Freitag, 28. Dezember 2018

Resümee

Mir wird gern einmal unterstellt, ich würde diese Zeilen hier mit nichts als blühender Fantasie füllen, was man schon allein daran erkenne, dass man nie erfahre, wie bestimmte Dinge weiter- oder zu Ende gegangen sind. Ich hab mir gedacht, das können wir ja zum Jahresabschluss einmal ändern. Also: Ich lebe immer noch und finde, man sollte mehr über Verdauung sprechen. Es gibt mittlerweile sogar Klosteine mit Granatapfelduft, dafür immer noch kein Bärlauchdeo. Jeden einzelnen Morgen und Winter ärgere ich mich über meine praktische Kurzhaarfrisur, zum Wachsen lassen reichts dann aber trotzdem nicht, dafür ist jetzt aus der Mützen- eine Stirnbandthematik geworden. Hübsch übers Weihnachten habe ich mir einen Mordsinfekt eingefangen, aber wohl doch keine Superkräfte, nieste und hustete es doch in den mir umliegenden Wohnungen ganz ohne mein Zutun schon vorher herum. Der Rokoko hat immer noch nicht in die Damenmode zurückgefunden, weswegen ältere Damen jetzt aufblasbare Sitzpolster besitzen. Ob ich in Wahrheit multipel oder geklont bin, hab ich noch nicht herausfinden können, entsprechend würd ich euch bitten, dass ihr mal eine von den anderen fragt und mir dann erzählt, was sie gesagt haben. Im Zuge dessen bitte auch gerne weiter schönes Grüßen üben. Auf dem Volksfest halt ich immer noch am liebsten Abstand und die Jacken; die Nahtoderfahrung in der Schwerelosigkeitstonne hat daran nicht unbedingt was geändert. Für die Geranien hab ich mich oft verhämen lassen müssen, dafür hab ich jetzt immer noch Sommer am Balkon. Ich hab oft versucht, mit der „einfach losschreiben“-Methode das Sofa zu befüllen, was meistens in Heulkrämpfen und dröhnenden Kopfschmerzen geendet hat; lieber wird die Wohnung sauber. Bislang kam es zu keinem neuen Einsatz der Tiernotrettung; möglicherweise liegt der Grund in der Einsicht, dass Kois einfach nicht für fränkische Gartenteiche gemacht sind. Der Motorradscheinneuerwerb wurde von Hitze torpediert und fürs kommende Frühjahr geplant, Stress hab ich insofern nicht als das Pubertier das nicht-verdiente Geld lieber in Frisörbesuche investiert. Ende Juli dacht ich, heißer kann’s nicht werden … Den Rest kennt ihr. Der Hinterhofflohmarkttag war prima, allerdings auch recht intim; am Ende haben wir uns gegenseitig unsere Sachen geschenkt und eine Hinterhofprivatparty veranstaltet. Der Opa macht jetzt für immer Nickerchen. Die Großfamilienreise brachte sowohl Freude als auch meine unverhoffte Premiere als Poetry-Slammer; mehr dazu im neuen Jahr. Dank euch konnte ich drei Hermanns ansetzen, dank mir drei ermorden. Jetzt Besinnungspause und groß eingestiegen ins Avocadokernaufzuchtgewerbe; nächstes Projekt: Bonsaiansaat. Ein Blaulicht hab ich nicht gefunden, aber ich lass jetzt einfach immer das Auto mit Warnblinker vorm Haus stehen und spare mir so auch noch die lästige Parkplatzsuche. Die Lösung war B) … Ihr Lieben und Liebenden, jetzt überstehen wir noch die meistüberschätzte Nacht des Jahres mit ihrem reichhaltigen Aktivitäten- und Fernsehprogramm, richten dann unser Krönchen wieder anstatt uns weiter zugrunde und schauen nicht mehr zurück, sondern nach vorne in ein neues Jahre voller Erlebnissen und Erkenntnissen und Wunderlichkeiten und Wunderbarkeiten. Ich freu mich, wenn wir’s wieder zusammen durchlaufen. Ab mit euch in ein schönes Wochenende und vor allem einen vergnügten Rutsch in ein vergnügliches neues Jahr! 


Freitag, 21. Dezember 2018

Weihnachtswunderrätsel

Ihr Herren und Frauen, ich sag mal so: Das ging jetzt alles doch ein bisschen plätz- nein: plötzlich! Da bist du grade eben erst noch hemdsärmelig im Biergarten umeinandergesessen und hast mit einem Auge die schlimmen Folgen der Erderwärmung diskutiert, mit dem anderen aber halt auch schon irgendwie ganz geil gefunden, und dann hat jemand an einer großen Uhr gedreht und statt nur auf Winter- direkt auf Weihnachtszeit umgestellt. Sogleich Doppeltunddreifachstress wegen gleichzeitig vom Endlossommer erholen und Couch und Suppe und Steuererklärung und dazu aber auch noch Adveniat! und FeuZaBo@CKM und ja mei du, wirklich sauschön dass du auch noch einmal auf Heimatbesuch kommst vorm Weihnachten, freu ich mich echt, aber macht’s dir was aus wenn wir uns nicht exklusiv sondern zusammen mit allen anderen 37 Besuchern treffen könnten? und dazu noch Denken beim Schenken und Basteln statt Hasteln und das alles auch noch immer mit in einer Hand die Wetter-App und in der anderen das allzeit-bereit-Paket aus Schirm, Tasse und Notizpapier. Selbstverständlich aber hab ich diese Unbill mit dieser ganz speziellen Effizienz bewältigt, die ich am besten anhand des sich soeben ereigneten Vorfalls skizziere, dank dessen meine bislang von jeglicher Weihnachtsatmosphäre verschonte Wohnung sich im Bruchteil einer Sekunde in eine olfaktorische Adventswolke verwandelt hat, weil ich ganz vielleicht beim Umeinandereffizienten aus Versehen ein klitzekleinesbisschen an eine Orangenöl-Duftsache hinangehutzt bin. Atemlos durch die Weihnacht, und schwindlig auch, dabei hab ich doch noch eine Geschichte vorbereitet, bei der ihr euch das Ende aussuchen könnt: Letzte Woche Einkaufshölle, angemessene Überfüllung, Stimmung & Ausbeute, Rückfahrt nach knapp vier Stunden, Fahrrad im Eisregen, innige Sehnsucht nach warmem Zuhause. Plötzlich Schikanensituation, sprich alte Dame mittig im Weg und dank Einkaufstaschen links und rechts kein zügiges Vorbeikommen möglich. Jetzt Rätsel: Was habe ich gemacht? A) Ich klingele hektisch und drängele mich, weil keine prompte Reaktion erfolgt, zwischen lahmer alter Tatterin und Blumenkasten vorbei, wobei ich ihr einen Taschenhenkel aus der Hand sowie die halbe Pflanze umreiße. Kein Grund zur Aufregung, die Alte steht schließlich noch und soll halt gefälligst morgens einkaufen gehen statt wenn arbeitendes Volk unterwegs ist, oder sich was bringen lassen, vom Alten oder Kindern oder Caritas oder so. Fünf Minuten später bin ich daheim und kann endlich vor die Glotze, darin empörende Scripted-Reality-Reportage über Gesellschaftsverrohung. B) Ich sehe, dass die Dame hinkt und die Hände blau sind, wegen schwerer Taschen und Kälte. Wenn ich ehrlich bin hab ich keine Eile. Auf meine Frage, ob ich helfen kann, sagt sie „Das kann ich nicht verlangen.“ Ich sage „Tun Sie ja auch gar nicht“, und auf dem 15-minütigen Weg zu ihrer Wohnung berichtet sie mir nicht nur freundlich von ihrem langen Leben, von Flucht, vom Beinbruch, von den Kindern, die immer noch arbeiten, wenn sie anruft, von der einsamen Wohnung, vom Nichtzurlastfallenwollen, sondern bleibt gelegentlich stehen. Um das Bein auszuruhen. Und um Sachen zu sagen wie „Dass es so jemanden wie Sie noch gibt!“, „Sind Sie ein Weihnachtsengel?“ oder „Ich hätte nicht gedacht dass ich so etwas noch einmal erlebe!“, was mich gleichsam zutiefst rührt wie beschämt. Die Dame möchte sich erkenntlich zeigen, doch ich nehme nur das warme Gefühl mit nach Hause und deck mich damit zu. Also: A oder B – was hab ich gemacht? Und: Was hättet ihr getan? Mit diesem kleinen Rätsel entlasse ich euch fürs erste. In eine weitestgehend friedliche, freundliche, freudige, warme, vergnügliche, zufriedene und achtsame Vor- und dann auch noch Weihnachtszeit. Von der mir mal jemand erzählt hat, dass es da gar nicht immer schon nur um teure Geschenke und opulente Speisen ging, sondern um irgendwas anderes; ich glaub auch, dass das was mit diesem seltsamen „Christentum“ zu tun hat, von dem neuerdings immer alle so wichtig reden. Was war das nur gleich wieder? Hm … Ich muss mal raus und atmen gehen, mir ist ganz blümerant. Frohes Fest!  

Freitag, 14. Dezember 2018

Blaulichtumzug

Gestern hab ich mir eine Lichterkette kaufen wollen. Um ehrlich zu sein ein bisschen wegen Gruppenzwang, weil wenn du bei mir in die Straße kommst dann denkst du, du bist auf einem Open-Air-Rave gelandet und gleich wellenhandet dir eine Love Parade entgegen, und so ganz in der Mitte von der Balkonfront ist dann so ein finsteres Loch, wo der Flaneur unten sagt „Ach schau, da wohnt also der Grinch!“ Tut er aber gar nicht, sondern es bin nur ich, und ich tu mich ein bisschen schwer damit zu verstehen, warum Menschen, die sagen wir mal sonst unterm Jahr täglich bei der Stadtverwaltung anrufen weil die Straßenlaterne flackert und das den Schlaf empfindlich stört, und die am liebsten noch der Feuerwehr das Blaulicht beim Nachteinsatz verbieten möchten, also warum die eigentlich plötzlich vier Wochen vorm Weihnachten meinen, ein Stroboskop wär die entspannendste Erfindung die die Welt überhaupt je einmal gesehen hat. Und weil es dann gar so besinnlich ist, wenn’s in zwölf Farben und halbsekundentaktlich umeinanderblinkt, muss man das nicht vielleicht so installieren, dass man sich ganz allein und nur für sich selbst, also quasi richtig vorweihnachtlich innere Einkehr, daran erfreuen kann und die Diskothekenanlage schön geizig vielleicht ein bisschen direkt unter der Bettstatt drapieren oder man könnte damit auch den Backofen auskleiden oder womöglich ja sogar den Kühlschrank, und dann am besten auch noch gleich so eine Last-Christmas-Melodie dazu wie in den Grußkarten zum Aufklappen, oder vielleicht hast du ja auch einen Safe daheim, so einen ganz superdicken ganz tief drin im Mauerwerk, und jetzt stell dir vor: Das wär dann nur deins, ganz allein! Aber nein, man muss raus damit in die Welt. Ich versteh das ja wirklich gut mit den Lichtern an sich, ich mag auch Lichter. So ein grindiger November oder Dezember, der wird schon wirklich gleich viel schöner mit Lichtern und Moosen und Zeug, die weisen dir den Weg durch Nebelschwade und Schnürlregen hin zum Glühmarkt und wenn’s dann später ein Tässchen zu viel geworden ist weisen sie ihn dir vielleicht auch wieder zurück nach Hause, und wenn du dich im Stadtpark verlaufen hast am stockfinsteren Nachmittag, dann freust du dich auch wenn du in der Ferne ein Kerzlein siehst oder vielleicht auch eine Zigarettenglut und weißt, du bist gar nicht allein. Und auch Adventskranz, ganz feine Sache, wobei mit Konfliktpotenzial und Gruppenspaltung, nämlich in diejenigen, die brav so wie sich das gehört eine Kerze nach der anderen anzünden und dann solchene, die, das musst du dir mal vorstellen, alle vier anzünden „damit die gleichmäßig abbrennen“, wo kommen wir denn da dahin? Das ist ja fast so schlimm wie „Ich hab schon meinen ganzen Adventskalender aufgemacht weil ich wollt ja wissen was drin ist!“ Naja also jedenfalls hab ich mir dann keine Lichterkette gekauft sondern überlegt, im Feuerwehrzubehörfachgeschäft ein Blaulicht zu erstehen, wegen glaub ich größerer Reichweite. Bis dahin freu ich mich leise und entspannt über meine zwei Kerzlein. Und dann bald auch schon über drei. Jessas wie die Zeit rennt … Also jetzt hab ich nochmal nachgeschaut, es heißt: „Advent Advent, ein Lichtlein brennt, erst eins dann zwei dann drei dann vier, dann steht das Christkind vor der Tür.“ Und nicht: „Advent Advent, ich mach ein Mordstohuwabohu und wenn dann bei mir daheim ein Flugzeug an die Terrassentür klopft wegen Landebahnverwirrung dann schrei ich umeinander wegen Sicherheitslücke und Belästigung.“ 

Freitag, 7. Dezember 2018

Digitalisierungsnot

Man hat ja jetzt neuerdings eine rechte Digitalisierungsnot. Ich kann das sehr gut verstehen, weil die hab ich auch. Nämlich seitdem ich mich in einem kleinen, vielleicht ein bisschen impulsiven Wutanfall von meinem Telefon- und halt auch Digitalisierungsanbieter getrennt hab und dann wegen beleidigt auch gar nicht eingesehen hab, dass ich jetzt auf einmal springen soll, nur weil der Anbieter wochenlang fünfmal täglich versucht, mich anzurufen. Gestern dann Milde, und dann erfahren, dass in vier Wochen alles abgestellt wird. Jetzt also Not. Neulich hatte auch jemand anderes eine Digitalisierungsnot, weil nämlich ist die adoleszierende Puberdame in die große Stadt gereist, wegen Shopping und Cool und Gang und Yolo, und dann hat sich wegen der Durchdigitalisierung ein kleiner Vorfall ereignet, nämlich dass dann, so geht das Gerücht, auf der Heimfahrt nach dem beschwerlichen Ausflug vor lauter Insta-Flow der erforderliche Zug-Halt etwas überraschend kam, weswegen das Kind dann nicht nur vom Lebensabschnittsgefährten durch grausam sich schließende Türen getrennt sondern auch noch ein bisschen weiter in den Norden gereist worden ist. Dramatische Szenen, Tränen, gar nicht mehr erwachsen. Jetzt kannst du sagen, vielleicht tät es ja auch nicht schaden, statt der Digitalisierung ein bisschen eher so Grundsätzliches in einer Schule voranzutreiben, sprich Lebensfähigkeit vermitteln. Unterrichtseinheiten könnten also heißen „Die Toilettenpapierrolle – Wechselt sie sich selbst?“, „Der Weg des benutzten Geschirrs zur Spüle – Ist Telepathie eine Option?“, „Anleitung zum Auffinden von Gegenständen – Wie suche ich an den richtigen Stellen ohne das Haus auf den Kopf zu stellen und dabei rumzubrüllen?“, ergänzend dazu vielleicht noch „Mein Smartphone – mehr als nur Accessoire“ sowie den Aufbaukurs „ÖPNV-Plan und Straßenschilder – Überleben im Großstadtdschungel“. Damit das alles nicht zu viel wird, könnten gelegentliche Praxiseinheiten aus den Segmenten „Ernährung“, „Zwischenmenschliche Umgangsformeln“ sowie „Manieren“ eingestreut werden, in denen beispielsweise durchgenommen wird „Die Angst nehmen – Warum Bitte, Danke und Grüß Gott nicht schmerzen“, „Das Taschentuch: So benutzen wir es nicht nur richtig, sondern überhaupt“ oder „Tomate oder Ketchup – Identifizierung von Lebensmitteln leicht gemacht“. Da mir bislang keine solche Unterrichtsplanung bekannt ist, lege ich große Hoffnung in die Entwicklung der künstlichen Intelligenz, wenn’s mit der natürlichen schon hapert. Da kannst du dann das Kind morgens in den Ausflug verabschieden und an der Tür gibst du ihm ein schön in Butterbrotpapier eingeschlagenes Päckchen und sagst „Schau, mein Schatz, da ist deine Extraportion künstliche Intelligenz für heut, mach dir einen schönen Tag!“ oder zu Weihnachten gibt’s statt Lebkuchen eine schöne Ration künstliche Intelligenz. Oder du kannst auch, jetzt stell dir vor, mal aus Versehen vielleicht sagen wir im Feierabendverkehr ein bisschen eine kleine Phiole voller künstlicher Intelligenz auf den Boden fallen lassen und schwups muss man überhaupt gar nicht mehr so supersauviel hupen oder grindig dreinschauen weil sind nämlich plötzlich alle in der Lage, ein bisschen mehr miteinander zu denken statt dagegen. Ich wart einmal das Wochenende ab, vielleicht ist der Nikolaus ja schon weiter gewesen als die Angela.