Manchmal geht man heim zu Eltern, und in manch so einem Elternklo hängt er: der ewige Geburtstagskalender, zeitlos, immerwährend, manche Tage vielfach befüllt bei Häufung von Jubilaren, andere Felder bis zur Unkenntlichkeit ausradiert wegen Zwist, auf jeden Fall fein säuberlich dokumentiert, so dass man beim Geschäftverrichten stets memorieren und planen kann. Ich täte gut daran, so eine Lokusliste auch zu führen. Wozu?, schreit ihr, es gibt doch Facebook, Google, Instastory! Doch das ist freilich so korrekt wie kaum verlässlich. „Und was hast du am Donnerstag gemacht?“ frug ich die Nachbarsfreundin am Mittwoch, und sie: „Geburtstag gehabt.“, was mir vollumfänglich unbekannt weil mangels Social Media nicht im Internet verzeichnet war. Bebend vor Scham hab ich später eine Datumsnotiz gemacht und mich gefragt, warum das wohl so ist, dass man manche Geburtstage (den eigenen) nie vergisst, andere (alle) dafür sehr wohl. Und warum ich mich eigentlich überhaupt noch wundere.
„Nein, das Highlight war vor vielen Jahren, als du mir um 23:55 Uhr am 6. Juni ‚gerade noch ganz knapp‘ per SMS gratuliert hast!“, hat man mir vor sehr kurzem erst ein Widerwort und zum ultimativen Beweis die Dokumentation besagter Korrespondenz gleich mit dazu gegeben. Die datiert auf 2011, und man müsste das alles gar nicht so eng sehen, wenn der Mensch nicht am 7. Juni und ich in diesem Jahr zum wiederholten Male gezeigt hätte, dass ich vom Geburtstag dieses einen wirklich überhaupt keine Kenntnis, wohl aber ein ziemlich gutes Bauchgefühl habe, das mich rund um den großen Tag in Alarmbereitschaft versetzt und mit dem ich ihn und allen voran mich selbst Jahr für Jahr aufs Neue überrasche. Ausschnittsweise zu rapportieren wären da nebst zahlreicher korrekter Treffer, auf die ich hier ausdrücklich bestehen möchte, nämlich noch diverse Pfosten- oder Lattenschüsse, manchmal auch ein Aus und gelegentlich hab ich vielleicht auch einmal die Sportart verwechselt, sprich Base- statt Fußball. Weit übers Ziel hinaus. Mit einer Trefferquote von 5:1 (konservative Schätzung) gratuliere ich zum richtigen Datum. Meistens nachträglich. Gelegentlich gar nicht, sondern rufe „einfach mal so an um zu hören wie’s dir geht“ (Bauchgefühl), um dann nach einer halben Stunde Plausch fröhlich aufzulegen. Und später verdutzte Nachrichten zu erhalten, in denen sich freundlich nach meinem Geisteszustand erkundigt wird. Dieses Jahr also Königsklasse: OGOTT es tut mir SO LEID! hab ich gefleht und zum Beweis ein Bild von regengrauem Gebirgsgipfel angehängt: Zählt das als Ausrede? Er: Schönes Bild, aber was tut dir leid? – Haha sehr lustig, bitte verzeih mir! Ich hasse mich selbst! – Ich verstehe kein Wort. – Jetzt sei nicht so grausam! – Bist du betrunken? – Es ist 10 Uhr. – Dann hast du wohl einen Namen verwechselt. … Tja, naja. Hatte ich nicht. Dafür die Kalenderzeilen. Und deswegen dem Jubilar eine Woche zu früh einen Tag zu spät unterwürfig nachträglich gratuliert. Er sagte dann, er betrachte das mittlerweile als Teil der Geburtstagstradition und freue sich schon darauf, womit ich ihn kommendes Jahr überrasche. Sagen wir mal so: Ich mich auch. Lokusliste ist was für Spießer.
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