Kurz nachdem ich letzte Woche diesen philosophisch-gehaltvollen Text über die Vergänglichkeit allen Seins im Allgemeinen und meiner selbst im Speziellen verfasst hatte, klingelte es an meiner Tür. Dort stand ein Bote ohne Flügelhelm, dafür aber mit einem Paket, das er mir in die Hände und dabei einen Blick zuwarf, den ich nur als „lüstern“ beschreiben kann. Gut, hab ich mir gedacht, ein jeder hat so seinen Fetisch, und der Hermes vielleicht mag gern leiden, wenn man mit verquollenen Augen, Halskrause und Wischmoppfrisur erscheint, ist ja alles möglich heutzutage. Auf dem Siechbett hab ich das Paket dann angeschaut und mich gewundert: Vom einem Druckerzubehör, wie der Absender hieß, hatte ich gar nichts bestellt. Zu schwach um weiter in Frage zu stellen hab ich freilich erst einmal schwungvoll aufgerissen und ein spannendes Objekt ins gleißende Licht der Infrarotlampe befördert. Das sieht, hab ich mir gedacht, aus wie ein Mikrophon. Sehr schwarz und mit ein bisschen Gold. Oder wie ein … Da hat sich der Nebel geteilt und eine göttliche Hand mir das Eis der Erkenntnis hindurchgereicht, denn, so hab ich mich erinnert, auf so einer Seite im Internet hatte ich im Schmerzdelirium wohl eine Bestellung getätigt. Nämlich war das so, dass also wenn du zum Beispiel einmal kurz ins Google „Rezept leichtes Abendessen Low Carb“ hineinschreibst, dann kriegst du erstens Ergebnisse und zweitens aber wie von Zauberhand in den nächsten Tagen locker übers Internetfenster verteilte Hinweise auf Pizzalieferdienste. Wenn du einmal „Hallux Valgus OP“ eingibst blinkt’s dir wochenlang die neusten Highheels auf den Bildschirm. Ein ausgeklügeltes System, diese Algorithmen, und deswegen war das auch so, dass ich vielleicht in der Woche vorher ein, zweimal rund ums Reizwort „Bandscheibe“ eingetippt hab, und dann denkt sich der Internet proakiv „ja schau, helf ich dir doch“ und dann kriegt man Sachen vorgeschlagen. Eine Sache war das Mikrophon, weil, kann ich mich erinnern, „stufenlos verstellbare Vibrationsthemen für den entspannenden Massagegenuss“, und ich so: supergut, muss ich haben! Was dann genau passiert ist weiß ich nicht mehr, aber abgesehen davon dass der Versandhandel sich beim Absender vertan hat, hat alles prima funktioniert. Sogar hübsche satinglänzende Hüllen haben sie mir dazugeschenkt und so eine komische Gummisache, die sieht ein bisschen so aus wie was man neuerdings statt Frischhaltefolie auf angeschnittenes Gemüse tun kann, Gurkenkondom sag ich deswegen, nur jetzt mit Noppen, ich weiß nicht, was das soll, und Aufkleber mit Herzen und so, ist ja nett und war ja auch Valentinstag. Jetzt muss ich sagen: Das Mikrophon sieht nicht nur sehr gut aus, es vibriert auch ganz vorzüglich. Deswegen hab ich das jetzt immer dabei, das gibt mir ein sicheres Gefühl. Stehst du lang und schwerbepackt in einer Supermarktschlange – nicht so schlimm, die mobile Massage ist mit. Verspannst du dich einmal beim Rekonvaleszenzspaziergang – kein Problem, nach einer kurzen Vibrationseinheit auf der Parkbank ist alles wieder gut. Weil ich so glücklich bin mit dem Gerät hab ich es jetzt auch oft einfach so in der Hand, und so, wie die Leute schauen, denk ich, sie hätten auch gern so eine Sache. Nur neulich, da hab ich in der Straßenbahn gesessen und das Mikrophon auf dem Schoß gehabt, und dann ist es versehentlich angegangen. Die Frau neben mir hat sich dann weggesetzt, ich weiß nicht, man muss doch seinen Neid schon auch einmal im Griff haben können. Nächste Woche zeig ich das dem Orthopäden!
Jetzt hat auch noch jemand gefragt, ob ich vorhab, mit dem Mikrophon zum Pornofasching zu gehen. Versteh ich alles nich.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen