Ich sitze in einem gepolsterten Ohrensessel unter hölzernen Dachbalken. Neben mir prasselt ein Feuer im Kamin, und mein Blick streichelt sanft über prächtig weiße Berge und pittoreske Steinbauten … naja, theoretisch sollte das so sein. Praktisch bin ich grade 400 Kilometer durch strömenden Regen ostwärts gefahren, um nach einer halbwegs anschaulichen bergigen Schneelandschaft diese wieder zu verlassen und pfeilgrad bergab ins Tal zu rauschen wie der von Geröll und Unrat gewaltigen Tauwetters durchsetzte Flusslauf, der neben mir hersprang wie ein übermütiges Rehkitz, um unten von nieseligem T-Shirtwetter empfangen zu werden, das auch nur den Versuch einer Kaminentzündung spottet. Beim Blick ins Tal, der sich mir vom (wirklich) Ohrensessel bietet, sagst du: Ja, so ein schöner Winterregen schmeichelt einfach ein jeder Landschaft, diese ganz besondere Magie von Braun, Grau und Fäulnis, und während du sorgfältig den winzigen Klumpen glitzernden Restvergnügens, den du in dir verborgen trägst, auf dass es zum Jahresende hin wenigstens noch einmal so eine richtige Gaudi wird, gefälligst, sagt eine nette Damen im Radio: also es sei ganz normal dass man eine gewisse Trübnis und Schwäche verspüre zum Jahresende, wegen der Dunkelheit im Allgemeinen und der Erschöpfung im Speziellen und dem großen Haufen Nichtgeschafftem, den man mit der Schneeschippe vor sich her ins neue Jahr schaufelt. Man solle sich einfach hineinbegeben in dieses Gefühl und sanft umarmen lassen vom Zwischendenjahren, in dem man im Fernsehprogramm verlorengeht oder vielleicht auch einmal im Wald, und das Gefühl soll man dann seinerseits fest umarmen und sagen: Schön, dass du da bist, liebe Erschöpfung, wir zwei ziehen uns was Bequemes an und rutschen dann Hand in Hand und in geschmeidigem Effet ins neue Jahr hinein! Und vor allem aus dem alten hinaus rutschen wir. „Das find ich eigentlich ganz gut“, hab ich gedacht, und da hat der Glitzerklumpen kurz freudig aufgeleuchtet und sich mit einem erleichternden Glimmen seufzend in mein Herz hineingekuschelt. Da sitzt er jetzt mir im Ohrensessel, und kurz nachdem wir begonnen haben, gemeinsam zu überlegen, wie das wohl alles weitergeht, haben der Glimmer und ich uns angeschaut und laut losgelacht und „lieber nicht!“ geprustet. Weil Vorsätze lieber auch nicht, haben wir uns überlegt, dass vielleicht Nachsätze schlauer sind. Wo man sagt: Jetzt schaust du einmal, was du alles so geschafft hast dieses Jahr, ganz ohne dass du’s vorgehabt hast. Seitdem sind der Glimmer und ich sehr vergnügt, es glitzerregnet regelrecht. Wenn das so weitergeht, dann langt’s womöglich doch zum Feuerwerk, mindestens zum inneren. Und das leuchtet vielleicht nicht heller, aber nachhaltiger ganz gewiss. Ich wünsch euch, dass ihr eure eigene kleine Wunderkerze findet. Und ein glitzerndes neues Jahr!
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