Freitag, 8. August 2025

Dr. Osophila

 

Juhu, endlich Sommerferien! Na gut, für mich eigentlich nicht, aber nachdem diese Phase zu den besseren bis besten Erinnerungen an meine Schulzeit gehört, freu ich mich einfach weiter drüber. Ebenfalls in sehr guter Erinnerung geblieben ist mir der Bio-LK. Hier habe ich viel gelernt, was mich heute noch freut – man könnte auch sagen, hier habe ich einen nicht zu kleinen Teil unnützen Wissens angehäuft, mit dem ich im Smalltalk und bei Tisch brilliere. Dazu gehört neben kluger Schlagworte wie „Parthenogenese“ oder „Klinefelter-Syndrom“ auch „Drosophila“ – wobei es sich nicht um einen reüssierenden Mädchennamen aus der Antike handelt, sondern um eine lautliche Wohltat für ganz und gar garstige Wesen. Diese sind winzigklein, blicken einen bei mikroskopischer Betrachtung aus furchterregend roten Teufelsaugen an und entzücken die Forschung seit Äonen wegen irgendwas im Genpool. Was genau, erinnere ich nicht mehr, aber vermutlich ist es gerade dieser Wissensnebel, der mir in höchstem Maße Sorgen bereitet. „Ich mach mir große Sorgen um die Küchensituation“, hab ich dem Mann neulich gestanden. Seine Antwort wurde von einem vielstimmigen Sirren davongetragen, derweil ich einer Szene beiwohnte, die mich frappierend an biblische Plagen und umherziehende Schwärme Myriaden gefräßiger Heuschrecken erinnerte, hinter dessen schwärmendem und zuckendem Vorhang ich irgendwo den Mann vermutete. Grund für die alttestamentarische Erschütterung war mein Leichtsinn, der mich naiv den Deckel zum Biomüll hatte öffnen lassen und damit einen Vulkanausbruch auslöste: Apfelgriebs hinein, eine Fantastilliarde Fruchtfliegen hinaus. Doch das war nicht mein Problem. „Weißt du, ich trau mich nicht mehr, eine Falle zu installieren, weil mich beunruhigt das Verhalten, das die bei den Fliegen auslöst.“ Während nämlich manche (dumme) Individuen sich kopflos und gierig in die Suppe aus Apfelessig und Spüli stürzte, um dort die ewige Ruhe zu finden, setzte sich ein anderer Teil frivol an den Rand des Swimmingpools, baumelte mit den Beinen und zeigte mir die lange Nase. „Ich habe Sorge, hier irgendeine problematische Form natürlicher Auslese zu betreiben und im Begriff zu sein, eine Art Superfliege zu züchten“, führte ich meine Bedenken weiter aus. 100 Eier täglich legt so eine Fliegenfrau, fertig ist die Brut zehn Tage später. Wenn die von Generation zu Generation, Darwin lässt grüßen, schlauer, größer, stärker werden, welches Unglück bringe ich dann grade über die Menschheit? Werde ich dereinst über ein von mir geschaffenes Heer hochintelligenter Riesenfliegen herrschen? Gehe ich ein in die Historie als Dr. Osophila, Herrin der Fruchtfliegen, die ihre Schwärme dorthin schickt, wo mal wieder richtig aufgeräumt gehört? So gesehen find ich den Gedanken nicht mehr ganz so furchterregend. Ich geh mal Apfelessig kaufen.

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