Freitag, 13. Dezember 2024

Adventstraditionen

 So wie man im Sommer grillen und baden gehen muss, gibt es im Advent Dinge, die unbedingt dazugehören (vgl. Du-Du-Liste, die; oder: Erledigungen, die). Man muss beispielsweise feststellen, dass man immer noch keine ordentlichen Christkindlesmarkt-Schuhe hat. Man muss sich erinnern, dass es einen Trick gab, wie der Adventskranz nicht so schnell nadelt, aber man weiß nicht mehr, welchen. Man muss mit sehr vielen Menschen ausmachen, gemeinsam Plätzchen zu backen, um dann erneut zu bemerken, dass gemeinsam Plätzchen zu essen in Wahrheit doch die schönere Tätigkeit ist. Auch muss man über ein Weihnachtsessen diskutieren und damit zwingend einhergehend die immer gleichen Gespräche über Veganer, Pescetarier, Clean Eater und Flexitarier führen und warum man nicht wie andere Leute auch einfach einmal Würstel mit Kartoffelsalat haben könnte. Man muss fürderhin zu Beginn es Advents „super rechtzeitig“ sehr viele Weihnachtskarten kaufen, um die dann mit jedem abgerissenen Kalenderblatt ein Stück weiter vor sich herzuschieben, um dann im allerletzten Moment, nämlich dann, wenn sogar die Tagesschau über die Überlastung der Post spricht, hastig zu schreiben und persönlich auszuliefern. Und man muss Weihnachtsfilme gucken. Hierbei sind die Präferenzen diskutabel; zum Beispiel findet der Kretin von (m)einem Mitbewohner, Chevy Chase‘ „Schöne Bescherung“ von 1989 sei der beste Weihnachtsfilm aller Zeiten, derweil ich mich hierbei an die ungefähr schrecklichsten und längsten 90 Minuten meines Lebens erinnern kann, die mich mit Kopfschmerz, Augenweh und bodenloser Verzweiflung malträtiert hatten. „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ ist laut neuester Lesart nicht die erste seichte RomCom, sondern ein frühfeministisches Machwerk aus dem woken Spektrum. Und „Tatsächlich … Liebe“ ist und bleibt derjenige Film, der mein hartes Herz innerhalb fünf Minuten zum Schmelzen bringt und mich, die ich sonst nie auch nur eine Träne vergieße außer beim Zwiebelschneiden, derart aus der Fassung, dass ich eineinhalb Stunden durchheule. Ok das war gelogen, ich heul eigentlich schon bei Katzenbabys in der Werbung. Ganz falsch kann ich nicht liegen, denn selbst der Kretin, den ich dieses Jahr aus „Rache“ für „Schöne Bescherung“ zum Mitschauen zwang, hatte gelegentlich etwas im Auge, und so lagen die zwei ältlichen Leutchen also auf dem Kanapee und weiten vor Mitgefühl, Zorn, Abscheu und vor allem Rührung, während der Adventskranz den Tisch und Mamas Plätzchen das Sofa vollbröselten. In dem Film wird nebst vieler anderer Weisheiten aus dem Leben eine ganz besondere in die Welt gesetzt, die ich sonst in keinem anderen Zusammenhang finden konnte, aber dafür nicht weniger nachahmenswert halte: „at Christmas you tell the truth“. Ich würde das gerne in den Reigen der Adventstraditionen aufnehmen. Was haltet ihr davon? 

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