Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all nach Nürnberg herkommet – dem Weihnachtsmarktstall. Und seht was mit Glüüüühwein, Christkiiind und Schmuckpraaaaacht das Maaaarktamt im Advent für Freeeeude euch maaaacht! … Husthust … Mimimimiiii … Ja ok, bisschen eingerostet das Ganze, aber hey: Es hat ja in der Vergangenheit doch eher relativ mau ausgesehen mit Christkindlesmarktschreierei, insofern sei mir das Gekrächze bitte verziehen. Sogar doppelt. Weil an mir nagt einmal mehr der Zahn der Zeit. Nein, wie sagt man, wenn man so ganz vorne dran ist dabei bei einer wichtigen modischen Entwicklung? Jedenfalls seit einer knappen Woche ist man etwas aufgeregt, manche gar im Fußballfieber. Hab ich mir gedacht: Da machst du eh mit, nur hab ich dabei den Fußball weggelassen und mich nurmehr fürs Fieber entschieden. Anpfiff war ordnungsgemäß am Sonntagnachmittag, wo ich mir das erste Mal gedacht hab: Ja, du, also … puh. Dann gab’s Montag direkt ein schweres Foul mit Blutgrätsche und seitdem lieg ich halt umeinander. Ein Mordskatarrh. Rote Karte wüsst ich mindestens auch eine zu adressieren, nämlich hat ein paar Tagen zuvor der süßeste laufende Meter der Welt einen Nachmittag mit großer Ausdauer immer erst schön in seiner laufenden, nein: sprintenten Nase herumgerührt und dann mir mit der selben Hand liebevoll die Wange gestreichelt. „Eiei.“ Ich bin noch in Verhandlungen mit dem Kindsvater, der sich diese Unverschämtheit verbittet und jede Schuld mit großem Handspiel zurückweist, aber für mich braucht’s da keinen Videobeweis. Und ich muss schon sagen: Es ist erstaunlich, wie so ein winzigkleiner, also fast beinahe unsichtbarer Zwergenmensch eine Schnupfenbazille entwickeln kann, die so eine ausgewachsene Immunverteidigung wie die meine einfach mir nichts, dir nichts aus den Latschen hebelt. Aber bei so einer Kita handelt es sich ja in Wahrheit um eine Art biochemisches Labor, wo tagtäglich eine schöne bunte Tüte Krankheiten hineingekippt wird und dann rühren sie drin herum und schwitzen und busseln und machen ein 1A-Klima und tadaa: Superschnupfen. WIE super, kann man daran erkennen, dass er meinen quasi gesamten Freundeskreis ebenfalls befallen hat – und das ohne dass wir uns gesehen haben. Telepathische Ansteckung! Vielleicht kann man’s mit ein bisschen gutem Willen aber auch als eine Art Trainingslager sehen für die ganzen vielen schönen kuscheligen Innendrinfeiern und glühweinseligen Umarmungsbegegnungen, die uns jetzt bevorstehen. Womöglich ja auch mit eher so kompetitivem Charakter: Wer wird am Ende alles im Bett liegen, wer in der letzten Woche des Turniers noch auf dem Platz, äh Hauptmarkt stehen? Der Sieger liegt dann unterm Weihnachtsbaum. Schlachtruf: Boykott Katarrh!
Freitag, 25. November 2022
Freitag, 18. November 2022
NEINkauf
Vor einigen Tagen habe ich versehentlich eine tolle Erfindung gemacht, die mich so begeistert, dass ich euch sogleich davon erzählen muss. Die Erfindung ist gut für euer Portemonnaie und auch die Umwelt, spart sie doch nicht nur Geld, sondern auch Ressourcen, bewahrt euch vor Enttäuschungen im nie enden wollenden Reigen der Begehrlichkeiten und ist damit von vorn bis hinten en vogue. Die Erfindung heißt „NEINKauf“, und das geht so: Schwer gebeutelt von einem unerklärlichen, aber dafür umso dringenderen Wunsch nach Veränderung im heimischen Nest äußerte ich selbigen schüchtern beim Frühstück, und schon wenige Tage und 17 verschieden vorgetragene Wiederholungen (Och bitte … Hmmmm? … Aber warum denn nicht? … DOCH! Aber … aber … BÜÜÜÜÜTTÖÖÖÖÖÖÖÖ!) später gab es auch schon einen Ausflug in das Geschäft mit dem gelb-blauen Logo, das voller Krempel ist, den man eigentlich nicht braucht, aber vergleichsweise so günstig, dass man’s dann doch haben will: Tedi. Nein Schmarrn, Ikea selbstverständlich. In meiner Begleitung: große Pläne (Kanapee, diverse Lampen, Regalkonstruktionen und sogenanntes „Zubehör“) sowie (jetzt kommt der Trick!) die selbsterklärte Stimme der Vernunft, die meinen fröhlichen Schritt zum Eingang hin schon mit magischen Worten sorgfältig auszubremsen wusste („Warum sind wir jetzt gleich wieder hier?“) und zwar auf meine Frage, ob man sich in zwei Stunden im Småland wieder treffen solle, Zurückhaltung schwor, diesen Schwur jedoch bereits am ersten Stopp brach. „Aber so viel tiefer als die alte Couch ist jetzt die hier doch auch nicht?“ stellte er mir interessierte Fragen und zog mich sanft durch die Abteilungen. Es folgte eine Reise der Entbehrung, an deren Ende ich mit leeren Händen stand. Weder Kanapee noch neuer Schreibtisch („Wir können den alten doch auch erstmal anders hinstellen“) wurde mir vergönnt, kein Regal („Das bau ich lieber selbst.“) noch Küchenschränke („die auch“), Zimmerpflanzen („fahren wir lieber in eine echte Gärtnerei“), Vorhänge („reicht’s nicht, wenn wir die alten einfach waschen?“), Sofakissen („Sehr schön, das sieht aus wie ein Anus!“), Schrankschübe („wir können doch die ausgerissenen Henkel sicher wieder annähen“) und noch nicht mal eine sehr wichtige neue Ordnungsbox durfte ich haben („Wenn dich der Deckel von der Kiste nervt – wieso tust du ihn dann nicht einfach weg?“). Wohin ich auch meine Sehnsucht richtete, ich hörte: nein! Nein. Nein. NEIN. „Das ist der enttäuschendste Ikea-Besuch meines ganzen Lebens! Das ist kein Einkauf, das ist ein NEINkauf!!“, hab ich aufs Kassenband geweint und mich dabei fest an eine Packung Stumpenkerzen geklammert. „Aber du musst zugeben: auch der günstigste“, sprach die Stimme der Vernunft. Ja. Ich fühl mich auch gleich viel besser.
Freitag, 11. November 2022
Pelzmärtel vs. Nikolaus
Eine kleine Volksliedübung zum Einstieg: „Ich geeeeh mit meiner Laateerne, und meeeeine Lateeerne mit miiiir. Dort ooooben leuchten die Steeeeerne, hier uuunten lo-hoiichten wiiiir. Nänääää nänä, nanäää nänä, RABIMMEL RABAMMEL RABUMM BUMMBUMM!“ Super, jetzt seid ihr textsicher und gewappnet für die kommenden Wochen. Liebe Freunde, ich sag’s wie es ist: Gestern noch drüber amüsiert, dass „zartschmelzend“ eine ganz neue Bedeutung bekommt, wenn man Schokoniko… Wie ist die Mehrzahl von „Nikolaus“? Nikoleen? Nikoläuse? Nikolauser? also die jedenfalls bei 35 Grad Außentemperatur im August vom Supermarkt nach Hause schleppt, weil man irgendeiner postinfantilen Versuchung aus glitzerndem Stanniolpapier (und vielleicht auch der sommerlichen Duftfolter aus Lebkuchensmog, man müsste da vielleicht mal einen Zusammenhang untersuchen) erlegen ist und dann daheim erst einmal den pappigen Schokoschmier von Brot, Eiern und Knoblauchzopf im Einkaufssackerl entfernen muss, und heute, kaum drei Wimpernschläge später, ergibt plötzlich alles einen Sinn. Ja ok, nicht wirklich, aber halt mehr als vorher. Weil: Pelzmärtel ist. Oder für die anderen Zugezogenen: Martinstag. Ich als waschechte Arbeitsmigrantin zweiter Generation mit niederbayerisch-katholischem Kulturhintergrund fand eure fränkische Idee vom Gutzerlbringer im roten Gewand schon immer prima. Spezialprima schon allein deswegen, weil er vier Wochen vor dem Nikolaus vorbeikommt, im Gegensatz zu diesem seine Gaben still und höflich des Nachts in vor die Tür gestellte Gummistiefel legt (und allein dadurch schon seine außerordentliche Tapferkeit beweist, ich mein, wer versenkt denn freiwillig seine Hand in einen getragenen Gummistiefel?) und dafür noch nicht einmal etwas erwartet. Der Nikolaus derweil: Angstgegner! Großeltern, Freunde und Familie versammeln sich, so dass dem Kind (mir) direkt klar ist: Jetzt wird’s ernst, und dann klingelt’s und herein kommt ein riesiger Mensch in einem Mordsgewand mit einer meterhohen Haube auf dem Kopf und einem Wahnsinnsspazierstock und dann Flüstern und Stille und schließlich zerrt dich eine Mutterhand unter dem Kanapee hervor, wo du zitternd liegst und panisch dein Gedicht zu memorieren versuchst, das du extra für jetzt hast lernen müssen. Und dann schiebt man dich in bedrohliche Nähe zu dem Fremden, und noch bevor du den Gedanken „Verrückt, der hat die gleichen Schuhe wie Onkel Uli!“ formulieren hast können, sagst du plötzlich „LIEBER GUTER NIKOLAUS, ZIEH MAL DEINE HOSEN AUS!“ und dann Gelächter und Schimpfen und Tränen und trotzdem Geschenke … nicht einfach. Deswegen: Pelzmärtel. Der hat zudem ein Pferd und außerdem im Gegensatz zum Nikolaus, der halt irgendwie Truckerfahrer war oder sowas in der Art, eine endscoole Heldenstory. Es muss darum also natürlich heißen: Ein Liiiichtermeeer zu Maaartins Eeeehr! Dankt mir später.
