denen ich andauernd mit fremder Extremität konfrontiert worden bin. Gelbe Zehen, verwachsene Nägel, schrundige Fersen, blätternder Lack. Hammerzeh, Platt-, Senk- und Spreizfuß. Stolz wie Bolle wird die schlimme Sache in der Gegend umeinanderpräsentiert, anstatt sie dort hin zu stecken, wo sie hineingehört (vgl. Schuh, geschlossener), und als wäre das nicht schlimm genug, muss die Quadratlatsche auch andauernd noch fotografiert werden, weil sie gar so wohlgeraten ist. So sitzt der Mensch schwer atmend im vermeintlich geschützten Raum, will sagen: daheim, wo er sich vor der Podophilie in Sicherheit gebracht hat, sucht Zerstreuung in diesem Internet, und was muss er sehen? Füße im Sand, Füße auf Wiese. Füße in Booten, Himmeln, Flussläufen, Eisbechern, Grilltellern. So viel Gänsehaut kann überhaupt kein Mensch ertragen. Jetzt aber kehrt wieder Ruhe ein in die geplagte Seele. Die kalte Jahreszeit ist der Freund. Und hoffentlich lang genug, um all die scheußlichen Anblicke zu vergessen.
Freitag, 27. Oktober 2017
Freitag, 20. Oktober 2017
Peeptoes
In unserer schönen Stadt geschieht gerade absonderliches: Die Straßencafés explodieren vor Besuchern, die wie jedes Jahr die letzten schönen Tage aufsaugen wie ein großer Schwamm, nicht ohne sich dabei andauernd gegenseitig zu versichern, dass es schließlich Oktober, die warme Witterung daher ungehörig und selbstverständlich dem Klimawandel geschuldet sei, aber wenn man dann doch bitte gleich den Heizpilz anschalten könne, Herr Ober, super, danke. Bienen und Wespen ringen um die letzten Blütenstäube, Spinnen bleiben verwirrt auf Türschwellen stehen, und abends zwitschern die Vögel wie im schönsten Maiglückchen. Tagsüber erkennt man den Langschläfer geschwind am leichten Gewand, den Frühaufsteher daran, dass er eselsgleich bepackt mit Koffern voller Jacken, Schals und Handschuhen durch die Hitze streift, die in schweren Stiefeln verpackten Zehen linsen neidisch zur Sandale am Nebentisch, sind jedoch am Abend fein raus, weil „wenn die Sonne weg ist, wird’s schon frisch“. Ein wichtiger Satz dieser Tage. An Wichtigkeit und epochaler Bedeutsamkeit nicht zu überbieten aktuell ist ein Kleidungsstück, das sicher zu den wundersamsten in unseren Breiten gehört. Nämlich: die Daunenweste. Die wirklich unsinnigste Erfindung überhaupt, so ähnlich, als würde man lammfellgefütterten Winterstiefeln Peeptoes verpassen. Auf dass die Knöchel warm, die Zehen aber blaugefroren seien. Wo ich’s grad so hinschreibe, fällt mir ein, dass es das sicher schon gibt. Ich will’s gar nicht wissen. Für Daunenwesten gibt es pro Jahr exakt zwei Tage und an denen exakt drei Stunden, in denen eine Daseinsberechtigung besteht. Die Innereien warm geschützt, die Ärmchen frei für all die wichtigen Herbstaktivitäten, denen man solcherart praktisch gewandet uneingeschränkt nachgehen kann. Nämlich: im Straßencafé sitzen. Jetzt Problem: Man kann 363 Tage im Jahr Daunenwesten für das dämlichste halten, was die Modewelt je erfunden hat, weil was soll das sein, Jacke ohne Ärmel, schwitzen in der Mitte, frieren außenrum, Schneehosen gehen ja auch eher selten nur bis zum Knie. An exakt genau den übrigen beiden Tagen aber sitzt der Mensch im Straßencafé, friert im Shirt, schwitzt in der Winterjacke, blickt neidisch an den Nebentisch und denkt sich: Ja Mensch, so eine Daunenweste, das wär’s jetzt, und eilt bei nächster Gelegenheit zum Kauf der selben, auf dass sie im Anschluss 358 Tage im Schrank verstaube und bis zur nächsten Einsatzmöglichkeit vergessen werde. Kein Wunder, dass so viel Glücksgefühl herrscht grad in der Stadt: Das ist der Jubel der Daunenwesten, die endlich einmal aus ihrem Schrank herausdürfen. Da hol ich doch meine gleich mal mit dazu. Stopft sich auch gleich viel besser in die Handtasche, so ein Westchen. Auf auf!
