„Die Grippewelle“, hat das Robert-Koch-Institut die Tage gejubelt, „ist überstanden!“ Ich weiß überhaupt nicht, wieso man sich da so freuen muss, vielmehr finde ich diesen Umstand höchst problematisch, weil ich mein, worüber soll man sich denn dann jetzt immerzu unterhalten? Ja, Wetter, stimmt schon, Winterreifen von O bis O oder lieber noch ein bisschen länger, auf und ab, puha schwierig, Zeitumstellung auch problematisch weil jetzt Jetlag und verschlafen und außerdem abends immer so lang hell dass eingegroovte Wintertraditionen neu überdacht werden müssen. A propos überdacht: Ist man da letzthin (Lautschrift fränkisch: letzding) so gesessen. Oben Dach, unten nass, draußen auch, drinnen nicht, oder naja nur vielleicht ein kleines bisschen, aber da sind wir Nordlichter ja nicht so, und es gibt schließlich Decken. Die hätten sich auch die Touristen gewünscht, die nicht unterm Dach, dafür unterm Schnürlregen umeinandergeirrt sind und jacken- und beinfrei versucht haben, im ganzen Grau dieses tolle Frühlingsnürnberg zu finden, von dem immer alle reden. Hab ich jetzt auch nicht weiterhelfen können. Dafür einem Mitesser, nee: -trinker! in seiner Lebensnot. Weil der Schnürlregen so richtig Lust gemacht hat aufs Leben im Allgemeinen und Open-Airs im Speziellen hab ich mich intensiv auf ein solches demnächst anstehendes freuen müssen. „Da gehen wir hin, gell?“ hab ich mich um Begleitung bemüht und als Antwort eine bekommen, die so wenig ungewöhnlich wie in ihrer Salonfähigkeit langsam doch bedenklich ist: „Nein. Ich hasse Menschen.“ Vor unseren Augen und vor allem Ohren hat grad in dem Moment ein netter Herr in einem Auto akustisch und gestisch mitteilen müssen, dass er das Verhalten eines Fußgängers nicht so ganz arg superprima findet. „Ich …“ – HUUUUUUUUUPHUUUUP! – „… ja eigentlich …“ – HUUUUUUUUUUUP! – „… nicht so schlimm“ hab ich mich durch die Autowut gehangelt und erläutert, dass also vielleicht schon eine gewisse Abneigung nicht von der Hand zu weisen ist gegen einzelne Spezialindividuen mit Spezialcharakterzügen, aber jetzt so ganz im Allgemeinen könnte ich eigentlich nicht … „Dochdoch. Ich hasse Menschen. Allein oder in Massen, ganz egal.“ Da war ich schon ein bisschen bestürzt. „Aber jetzt stell dir vor“, ich: hilfsbereit, „ich wär ganz viele!“ Spontan hab ich Gefallen an dem Gedanken gefunden und auch der Mitsitzer, glaub ich, zumindest hat er gleich gesagt „Um Gottes Willen!“ und „Dann wärst du ja überall!“ Eine Idee, die mich mehr und mehr verzückt. Ich könnte gleichzeitig maulig auf einem Kanapee liegen und fleißig Sport machen und hier und da ein bisschen Geld verdienen und gutgelaunt und superentspannt auf jeder Veranstaltung erscheinen und egal wo jemand hinkommt, ich wär da auch schon, und bei Sonder- und Massenevents könnte ich mich dann mit mir allen treffen und hätte einen Riesenspaß. Es gilt nur noch die Frage der Koordination zu klären. Shared Exel, ganz klar, ich bin ja nicht von gestern. Aber während die Beisitzerin fortschrittlich erklärt hat, dass da halt in der Mitte ein iPhone stehen muss, um sämtliche Kommunikationen, Erinnerungen und so zentral zu speichern, find ich alte Anachronistin viel schön, wenn dann irgendwo in Nürnberg in einem tiefen Kellerloch oder noch besser: Kanalsystem ein gigantisches, rosa-glänzendes Wasmeiermetageehirn liegen könnte, das pulsierend und so ein bisschen von Stromblitzen umwölkt alles steuern kann. Alles. So … Bitte wie? Ich? Fieber? Nö, wieso. Aber im Großen und Ganzen würd ich empfehlen, dass weil wir alle so saumäßig christlich unterwegs sind wir alle schön fein im Betgewand daheim oder auf einer Kirchenbank knien und den Herrgott preisen statt heidnisch umeinanderzuschlawanzeln. Frei nach dem Motto: „Welche Sozialkompetenzen können Sie vorweisen?“ – „Ich kann gut Mitmenschen umgehen.“
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