Grade eben hat eine Muse mich geküsst. „Schreib was über Frühling“, hauchte sie mir zu, „das geht immer.“ – „Das ist richtig“, sagte ich der Muse und wischte mir den feuchten Schmatz von der Wange, „doch leider ist überhaupt kein Frühling da, sondern nur ein Winter im abscheulichsten Gewand, nämlich dem des Februars – dieser grauslige Monat der herben Enttäuschung.“ Der Februar zertritt die Hoffnung der Menschen auf Wärme und Sonnenlicht unter seinen groben Sohlen und lässt erste verwirrte Insekten das gleiche Schicksal angedeihen. Er kündet von Neubeginn und Lebensfreude, nur um jeden dergestalten Anflug sogleich unter einer gewaltigen Faust zu zermalmen. Der Februar schickt sogenannte „Vorboten“ des Frühlings in die Straßen, nur um sich dann um so diebischer zu freuen, wenn der Mensch nach dem Köder schnappt wie nach den Würsteln an der Schnur – und ins Leere fällt. So ein Mensch saß neulich in einem Straßencafé. Es war noch nicht mal ein Straßencafé, denn das eigentliche anvisierte Straßencafé hatte zu, und so musste man in die Nebenanlokalität ausweichen, aus der unablässig feine Speisen in großen Papiertüten hinausgetragen wurden, ein sogenanntes „Take away“, aber weil der Februar angekündigt hatte, uns mit mehreren Stunden Sonnenschein zu beschenken, mussten wir das Fest feiern wie es fiel und durften nicht wählerisch sein. Aus den mehreren Stunden Sonne wurde dann ein nur wenige Minuten andauerndes Gefunzel aus den Lücken im dunklen Wolkendickicht, aber für ein reflexhaftes Aufsetzen aller Sonnenbrillen und wohlige „Aaaaaahs“ hat es sehr wohl gereicht, außerdem zwei wichtige Nachmittagsschoppen. Es folgten Eisfüße und frühe Kopfschmerzen samt der Frage, ob es das jetzt wirklich gebraucht hat. Aber ja verdammt, das hat es! Man kann ja den Februar ruhig verachten für seine Gemeinheiten, für seine Sonnengrüße, die er hinter sibirischen Winden versteckt. Für seine ollen Schneeglöckchen und Krokusse, mit denen er das schaurige Graubraun der zerwinterten Landschaft tupft, um dann eilig eine vorerst letzte Ladung Schnee und Eis darüberzukippen und „Upsi, ich hab’s gar nicht so gemeint“ zu kichern. Für seine vogelzwitschernden Konzerte und plötzlich hellen Abende, die einen Blick auf eine möglicherweise schöne Welt erhaschen lassen, bevor der Vorhang aus dichten Regenschleiern fällt und alle Hoffnung zunichte machen, man könne in absehbarer Zeit das Haus ohne Schirm und Friesennerz verlassen. Insofern fällt es mir, liebe Muse, ausnehmend schwer, über den Frühling zu schreiben, doch was wohl gehen könnte, wäre die Thematisierung der Abwesenheit desselben. Ich schau mal, was sich machen lässt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen