Freitag, 14. Januar 2022

Liedgut neu vertont

 Ok, noch eine Woche bis zum Final Countdown. Und keine, also absolut gar keine Weihnachtsstimmung in Sicht. Was willst du machen? Dich in Embryonalhaltung unterm Esstisch zusammenrollen, ein Schälchen Met neben dir, um den Daumen einzutunken, Pumuckl auf Dauerschleife und deine nach Größe und Alphabet geordneten Kuscheltiere bitten, gefälligst leiser zu weinen, während du an der Abdeckplane zupfst und das letzte bisschen pseudoweihnachtliche Wirklichkeit aus deiner Höhle sperrst? Oder halt hysterisch lachen. Ich wähle Letzteres, und um mich in meiner Entscheidung zu bestärken hab ich mir zwei junge Männer ins Haus geladen, die mir eigentlich nur einen neuen Herd schenken sollten, mir darüber hinaus aber eine Generalsanierung bescheren. Gut, einmal grundreinigen wollte ich eh unbedingt noch vor Weihnachten, und die zertrümmerten Einrichtungsgegenstände können sie ja bestimmt gleich mitnehmen zum Wertstoffhof, passt eigentlich alles. Zu sagen, ich hätte auf alles gefasst sein können spätestens dann, als zum dritten Mal das Handwerkertelefon statt eines schnöden Klingelns Enio Morricones „Spiel mir das Lied vom Tod“ ertönen hat lassen, find ich ein bisschen viel verlangt. Ich sing lieber selbst: „Fröhliche Weihnachten überall, nur nebenan ist Mordskrawall!“ Oder: „Stihille Nacht, heilige Nacht, alles schläft einsam kracht nur das traute Handweherkerpaar …“ Ach das macht mir Spaß, da geht noch mehr: „Leeeise rieselt der Schneeee. Still und starr friert der Zeeeeeh. Hör nur wie lieblich es schaaaaaallt: Freue dich, Schneematsch kommt baaaaald!“ und passend: „Süüßer die Socken nie stiiinken, als in der Winterschuhzeeeeit!“ Oder „Schneeheflöckchen, Weißröckchen, warum kommst du geschneeeit? Du wohnst doch in den Wolken, patschnass ist jetzt mein Kleeeeeid.“ Oder traditionelles Liedgut zeitgenössisch interpretiert: „Es ist ein Kloß entsprungen, aus seiner Soße zart. Der Braten eh misslungen, er war zäh durchgegart. Es wurd‘ dann Pizza bracht, mitten im kalten Winter – Lieferando bei Nacht.“ Auch gern gesungen: „Alle Jahre wieder kommt das Angusrind in der Herde nieder, köstlich schmeckt sein Kind.“ Oder halt die vegetarische Variante: „O Tofutraum, o Tofutraum mit Käse wärst du fetter!“ Und klimapolitisch: „O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie braun sind deine Blätter. Du dörrst nicht nur zur Sommerzeit, nein auch im Winter brennt dein Scheit.“ Oder warte, englisch geht auch: „Christmas time, whistleblow and crime. Children drinking whiskey and wine!“ Naja, vielleicht bin ich ja doch unterm Tisch besser aufgehoben. Dort könnt ich liegen und darüber nachdenken, wer über eine Kernkompetenz verfügt, die mir gänzlich fehlt: Mathematisches-logisches Verständnis und die Fähigkeit, folgende Rechenaufgabe zu lösen: 72 Stunden – 2 x Schlaf : 25 Personen + 13 Mahlzeiten = … ? Weihnachten!

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