„Einatmen – zwo, drei vier – halten – zwo, drei vier – ausatmen – zwo, drei, vier – halten – zwo, drei, vier – einatmen – zwo, drei vier – halten …“ Entspannung ist in aller Munde, so natürlich auch in meinem, denn wir alle sind viel zu angespannt und permanent im Stress. Aus Eu-stress, dem guten, der uns zum rechtzeitigen Fertigstellen des Sonntagskuchens befähigt oder der Abgabe des besten aller Texte noch drei Minuten vor Deadline, wird Di-stress, also der schlechte. Der macht Magengrimmen, schlechte Nächte und am Ende Herzinfarkt, und weil niemand Herzinfarkt möchte, sucht der Mensch sein Heil in der Entspannung. Fündig wird er beim Bergbesteigen oder -hinabfahren, beim Jäten oder Musizieren, im Herabschauenden Hund oder Körbeflechten. Bestenfalls erreicht er einen Flow, in dem er gleichsam einem Jungbrunnen ganz versinkt und später erquickt wieder hervortaucht. Mei, hat das gutgetan. Doch es gibt zahlreiche andere Methoden, die die große Entspannung verheißen: Klangschale, Meditation und Atemschule versprechen den Körper zu beruhigen und den Geist zu erleichtern. Um diese Methode zu ergründen und bestenfalls irgendwann einmal die für mich geeignete zu finden, lag ich unlängst auf einem Boden. Auf eine dicke Matte gebettet wegen der Bequemlichkeit, versehen mit verschiedensten Kissen und Rollen zur angelegentlichen Hochlagerung verschiedener Körperteile und beschwert von einer mächtigen Decke sollte ich liegen und loslassen, anspannen und loslassen und die Gedanken sammeln und loslassen, was für mich ausgesprochen wichtig ist. Denn stets bin ich mit Gedanken so befüllt, dass das loslassen derselben sich für mich höchst schwierig gestaltet, sondern eher das Gegenteil auslöst: Sobald der Geist zur Ruhe kommt und sich nicht aktiv mit irgendwas beschäftigen muss, schaut er einmal nach links und rechts und klatscht dann freudig in die Hände: „Ach herrlich, endlich einmal haben wir alle Zeit und Ruhe der Welt, um alles anständig zu durchdenken. Da fällt mir ein: Hast du bei der Versicherung schon angerufen, um diesen seltsamen Beitrag endlich zu klären? Hast du schon den Termin beim Optiker vereinbart oder möchtest du weiter halbblind durch die Gegend laufen? Was machen wir denn jetzt eigentlich mit dem ungeliebten Fahrrad, wollten wir das nicht längst bei Ebay einstellen? Und wann genau gedenkst du eigentlich das Geschenk für Mutters 70. endlich anzugehen? Aber darüber können wir auch bei Wäscheabnehmen nachdenken. Auf auf!“ und schon ist aus dem befreiten Geist ein emsiger geworden. Also liege ich hier und lenke meine Gedanken auf ein imaginäres Quadrat, dessen Kanten ich abgehen und an ihnen entlang ich atmen kann. Ein, zwo drei vier, aus, zwo drei vier, ein, zwo drapüü … rapüü … Oh, Verzeihung. Scheint geklappt zu haben, bin prompt kurz eingenickt.
