Erinnerungen aus der Kindheit: „Why do you always complicate things that are really quite simple?“ schimpft Julia Poppins, nimmt Marcus und die Kinder an die Hand und, 1-2-3, schlüpft mit ihnen aus dem Nieselgrau des Parks hinein ins pastellbunte Märchenbild, wo man sich – klopfklopf! – den Kreidestaub vom Sonntagsrevers bürstelt und hineinschwuppst in die Zauberwelt. Und damit nicht genug! „I thought you said there was a fair!“ echauffiert sich prompt der kleine Lorenz, und „Yes, I did!“ weiß Marcus: „Down the road behind the hill!“ – und sogleich spaziert man, aufgeregt umflattert vom niedlich-tumben Vöglein, beschwingt hinfort, um auf dem Weg zum Rummel allerlei vergnügliche Begegnungen zu verzeichnen und wohlig zu vergessen, dass irgendwo im Hinterstübchen eine gänzlich unvergnügte Anderswelt sich unbeeindruckt weiterdreht. Warum mir diese Episode grad einfällt, weiß ich nicht so recht, mir schwant zudem, dass ich die Namen durcheinanderbring, aber holladrio: es ist egal, denn ich tanze glücklich durch die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten und freue mich. „Was ist mit dir los, bist du verliebt?“, fragen mich Passanten, die ich um- weil abständlich umarme, und ich sing „Jawohl!“ und kratz mich kurz am Hinterkopf, ein kleiner Schorf sitzt da, wo neulich noch Frisur war, ich weiß nicht genau, was da passiert sein könnte, aber hey: Lobotomie ist längst verboten – glaube ich. Oder doch alles nur ein Traum? Ich weiß nicht, denn es ist so sehr verwirrend und gleichwohl so herrlich schön. Geh ich durch die Straßen, seh ich märchenhafte Kreidebilder, sitzen Menschen vergnügt zusammen, wo bis neulich noch Autos zwingend haben wohnen müssen, weil sonst stirbt irgendwo auf der Welt eine kleine StVO. Totgeglaubte Pilsspelunken schmücken graue Straßen mit Blumen, Liebe und Pizzaduft; in sepiaweichen Zauberbildern nippen ordentlichfrisierte Rentnertruppen entzückt an der Erfrischung, gereicht aus dem pittoresken Backsteinhäuschen, das neulich noch ein heikler Technoschuppen war; ein junger Mann dreht servile Runden ums beigegewandtete Quartett anstatt nächtlich an den Plattentellern; steinalte Ladies schlürfen heiter am Likör, den der mit schnellen Pinselstrichen zum Connaisseurstreffpunkt vor Bilderbuchkulisse camouflierte Hiphopschuppen zuvorkommend kredenzt; Musik ist hier verboten, dort erlaubt, und wer mal etwas neues ausprobieren will, der braucht das richtige Zauberwort, über das in Gässchen, Wäldchen, Hinterhöfchen das Gerücht spazierengeht, „Kultur“ sei’s eher nicht, aber was wissen diese Gässchen schon? Vielleicht funktioniert supercalifragilisticexpialigetisch, man müsste das mal ausprobieren. Die Gelegenheit scheint günstig, denn zwar ist im Alles-möglich-Sommermärchen mein der alte Traum vom Schlepplift hinauf zur Kaiserburg nicht wahrgeworden, doch gibt es jetzt extra eine hübsche Hebebühne, mit der jeder, der es wagen will, sich ganz hinauf ins oberste Rathausgeschoss gondeln lassen und Zauberworte nebst vieler Wünsche ins offene Fenster hineinmegaphonen kann. Komisch nur, dass auf diesem neuen Angebot zum Bürgerdialog „Star of Berlin“ steht. Muss doch ein Traum sein. Oder Fehler in der Matrix. Aber wenn ein Löffelchen voll Zucker bitt‘re Medizin versüßt, rutscht sie gleich nochmal so gut!
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