Donnerstag, 29. Mai 2014

Herrentage

Hab grad mal nachgelesen: „Die heutige Form des Vatertagsfeierns ist Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin und Umgebung aufgekommen […] Kernelement war die Einweihung der Jüngeren in die Sitten und Unsitten der Männlichkeit.“ Und weiter unten: „Aufgrund des erhöhten Alkoholkonsums […] gibt es […] erheblich mehr Schlägereien als an gewöhnlichen anderen Tagen.“ Aha. Nun gut, Jungs. Jetzt, wo ich dezidierte Informationen über diesen althergebrachten Initiationsritus habe, möchte ich euch, ohne dass das vorher der Fall gewesen wäre, keinesfalls im Wege stehen. Gottlob gibt es mit „Herrentag“ einen Alternativnamen für dieses Datum, der auch die bislang fortungepflanzten Knäblein autorisiert, ihr Dasein qua Geschlechtszugehörigkeit zu feiern. Dass irgendwer mal auf die unsinnige Idee gekommen ist, den 29. Mai in irgendwas mit Christi und Himmelfahrtskommando zu umzubenennen, muss euch dabei ja nicht stören.
Es gibt wichtigeres zu erledigen: Hackordnungen durch niedliche Rangkämpfe bestimmen(„Ey, der Theo pennt jetzt schon seit zwei Stunden im Bollerwagen, ich will auch!“ – „Halt die Klappe, Kevin, und zieh weiter!“), Feinmotorik tunen („Iff muff glaub iff umkehren, daff mit dem Bierflaffen öffnen und den Pfähnen ging früher beffer!“), Grobmotorik auch („Fünf Peso, dass du’s nicht schaffst, einen Kreis um dich zu pinkeln!“) und dem Minnegesang noch den letzten Schliff verleihen („Öööööi Aaaalter Tittenaaaaaaaaarsch WUHUUUU!“). Das kann man freilich am besten, wenn man unter sich bleibt, weil da ist die soziale Kontrolle hoch und die Schamgrenze … ähm … nicht so. Aber, liebe Knaben – das passt schon. Lasst euch bloß nicht von progressiver Rewe- oder Nivea-Werbung einreden, der Vatertag sei in irgendeiner Weise dazu angedacht, sich auf Familie zu besinnen. Radltouren zum Jazzfrühschoppen ist was für Spießer, ihr seid ja heutzutage eurer althergebrachten Rollen ohnehin gänzlich beraubt, was euch zutiefst verstört und zum Therapeuten treibt, da müsst ihr euch einmal im Jahr schon rückbesinnen dürfen.
Ganz arg wichtig ist allerdings, dass ihr euch hierfür möglichst weit von der Innenstadt entfernt, was den unbestreitbaren Vorteil mit sich bringt, sich im Zweifel in einem exquisiten Dauerfunkloch zu befinden. Wir Mädchen sitzen derweil einsam und verlassen und zu Tode betrübt in der männerfreien Stadt, in Parks und Biergärten und vermissen euch, ich schwör, ganz fürchterlich. Aber wir sollen ja auch ab und an mal wissen, was wir an euch haben, und deswegen empfehle ich euch dringend und mütterlich, erst wieder in Erscheinung zu treten, wenn ihr eurer Muttersprache wieder fähig seid. Und am Freitagabend haben wir uns dann überall wieder lieb. Fast überall … Ich persönlich mach’s ganz anders und trink jetzt aufs Wohl meines Papas. Prosit, Väterchen!

Freitag, 23. Mai 2014

Podolskis

Mit Vögeln hab ich’s ja nicht so. Keine Ahnung, warum, aber ich kann der gesamten Thematik nichts abgewinnen und finde, es gibt wichtigere Dinge im Leben. Wenn ich dann aber mal so ganz ruhig daliege, am besten noch die Augen zu, dann bekomme ich durchaus eine Ahnung davon, wieso Ornithologen diesen Viechern so erlegen sind. Das werkt und zwitschert und macht und tut in allen erdenklichen Tonlagen, dass es eine große Freude ist. Allerdings tut es auch gerne mal in unerdenklichen Tonlagen, so dass sich die Freude dann doch wieder eher in Grenzen hält. Angeführt wird dieser Missmut von einer Taube. Tauben sind eh generell so, wie soll ich sagen – schwierig. 

