Freitag, 1. Dezember 2017

Adveniat!

Eine Woche ist vergangen und nichts hat sich geändert. Um sieben Uhr morgens ist es dunkel, um halb elf mittags auch und um fünf am Nachmittag schon wieder, man lässt den Schlafanzug am besten durchgängig an. Funktioniert gut, wenn man sich eine Mordsgrippe eingefangen hat, dank derer man den November weitestgehend im Bett verbracht hat. Miniwinterschlaf, sozusagen. Leider ist man dann etwas überraschend plötzlich wieder gesund und ergo aufgefordert, am täglichen Leben aktiv teilzunehmen. Dabei ist das Spannendste, was zwischen der ganzen Enttäuschung passiert, dass mir immer noch Menschen zur Schwangerschaft (Stichwort „Tomate“) gratulieren, was beim Zahnarzt noch irgendwie verständlich ist, spektakulär hingegen, wenn der Frauenarzt einem jovial auf die Schulter haut und sich erkundigt, ob der Nachwuchs wohlauf ist. Gottlob erscheint bald ein Licht am Ende des Tunnels dieser Düsternis, um nicht zu sagen ein Scheinwerfer, der mit Myriaden Lumen den Weg zum einzigen, wahren Nabel der Welt weist. Weil da kann der gesamtrestdeutsche Großkapitalist seinen Weihnachtsmarkt wegen verkürztem Advent so früh aufmachen wie er will, im zuchtundordentlichen Nürnberg wird prologisiert am Freitag vor dem ersten, basta und adveniat! Nachdem wir uns alle als Dosenheringe verkleidet und in Senf und Glühwein gebadet sowie die Hälse verrenkt und den ein oder anderen Kindergummistiefel sorgsam aus dem eigenen Auge geklaubt haben, statt ganz entspannt im Seitengasserl oder gar BR eifrig darauf zu warten, ob uns bittebittenichtendlicheinmal so ein Christkindlein ein klitzeklitzekleines minibisserl Verhaspler gönnen könnt, man tät’s ihm wirklich nachsehen, dem Engerl, und in die Annalen eingehen tät’s doch auch sogleich, hat das Leben des Nürnbergers endlich wieder einen Sinn. Urplötzlich zum Leben erweckt wünschelrutet er sich nämlich nach vollbrachtem Tagwerk hinein in den Hauptmarkt anstatt mit letzter Kraft auf ein Kanapee, wobei den Klugen die über den Straßen schwebenden, zu bizarren Leuchtformen gewundenen Kunstmose den Weg weisen, den ganz Gewitzten die Schilder für die Busse, die den Touri fröhlich jauchzend mittenhineinkarren ins heilige Bohei. Ach das klingt jetzt problematisch. Pardon. Dort angekommen widmet er sich dem Studium des Glühweinzyklus, der weit weniger kompliziert ist als der der Zitronensäue, dafür ungleich kostspieliger. Wie genau die Wunderformel aussieht, erklär ich gerne nach der nächsten Maus, jetzt findet ihr’s mal selber raus. Und was sich reimt, ist immer gut. Kleine Anleitung zum Beliebtmachen am Rande: Prolog auf dem Hauptmarkt im Beisein möglichst vieler Freunde delizieren. Sicherstellen, dass um 17.30 jeder eine volle Tasse in der Hand hat. Diese bei jedem von der Empore tönenden „Ihr Herren und Frauen“ glücklich prostend aneinanderstoßen. Motzenden Touristen mitteilen, sie hätten ja nicht herkommen brauchen. Einheimischen auch. Toi toi toi! 

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