Freitag, 25. Oktober 2024
Freitag, 18. Oktober 2024
Nahtoderfahrung
„Als Nahtoderfahrung […] wird ein breites Spektrum
tiefgreifender persönlicher Erfahrungen bis hin zu […] Transzendenzerfahrungen
bezeichnet, die von Menschen gemacht werden, die sich in einer
lebensbedrohlichen Situation befunden haben.“ So steht’s geschrieben im
digitalen Brockhaus, und darin hab ich nachgeblättert auf der Suche nach einer
Erklärung für meine letzte Woche gemachte Erfahrung. Ich habe die Situation in
der Tat „er-fahren“, saß ich doch im Moment der allergrößten Furcht in einer
Gondel. Bis zu diesem Punkt ähnelt das NTE (s.o.) demjenigen, das ich einst im
schönen Gardaland er-fuhr und mich vermutlich zum meistschreienden, vielleicht
auch meistausgelachten Gast der Freizeitpark-Attraktion „Raptor“ gemacht hat:
Eine grauenhafte Achterbahn, die sehr viel mit kein Boden unter den Füßen,
jähen Kurven und steilem Abfall zu tun hat und in der Menschen mit
extraterrestrischer Höhenangst (ich) nichts zu suchen haben. Im Gegensatz zur
letztwöchig getanen Fahrt hatte diese jedoch einen großen Vorteil: Sie ging
derart rasant vonstatten, dass ich mich an Einzelheiten schon beim Verlassen
des Sitzes nicht mehr erinnern konnte. Ganz anders jetzt. „Genießen Sie die
Fahrt!“ hörte ich eine ferne Stimme rufen nur Sekunden, nachdem mir eine
Sitzfläche in die Kniekehlen geschossen und mein Schicksal besiegelt worden
war. Ich schwob von dannen, unter mir die Welt sehr klein, vor mir ein Berg
sehr hoch und in mir drin der tönende Nachklang von „30 Minuten Fahrt,
Entspannung, Ruhe, Genuss“. „Da rauf“ ist der Kufsteiner Stadtberg, ein
winzigkleiner Bruder des Wilden Kaisers, für gehschwache Personen ausgestattet
mit einem Sessellift, der in zwei Etappen auf 1272 Meter führt und oben mit
Einkehr, Spazierwegen und Postkarten-Panorama lockt. Geblendet von solcherlei
Versprechen war für mich das perfekte Ausflugsziel identifiziert, und ich
schnürte ein Sackerl und begab mich zum Berg. Wo mich die Aussicht auf Aussicht
bei Kaiserwetter derart blendete, dass das Wort „Sessellift“ jede Bedeutung
verlor. Was es bedeutet, bemerkte ich erst, als ich meinen Körper verließ und
über die Gipfel transzendierte: ein windiger Ein-Personen-Sitz mit einem
Strohhalm als Sicherung und einer Stahlseilaufhängung, wo man beim Hinaufblick
sagt, da hängt jeder Kleiderbügel in meinem Schrank stabiler. Hinaufgeblickt
hab ich viel, denn hinunter ging es 5 bis 50 Meter in die Wälder, und dort
baumelte ich, während ich mit 2m/s sanft in den sicheren Tod entgegenschaukelte
und mir sicher war, wenn nicht im Absturz, dann im Infarkt zu enden … Ich
transzendierte. Schwob auf den Gipfel und dort durch eine Postkarte, spazierte,
kehrte ein und wieder aus und schaukelte später ganz und gar außerkörperlich
den Berg wieder hinab. Fühle mich seitdem weise und erhellt. Der Raptor soll
ruhig kommen!
Freitag, 11. Oktober 2024
ALDI Reisen
So. Endlich. Diese höchst lästige Urlaubszeit ist
weitestgehend überstanden. Es bleibt einem zumindest größtenteils erspart, von
Menschen peinlicher Interviews über unentdeckte Ziele, hipste Trends und
schwerste jemals getragene Backpacks unterzogen zu werden als auch, von
Menschen auf Nachfrage zu deren Verbleib und Wohlergehen mit lästigen Details
aus unaussprechlichen Ländern, Vanlife-Romantik und Hostel-Charme behelligt zu
werden sowie auch mit den unvermeidlich darauffolgenden Fotodokumentationen auf
allen Kanälen – wobei ich die wenn ich’s mir recht überleg doch ganz
possierlich finde, reiste ich doch auf diesem Wege unlängst durch Japan, Korsika,
Slowenien und Elba gleichzeitig, und dafür war zwar heftige Fingerarbeit
notwendig (scrollscrollscroll), nicht aber, den müden Leib mühsam durch die
Welt zu schleppen, von Verpassungsangst gepeinigt oder der Sorge, bei der
unvermeidlichen Nachbesprechung in ungläubige Gesichter zu blicken, die nicht
starr sind vor Beeindruckung, sondern vor Ungläubigkeit: „Waaas, und da warst
du NICHT auf dem Dingenshügel und hast nicht im weltberühtem Bummenslokal
gesessen? Wer da nicht war, der hat Urlaubshausen nicht richtig gelebt! Schande
über dich!“ Ob es sein kann, dass ich Urlaub hasse? Mhmmnein! Jedoch was mir in
den letzten Jahren zunehmend ein Graus geworden ist, das ist die Vorbereitung
desselben. „Und, wo soll es hingehen?“ hab ich in den Wochen vor Bella Italia
zigmal gehört, „habt ihr schon gebucht?“ und ich „NEIN!“ schrie ich „nichts,
nada, niente, ich kann das alles nicht!“ Was ich meinte, war: Ich kann mich
nicht gut vorab informieren und entscheiden. Welcher Ort, welche Unterkunft,
wie wo was? Keine Ahnung, ich war ja noch nie da, und in der Werbung sieht
immer alles gut aus und dann fällt man auf sie hinein und dann hat man Werbung
versus Reality und alles falsch gemacht und nachher lachen die Menschen einen
aus und schauen ungläubig und sagen „Aber wieso seid ihr denn nicht DORT
gewesen und habt DA gewohnt, da ist es doch viel schöner?“ Eine schreckliche
Vorstellung. FOMO Spezial – Wasmeier Edition! Ich bin eher so Typ ALDI Reisen:
Jemand übernimmt die ganze Planung (und ergo auch Verantwortung,
zwinkerzwinker) vornweg, ich muss mich nur noch in Auto/ Zug/ Reisebus setzen
und dort aussteigen, wo man mir befiehlt und mir ein ausgeklügeltes
Ausflugsprogramm kredenzt. Diesem kann ich mich dann wortreich widersetzen, die
Reiseleitung „Kretin“ schimpfen und mir mein eigenes elaboriertes Süppchen
brauen. Oder ich hatsch halt einfach nur hinterher. Wie als Teenager mit den
Eltern, nur in nett. Papamama, fahrt ihr nochmal mit mir weg?
Freitag, 4. Oktober 2024
Urlaubspfunde
Back from Italia möchte ich mich eingedenk Pizza, Pasta,
Parmigiano lieber nicht mit einem möglicherweise meisterlich erschlemmten
Urlaubspfündchen befassen. Wohl aber mit der Bekämpfung desselben, schließlich
ist in nichtmal acht Wochen schon mittendrin in der Vorweihnachtszeit, wo man
bekanntlich sich a) unablässig im kleinen Schwarzen mit silbernen Flügelchen
hintendran und so kecken Drahtheiligenscheinen unter irgendwelchen
Lamettabäumen räkelt und keira-knightley-mäßig lasziv schaut anstatt was
anständiges gelernt zu haben (vgl. Dessouswerbung, die) und b) sich
hauptberuflich von Bratwurstsemmeln, Selbstgebackenem sowie Feierabendglühwein
ernährt – eine Kombination, die einer gewissen metabolischen Vorbereitung
bedarf. Ich als Frau der Tat bin also sogleich zu selbiger geschritten und habe
mir eine neue Sportmatte gekauft für den wahnsinnig vielen Zuhausesport, den
wir jetzt alle dauernd wieder machen, diese daheim aufs Kanapee und mich selbst
noch oben daraufgelegt und über eine Strategie gebrainstormt. „Wenn du dich und
den Feind kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu
fürchten“, hat mein alter Philosophenspezl und Kriegsführungsspezialist Sunzi
gesagt, und der muss es wissen, schließlich hat er sich mit der Methode sehr
erfolgreich durchs 6. Jhdt. v. Chr. schlawienert. „A propos Wienerl!“ hab ich
mir gedacht und mich mit kleinem Schwungholen seitlich von der Chaiselongue
fallen lassen, um von dort aus einmal quer durchs Wohnzimmer pfeilgrad hinüber
in die Küche zu rollen und hier mit einem zärtlichen Rumms vor dem Kühlschrank
zum Stillstand zu kommen, wohinaus ich mir den Feind geangelt und zwengs des
besseren Kennenlernens vorgeknöpft habe. Namentlich eine vorzügliche
luftgetrocknete Mailänder Salami mit Knoblauch und Pfeffer, weiters zwingend
frisch zu verzehrende Mitbringsel wie handgedrechselte Burrata (nur echt mit
Butter und Sahne!), alpenmilchfrische Bockshornkleespezialitäten samt nicht
mehr taufrischem, aber noch gut bekömmlichem Panino flankiert von einer
winzigen, parmesanenen Kleinigkeit Melanzane, auf die zum krönenden Abschluss
ein hauchdünner Ranken köstlichster Salame al Cioccolato folgte sowie ein vielleicht
nicht direkt nur dreisterneküchegroßes Häuflein Torta di Ricotta al Limone.
Alles in allem habe ich mich dabei nicht nur sehr pudelwohl, sondern nachgerade
im besten Sinne biblisch erleuchtet gefühlt: „Liebe deine Feinde!“, heißt es im
Buch der Bücher (Matthäus 5,38‒48), das auch direkt die Lösung für
möglicherweise auf die Liebe folgende Selbstzweifel nachreicht: „Und tu Gutes
denen, die dich hassen!“ Selfcare is the Zauberwort! Das kleine Schwarze gibt’s
in größer schließlich auch. Amen.