Freitag, 1. November 2024

Salopette

 

Einen langen Moment hab ich recht verdutzt geschaut auf ein Fundstück im Elternflur, weil da stand eine sehr knallblaue, sehr unerwartete Sache, die ich partout keinem Hausbewohner zuordnen konnte. „Wem, bittesehr“, hab ich deshalb gefragt, „gehören denn diese irren Gummistiefel?“, und ich war auf viele Antworten gefasst. Doch nicht auf die, die ich bekam: „Mir!“ antwortete, und ich kann’s immer noch kaum glauben, das Muttertier, und durch einen bemühten Ton der Ironie erklang laut und deutlich blanker Stolz: „Ich musste die kaufen, damit wir künftig besser in Pfützen springen können.“, und ich war ein bisschen fassungslos, aber vor allem auch ergriffen. Weil gleichzeitig an dem Tag, an dem ich eine Tante geworden bin, ist jemand anders – ein verrückter Zufall! – zum Großmuttertier gemacht worden. Und mittendrin in dieser komplizierten sipplichen Verstrickung thront ein überaus geliebtes Kind, für dessen Lebensglück sich gleich eine ganze Herde zuständig betrachtet. Und wenn das Kind Pfützen springen möchte, dann springen wir selbstverständlich nicht nur mit, sondern gewissermaßen proaktiv voran. Das ist aber auch kein Schaden, denn von Kindern allgemein und diesem im Speziellen kann man allerlei Hilfreiches und Kluges lernen. Und so auch den Umgang mit den Jahreszeiten. Allem voran mit dem sogenannten „Schmuddelwetter“. Ab einem Alter, das es noch zu definieren gilt, beginnt der Mensch beim ersten herabfallen Blatt, dem ersten Hauch von Nebel und Andeutung eines Regentropfens in ein grundsätzliches Lamento zu verfallen mit sehr viel Igitt und Bäh und überhaupt Pfui Deifi! Es drohen nasse Füße und zerdrückte Frisuren, laufende Nase und kalte Finger, und um den Zustand massiven Missmuts zu unterstreichen, gewandet man sich in schweigender gesellschaftlicher Übereinkunft nur mehr schwarz und grau und legt sich beim Verlassen des Hauses eine grantige Miene zu. Das Kind hingegen: großes Glück! Sieht in fallendem Laub kein schlechtes Omen, sondern große Haufen, in denen man rotgesichtig herumspringen, Dinge finden und Igel vermuten kann. Sieht im frühen Abenddunkel keinen Lebensfeind, sondern eine willkommene Gelegenheit, endlich all die Lichtlein auszutesten, die man übers Jahr gesammelt hat und bald zu Laternen komponiert. Sieht im aufgeweichten regenmatsch kein grauenhaftes Ärgernis, das es weiträumig zu umschiffen gilt, sondern eine willkommene Gelegenheit, herauszufinden, welch große Fontänen man doch mit dem Laufrad produzieren kann und wie dicht die Matschhose nun wirklich ist, ohne die ganz grundsätzlich das Haus nicht mehr verlassen wird. Warum auch? Ich treffe nachher Kind und Omama, meine Gummistiefel hab ich bereitgestellt. Matschhose? Heißt für uns halt anders: „Salopette“, zum Beispiel. Und wenn das nicht nach guter Laune klingt, dann weiß ich auch nicht. Kauf ich sofort!

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