Demletzt beim Sonntagmorgenschampus. Wie alle drei Monate größere Spende an staatliche Einrichtung tätigen wollen, wie halt üblich unter Reichen. Dann Krise. „James“, hab ich gesagt, „das geht nicht.“ Und James, der eigentlich Hans-Jürgen heißt, sprach: „Ja du, kein Wunder: Dein Perso ist seit März abgelaufen.“ Ich, schlau: „Hä? Wie kann das sein, den hab ich doch neulich erst bekommen.“ Er, schlauer: „Ja halt im März 2011, das ist zehn Jahre her.“ Ich: ratloser Blick aufs Dokument, von dem mich eine fastbeinahe 1:1-Kopie meines heutigen Selbst anläch… naja: an-biometrisches-Pfannkuchengesicht-glotzt, damals hatte man das noch so. Bei genauerem Hinsehen hatte man damals auch noch anderes so, weswegen heute Stress. Weil „Wie soll ich jetzt so schnell ein Passbild machen und das alles??“ hab ich das Personal angeschrien, und das Personal rät mirnichts, dirnichts und so, dass du schon weißt, warum es halt nur Personal ist und nicht die schwere Bürde meiner Existenz zu schultern vermag: „Ja äh da gehst halt bitte einfach vorm Persobeantragen schnell rüber zum Fotoautomaten, das dauert keine fünf Minuten und kostet fast nichts?“ Angewidert hab ich mich von so viel Ignoranz ab- und meinem edlen Spiegelbild zugewendet um das weitere Vorgehen fortan auf Augenhöhe planen zu können. Weil in dieser grauenhaften schnellen digitalen Selfie-Mentalität, da vergisst du halt, was dir da bevorsteht: Der Oneshot, dieses eine Foto, das nicht nach 24-Insta-Story-Stunden im digitalen Nirwana verschwindet, nicht nach dem Anschauen snapchattig selbst zerstört. Nein! Du wirst für alle Ewigkeiten so aussehen wie auf diesem einen, unter Zeitdruck erstellten, fasrig grienenden, schwülfeucht schwitzenden Bild. Und: Es ist nicht nur dein Gesicht, dass du in Scheckkartenstein meißelst, sondern auch alle modischen Katastrophen, denen du womöglich derzeit erlegen bist in dem Glauben, du habest deinen geschmackvollen Stil – formvollendet, zeitlos, unerschütterlich surfend auf der modischen Dauerwelle – längst gefunden und seist schön bis in die Unendlichkeit und noch viel weiter. Aus diesem Grund befindet sich beispielsweise auf meinem Führerschein eine mir unbekannte Person, deren Frisur mit Gewalt straff nach hinten gezurrt, der herauswachsende Pony rings um die Stirn mit Haarnadeln kranzartig fixiert, die Augen in dicken Kajal, der Mund in Lipliner, der Hals in enges schwarzes Samtband und das Gesicht in Motzigkeit. Topmodern heutzutage? Ja ok, mein Fehler. Trotzdem! Welches Oberhemd trag ich, das ich auch in acht Jahren noch sehen mag, welches Geschmeide am Ohr, das mir auch 2025 noch gefällt? Find ich die Frisur auch übermorgen noch gelungen oder frag ich mich in sechs Jahren beim Streichen meiner Lider in Regenbogenfahren, wem damals eigentlich der No-Makeup-Makeup-Look eingefallen ist?! Also bitte! Aus dem Weg, ich muss denken!
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