Tauben sind der großstädtische Hauptvogel, weswegen man sie entweder geflissentlich ignorieren oder sich mit deren unvermeidbaren Existenz gnädig arrangieren oder bei jeder einzelnen grauen Federplage angewidert abwenden kann. Füttern steht außer Frage. Ich habe eine einzige wunderbare Erinnerung an eine Taube, und zwar die, dass eine solche vor vielen vielen Jahren mit Effet aufs kunstbehaarte Haupt meiner prusselise-artigen Kinderfrau zu defäkieren beschloss und sich nicht scheute, diesen Entschluss in perfektem Timing inszeniert in die Tat umzusetzen. Da war der lästige Innenstadtausflug geschwind vorbei und ich um eine Schadenfreude reicher. Die üblichen fünf Mark habe ich an diesem Tag vermutlich eher nicht bekommen. 

Wann immer eins dieser scheußlichen Geviehder es wagt, über mich hinwegzusirren, gerne ja im Sturzflug, weil irgendwo eine einer Brotkrume auch nur im Entferntesten ähnelnde Substanz auf dem Boden aufgeschlagen ist, auf das man sich rasend vor Gier alsgleich werfen muss (mit einer Eleganz, bei der jeder Habicht vermutlich einen mittelschweren Lachanfall erleidet), muss ich mich sofort ducken und noch besser hernach sofort desinfizieren, weil ich mir sicher bin, dass bei jedem einzelnen rupfigen Flügelschlag Millionen von Flöhen, Pilzsporen und Pestbazillen auf mich hinabfallen. Die urbane Flugratte hat aber noch einen ländlichen Verwandten, einen wahren Bauerntölpel, den nicht zu mögen in meiner Familie über Generationen hinweg tradiert ist. 

Die „Podolskis“, wie sie heißen, seitdem der Großvater nicht nur eine Ähnlichkeit zwischen dem Ruf des Tieres und dem Namen des Fußballers, sondern auch zwischen beider angenommener IQs konstatierte, stören jedwedes Gartenidyll entweder dadurch, dass sie nicht geschmeidig landen, sondern sich wie ein Kürbis einfach auf einen Baum fallen lassen und hoffen, dass irgendein Ast den Sturz bremst. Da sitzen sie dann und machen ohne Unterlass „Podolski, Podolski, Podolski“, so lange, bis man nichts anderes möchte als Zwille oder Schrotflinte hervorzuholen und dem Gejaule den Garaus zu machen. Weil man ja aber so zivilisiert ist, schließt man die Augen wieder und meditiert den Hass hinfort und dann erschrickt man, weil schon wieder Freitag ist. Ein Lichtblick: Gurren beim Flirten ist natürlich ausdrücklich erlaubt!

Freitag, 16. Mai 2014

Floristen

Ein Mensch erlitt einst auf der Reise von der Westvorstadt zurück in die heimatliche Noris einen Einfall. Nämlich den, mich mit Blumen zu überhäufen. Mit quietschenden Kufen hielt er die Kutsche vor dem nächstbesten nach Grün aussehenden Geschäft, sprang hurtig hinein und kam nach zähen 25 Minuten wieder heraus. In die Hand drückte er mir stolz etwas, das ich aus Papier schälte und weise sprach: „Oh wie schön, ein Grabgesteck. Danke!“ Wir verließen den Friedhofsparkplatz, die Stimmung war so eher mittel. Grabbeigaben hielten sich fürderhin in Grenzen, alle weiteren floristischen Erzeugnisse jedoch ebenfalls. Augen auf beim Blumenkauf, sag ich da. Der Florist als solcher tut halt, was er kann. 

Ob’s jetzt an den Floristen oder an mir liegt, dass ich in letzter Zeit ausschließlich Sträuße zu bezahlen gezwungen war, die aussahen, als würde ich eine entfernte Tante lieblos zum Zweck der Erbschleicherei heimsuchen – ich weiß es nicht. Gut, wenn mir einfällt, dass ich ein Bouquet benötige, ist es gerne mal Samstagnachmittag um 16 Uhr. Da ist der Florist halt schon daheim, weil Blumenkauf was für strukturierte Menschen ist und nicht für solche wie mich, die sich im Zweifel auch kurzerhand am Nachbarsbeet erfreuen. Würden. Wenn ich dann also völlig verzweifelt nach 17 feierabendlichen endlich einen werktätigen Blumenschmücker gefunden habe, ja mei, da hast halt dann auch eher nicht mehr so die Wahl, sondern musst dich in stille Dankbarkeit kleiden. Und hoffen. 

Weil jetzt sagt man dem designierten Retter: „Ich brauche dringend … für … der/die mag gerne … und ist … nur als Geste … und wenn’s geht dann für unter 100 Euro.“ Dann such ich eine Blume aus, die meinem Auge wohltut, und dann stellt der Mensch die Frage: „Soll’s ein bisschen Grün außenrum sein?“ und ich sag in meiner Verzweiflung folgenschwer: „Ja gern.“ Und dann beginnt sich der Florist künstlerisch zu entfalten, und dann weiß man auf einmal auch, warum der als einziger der Gilde um die Zeit noch offen hat: Er oder sie MUSS das tun, weil sonst wär der Laden schon längst dicht, weil niemand, der halbwegs bei ästhetischem Verstand ist, ein zweites Mal  hier einkauft! 

Da werden Nadelhölzer und Farne zum Schafott gewunden und Moose um hilflos-zarte Blüten drapiert, festgezurrt mit Wattebäuschen und knatschig-bunten Papierkordeln, damit das arme Pflänzchen bloß nicht fliehen kann vor der Zwangsehe, und zum krönenden Abschluss kommt noch Glanzspray übers grüne Elend, das vermutlich ablenken soll von der kompositorischen Katastrophe und das Auge blenden. Bei mir zumindest funktioniert’s, ich will dann nur noch ganz schnell bezahlen, bevor dem Blumen-Mörder noch ein pfiffiger Kniff einfällt, mit dem er selbst seine Profession karikiert. Da lass ich mir doch für mein Geld lieber Biertulpen befüllen. Und hole mir nach Möglichkeit kein Veilchen. 

Samstag, 10. Mai 2014

Muttertag und Prittstiftblumen

Ich kann mich noch sehr gut erinnern. Muttertag. Das war dann, wenn die Frau Lehrerin im Werken befahl, Hammer und Säge für einen Moment gegen Tonpapier und Prittstift einzutauschen. Dann wurde eifrig schabloniert, geschnitten und beleimt, und nach ungefähr 17 Arbeitsstunden hatte man eine lustige Blume gefertigt, in die ein Trick eingebaut war. Auf die Blütenblätter der Blume malte die Kinderhand anschließend ab, was die Lehrerinnenhand zuvor auf die Tafel geschrieben hatte. „1x Müll raustragen“, „1x Ich hab dich lieb sagen“, „1x Zimmer aufräumen“, „1x Rasenmähen“ oder „1x Bier holen“, was halt grad so aktuell war. Die Blütenblätter fungierten ergo als Abreiß-Gutschein, ein Blanko-Scheck, den man an besagtem Sonntag gemeinsam mit der im Zeitschriftenladen geklauten oder schnell vom Vater zugesteckten Praliné-Komposition stolz am Frühstückstisch zu überreichen hatte, zur widerstandslosen Einlösung, wann immer es dem Muttertier beliebte. Nun, soweit die Theorie. 


In der Praxis sah das vermutlich anders aus – ich sage bewusst „vermutlich“, weil selbstredend ich der Erzeugerin stets solcherart ergeben und bei den häuslichen Pflichten zur Hand war, dass oben genannter Gutschein gar nicht nötig sondern rein symbolisch zu verstehen blieb. Anders kann ich mir auch gar nicht erklären, dass hier und da immer noch eine solche Blume aus den Untiefen des elterlichen Haushalts aufploppt, die über beinah alle Blütenblätter verfügt; so hier und da mal eines fehlt, dann nur aufgrund des Prittstift’schen Unvermögens, eine Klebedauer von mehr als drei Stunden zu bewerkstelligen. In allen anderen Haushalten des östlichen Speckgürtels sah das vermutlich so aus, dass Mütter nach mehrmaliger höflicher an den Nachwuchs gerichteter Aufforderung, man könne doch vielleicht, möglicherweise, wenn es nicht allzu viele Umstände machen würden täte, kurz das Bettzeug aufschütteln oder gar die Spülmaschine ausräumen, wenn die zweifelsohne sehr wichtige weil wegweisende Lektüre der Bravo beendet sei, sich mit einem präpubertären Zornesanfall konfrontiert sahen. 


Im Zuge dessen hat der Frischling vermutlich referiert über die völlig inakzeptable Impertinenz dieser Aufforderung, der er allein deswegen keinesfalls nachzukommen gedenke, und die Mutter möge sich doch bitteschön beeilen, die kindlichen Räumlichkeiten stante pede wieder zu verlassen, so sie denn den Weg hinaus durch den zu Lüftungszwecken säuberlich auf dem Zimmerboden ausgebreiteten Inhalt des Kleiderschrankes fände. Um dem Referat den gebührenden Nachdruck zu verleihen, hat der kindliche Rumpelstilz vermutlich nicht sich selbst, dafür aber die Blume zerrissen, um sie sich in den Mund zu stecken und mit Todesverachtung zu verzehren. Der wohlmeinende Hinweis also an alle Erziehungsberechtigten: … öhm … also … eigentlich hab ich keine Ahnung. Das wohlerzogene Kind reicht am Sonntag stillschweigend Alka Seltzer, presst Orangensaft und liest Bücher, so schaut’s nämlich aus.