Freitag, 4. November 2022
Was im Busch
Heute war so ein Tag, an dem ich dringend den Kopf frei kriegen musste. Der war nämlich über Stunden hinweg pickepackevollgestopft worden mit neuen Informationen und drohte beim kleinsten weiteren Sinnesreiz kurzerhand überzulaufen. Weil niemand eine Hirnsuppe vom Parkett wischen möchte, hab ich mich eilig ins Hinaus begeben, um im liebsten Grün der Innenstadt weite Kreise auf bekannten Wegen zu ziehen. Für gewöhnlich bleibt man hier von Aufregern jedweder Art weitestgehend verschont, es sei denn, man ist eine Jungmutter, die gemeinsam mit vier Artverwandten als Schlachtflotte mit Thule- oder Boogaloo-Streitwagen durch den Stadtpark pflügt und ein entgegenkommender Flaneur aus Versehen mit seinem zuckersüßen Bonbonatem zu nah an den Nachwuchs herangeatmet hat. Dann: Aufregung. Sonst: Rollstuhlfahrer, Wackelzwerge, hier und da ein Wauwau, alles superfriedlich, und deswegen spezialgut geeignet für so ein anständiges Kopffreikriegen. „VERPISS DICH DU DUMME FUDDE! UND GLOTZ NET SO SAUBLÖD, ALTE!“ hat mich darob ausgesprochen unerwartet ein herbstlich coloriertes Gebüsch angeschrien, an dem mein weiter Blick einen Moment hängengeblieben war, um in der Untiefe des bereits prächtig gelüfteten Gehirns zu forschen, ob jenes mir einen Streich spielte oder unweit von mir sowie allen anderen Spaziergängern ein Frauenpopo in der Abendsonne gleißte. Hilfsbereit sagte ich zum Gebüsch: „Da hinten ist fei ein Klo.“ woraufhin dieses mich wenig kooperativ zum Teufel jagte und die Flüche mit feinen Argumenten unterstrich, die ich minder („ZU WEIT!!“) oder mehr („UND AUßERDEM SAUEKLIG!“) akzeptieren konnte und mich begleitet von wohlmeinenden Wünschen („KÜMMER DICH UM DEINE EIGENE SCHEIßE!!“) vorerst empfahl. Das Problem einer peinlichst dringenden Notdurft ist mir ja kein Unbekanntes. Erst am Wochenende musste ich mein Bedürfnis dem ausgesprochen strengen Blick einer Einlassdame am Theater unterordnen („Nein, Sie gehen jetzt nicht mehr aufs Klo, sondern da rein!“), um mich während der darauffolgenden knapp eineinhalb Stunden eingehend mit dem Konzept „Windel“ zu beschäftigen und zur Pause das Kunststück zu vollbringen, mit zusammengekniffenen Beinen zu sprinten. Auch hab ich mich schon in Flugzeugen wegen „wir landen doch eh gleich“ in die Nähe eines Blasenrisses manövriert, kenne jede Autobahntoilette im Umkreis von 100 km außerhalb Nürnbergs sowie sämtliche in Frage kommenden Örtchen darin, habe das Konzept „nette Toilette“ quasi erfunden sowie Herrentoiletten schon zu unisex erklärt, noch bevor das Wort „nonbinär“ auch nur das erste Mal gedacht worden war. Und trotzdem würde ich im Lebtag ni… Moment mal, ich wollte doch eigentlich den Kopf FREI bekommen. Stattdessen lauter unwichtige Gedanken! Supervoll! Wie meine Blase. Ich muss mal schnell …