Freitag, 13. Oktober 2017
Maskaaara
Seitdem ich im Café wohne, habe ich viel Zeit, über mein Leben nachzudenken. Es ist ein Leben voller Enttäuschungen und Entbehrungen, voller Verzweiflung und Ratlosigkeit, vergeblicher Suche und unerhörter Hilferufe. Kurz gesagt: Es ist ein Leben der „Dinge, die aus dem Sortiment genommen worden sind.“ Als echte Nestbeschmutzerin hasse ich Handtaschen und den Kauf derselben ungefähr genau so inbrünstig wie den Erwerb von Kosmetika. Habe ich einmal ein Produkt gefunden, bin ich zufrieden und glücklich und möchte fortan nichts anderes mehr verwenden. Nun trägt sich leider ständig zu, dass auf dem Markt der Gesichtsdekorationsmittel andauernd das Rad neu erfunden werden muss, und gutgläubig wie ich bin, fällt mir eher selten ein, vom Lieblingsprodukt einen Lebensvorrat zu erstehen. Über kurz oder lang bin ich also zur Nachschubsbesorgung verdammt, um dann stets erkennen zu müssen, dass es den Kajal / Lippenstift / Nagellack meines Urvertrauens nicht mehr gibt und ich mich durch Myriaden von Artikeln testen muss. Oft lege ich mich dann in Embryonalhaltung auf den Regalboden und hoffe, dass jemand anderes mir was raussucht und zuwirft. Diese Praxis hat sich im Alltag als eher wenig zielführend erwiesen, und so muss ich zuweilen dann doch selbst ran. Dreimal Versuchsabbruch, weinend. Denn ungefähr das schlimmste nach dem Erwerb eines neuen Deos ist der einer Wimperntusche, die, so lehrten mich viele verächtliche hochgezogene Kosmetikfachverkäuferinnenaugenbrauen, natürlich Maskaaara heißt und deren Erwerb das Durchhaltevermögen wie zur Luhmann-Lektüre erfordert, mit dem Unterschied, dass man ohne vorgenannte gut durchs Leben kommt. Ohne Wi… Maskaaara nicht. Beim ersten Lesen durch die Regale noch emotionslose Ungläubigkeit: The Colossal Big Shot, The Colossal Go Extreme!, Push up Drama, Push up Angel, Great Lash, The Colossal Smoky Eyes, The Colossal Spider Effect, The Rocket Volume Express, Supersize False Lash, Supreme Lash, Supercurler, Supreme Lash Fresh (mit Gurke!), Supreme Lash Volume Colourist, Volcano, Volcano Precise, Volcano Extra, Volcano Deluxe, 5-D Star, Push Up Neoprene, Glam Deluxe, Upper Lower Lash Shine Skinny … Ja, es sind alles Namen für Maskaara. Langsam steigt hysterisches Glucksen in den Hals, das sich verstärkt beim Studium der zur Auswahl stehenden Bürstchen, kurz unterbrochen wird von einer kleinen Dame, die mir mitteilt, dass ich im Weg stehe, indem sie mir eine Packung Klopapier in die Kniekehlen pfeffert. Ich kippe vornüber ins Regal und kann so nah die Farben auch gleich viel besser lesen. Suche „Schwarz“. Ganz einfach, sollste meinen, doch weit gefehlt: black, very black, intense black, richest black, luxurious black, black drama, dangerous smoky black, lift up black, turbo boost very black … Werde hysterisch lachend vom Sicherheitsdienst vor die Tür getragen. Gehe wieder in mein Café und schmiere mir Blaubeerkuchen auf die Augen. Auch hübsch.
Freitag, 6. Oktober 2017
Spinnerei
Heute Morgen konnte ich fast beinahe ungefähr überhaupt das Haus nicht verlassen. Man kennt das von Menschen, die hypersensibel und völlig überarbeitet sind, da geht das ganz plötzlich eines Tages zack!, kommst nicht mehr aus der Tür und musst dich fortan auf dem Boden in Embryonalhaltung gekrümmt selbst wiegen und wimmern, bis zufällig jemand kommt und dich findet und rettet. Ganz genau so war das bei mir auch. Also es war nämlich so, dass ich um 8.30 in megamotiviert die Tür aufgerissen hab und die zweite Hälfte meines Tagwerks angehen wollte, dann jedoch direkt versteinert bin und kein bisschen Fuß über eine Schwelle hab tun können. Weil da hat das Böse gelauert, das arachnoide. Es ist fei wirklich überhaupt gar nicht so, dass ich prinzipiell was gegen Spinnen hätt. Ich find die super, beispielsweise hinter Panzerglas oder ausgestopft. Oder wenn sie sich gemütlich von einer Blume abseilen. Oder wenn sie ganz arg friedlich oben an einer Klodecke wohnen. Oder wenn sie Weberknecht heißen und ein bisschen dumm sind und dauernd ein Bein verlieren. Überhaupt kein Problem. Aber jetzt ist halt so, dass ich so einem superfeinen, urfränkischen Hexenhaus aufgewachsen bin. So mit ganz viel Natur außenrum. Und in dem Superhaus hat’s nicht nur mir gut gefallen, sondern auch den Spinnen, und zwar den mordsekligen fetten mit den haarigen Rücken und Haxen, weil „die wollen halt im Winter auch lieber ins Warme.“ Jetzt ist so, dass ich für sowas prinzipiell schon Verständnis hab, aber das halt auch seine Grenzen hat. Zum Beispiel, wenn man morgens ein Auge öffnet und dann über einem hängt so ein achtbeiniger Batzen und glotzt dich aus 37 schwarzen Kugeln an und du siehst ganz genau wie der Batzen überlegt, ob er nicht auch lieber in einem Bett liegen möcht. Oder du rückst das Kanapee ein bisschen vor und so schnell kannst du gar nicht kreischen wie das braune Teil dir über den Fuß flitzt. Oder es hängt halt dauernd eins fies an einer Wand herum und hat die Angewohnheit, wenn du’s einfangen willst, sich einfach mit Effet fallen zu lassen. Oder, spezialfies: Hab ich mal eine Picknickdecke gewaschen, mit allem Pipapo. Die dann auf die Leine, und am nächsten Tag so „sakradi, hängt da immer noch ein Zweigerl“, und das dann wegpopeln wollen und auf einmal entfaltet sich das Zweigerl und rennt dir mit allen acht Beinen über die Hand. Contenance wird überbewertet. Jetzt weißt du aber also, dass sehr wahrscheinlich der Türwächter dermaßen saublöd auf der Schwellenkante sitzt, dass er überallhin türmen wird, bloß nicht ins Einfangglas. Was also tun? Genau: abhauen und den Feind aushungern. Seitdem sitz ich im Café um die Ecke. Auch schön. Irgendwie.
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