Samstag, 3. Mai 2014

Stöckelschuhe

Der 1. Mai ist so ein kalendarischer Meilenstein, der uns  allen sagt: Es geht wieder „nauswärts“. Nicht zum Steinewerfen, wo denkt ihr hin. Auch ums Wandern geht’s mir nicht, sondern um den Umstand, dass die Zeiten des mit grauem Teint im Keller Sitzens die Winterstarre Abwartens vorbei und Freiluftstündchen eingeläutet sind. Man lagert auf Wiesen und Plätzen, hat Blumenkränze im Haar und die Ukulele im Anschlag und freut sich des Lebens. Außerdem freut man sich vor allem in Burgnähe über Touristen, gerne weibliche. Denen kann man nämlich ganz wunderprächtig von oben dabei zuschauen, wie sie versuchen, mit Würde den Gipfel zu erklimmen, ohne sich dabei anmerken zu lassen, dass sie Nürnberg, die Reise und das Leben an sich verfluchen. Hat ihnen doch glatt niemand im Vorfeld gesagt, dass diese Miststadt aus derart vielen mit Pflastersteinen zutapezierten Anhöhen besteht, „Merde!“, und das hört und hört nicht auf. 
Es wundert mich, dass nicht schon längst oben am kaiserlichen Gipfelkreuz Basistationen von Scholl & Co. eingerichtet worden sind, die mit Blasenpflaster und Hirschtalg die wunden Stöckelsohlen all derer in Empfang nehmen, die sich in den zurückliegenden Stunden ausgiebig mit dem Thema „Aschenputtel“ auseinandergesetzt haben und zu dem Schluss gekommen sind, dass so eine abgehackte Ferse ja halb so wild sein kann, Hauptsache, der Schmerz lässt nach. Es gilt hier jedenfalls dringend, die Aufklärungsarbeit zu leisten, die ich eigentlich immer schon gerne den Großraumdiskotheken der Region angedeihen lassen wollte. Wenn man sich da nämlich an den einschlägigen Abenden mal ein bisschen herumdrückt, überkommt einen das dringende Gefühl, gängige Aufklärungskampagnen seien völlig überbewertet. 
Uh, jetzt schreit der moralische Mob, ich weiß schon. Aber dann soll er da mal hinschauen, zu diesen Schlangen vor den Türen, und dann wird er folgendes erkennen: Mitnichten sind es schwer Betrunkene, die einem das Herzlein eng werden lassen, sondern peingeplagte Mädchengesichter. Die kommen nämlich auf drei Meter hohen Stelzen angestakst, planen im Geiste bereits minutiös die Toiletten-Aufenthalte durch, die ihnen erlauben, kurz aus dem Folterinstrument zu steigen und das Gehwerk zu massieren, bevor weiter zu Lady Gaga und David Guetta arschgewackelt werden kann. Arsch, wohlgemerkt, mehr geht nicht, weil die Füße möglichst im Ruhezustand belassen werden müssen. Ich hab da mal ein Schreiben für die Stadt aufgesetzt: „Viel wichtiger als die Kontrolle etwaigen Drogenkonsums und Alkoholmissbrauchs durch Staatsbedienstete erscheint die dringliche Empfehlung an alle Krankenkassen, sich ab circa 23.30 Uhr beispielsweise im Hauptbahnhof, Bereich Halle West, auf die Lauer zu legen, um dort die stelzenlaufenden Damen zur Rede zu stellen und aufgrund nicht verantwortbaren wissentlichen Eingehens eines massiv erhöhten Risikos für Leib (des eigenen) und Seele (der Mütter, vielleicht) nachdrücklich Verwarnungen hinsichtlich Verfall des Versicherungsschutzes auszusprechen. Denkbare wäre hierbei eine Kooperation mit der Traditionsmarke Birkenstock.“ Hehe. 
Viel Spaß also bei „Bónbón“ (Gojia, Bahnhofsstraße), „Best Friday“ (Indabahn, Bahnhofsplatz)), „Bermuda Viereck Festival“ (Königstraße/Hallplatz), „N-Dorphin!“ (KKK, ebd.), „Boom Box“ (MUZ, Fürther Straße), „Bada Bing“ (Stereo, Klaragasse) und der „Maokalypse“ (Desi, Brückenstraße) sowie tags darauf BITTE ohne Stöckel auf der Blauen Nacht und ihren Feiern (Mach1, Stereo & Künstlerhaus) und dem üblichen Kladderadatsch. Hals und, höhö, Beinbruch!