Freitag, 16. März 2018

Superpower

Schon wieder ist eine Woche vorbei, und ich denk, ich darf mich so weit aus dem noch sehr ungeputzten weil noch gar nicht so schwer frühlingssonnengeplagten Fenster lehnen um erleichtert zu verkünden: Ich bin übern Berg. Das war jetzt so nicht zu erwarten, hab ich doch vor einer Woche einen Onkel Doktor heim- und um Supersonderspezialbehandlung ersuchen müssen, weil hab ich gedacht, vor Ohrschmerz tät ich noch nicht einmal hören, wie mein letztes Stündlein schlägt. Der Onkel Doktor hat dann aber mit flinker Hand und sehr grausliger Pinzette eine Sache aus dem Gehörgang operiert, wo man sagt: Wie kommt jetzt das da hin? War’s doch ein Kopfhaar, das Schutz vor der Kälte zwischen Amboss und Steigbügel gesucht und sich wohlig warm ans Trommelfell geschmiegt hat. Fand der zu Bekuschelnde nur halt nicht so prima. Jetzt jedenfalls ich so: aufsteigender Ast, derweil das ganze Außenrum scheint’s derart der Malaise anheimgefallen ist, dass man sich schon fragen muss, wieso überhaupt noch irgendwas funktioniert in dieser Stadt. „Franken liegt flach“ titelt auch sogleich ein uns allen wohlbekanntes Online-Nachrichtenportal in gewohnt journalistischer Zurückhaltung, und jetzt wo das so offiziell ist, kann ich mich vielleicht auch trauen, ein Geständnis zu wagen: Ich bin schuld. Ich bin der große Virulenz, der Grippeherd, das Epizentrum. Zumindest werd ich so behandelt. „Pfui Deifi, geh bloß weg von mir!“, werd ich angeschrien auf offener Straße, man wendet sich ab, schlingt sich Schals und Socken vor die Atemwege, wo immer ich erscheine, man tät mich ja schon gern umarmen auch wegen Geburtstag und so, sähe aber aus naheliegenden Gründen davon ab, gratuliere lieber huldvoll winkend aus der Ferne und sende Präsente per balkoniertem Flaschenzug, und „Wenn ich morgen krank bin, bist du schuld, ich warne dich!“ So sitz ich also wie ein traurig-infektiöser Midas in der Karantähne, wiege mich selbst, kommuniziere über in sterile Binden gewundene Botschaften, die ich in Edelstahl gemeißelt habe, warte ab und trinke Tee. Doch scheint’s hab ich die Rechnung ohne meine eigene Superkraft gemacht. Was als verhaltenes Näseln begann, hat sich mittlerweile zu einer ausgewachsenen Katastrophe, ja, ähm, ausgewachsen: die Nebenan-Oma ist krank. Da schnobert’s und kulcht’s und tut umeinander, dass es dich nur noch reißt. Und jetzt weiß ich aber, dass die Oma gar nicht mehr die Wohnung verlässt, weil in diesem Draußen halt gar nicht mehr so viele Oma-Sachen zu erledigen sind, und also woher kommt jetzt dann die Kontamination? Es kann nicht anders sein: von mir! Mutmaßlich hab ich per spezialer Superpower allsämtliche Bazilloviren pfeilgrad durch die Wand geniest, was jetzt vielleicht nicht ganz so ein Wunder ist, weiß man doch, dass es sich hierbei um von Tapetenleim und Farbe aufrechtgehaltenem Butterbrotpapier handelt. Unversehens kam gestern noch ein Mordshusten dazu, wo man sagen kann: Das ist jetzt halt eine Rache, aber der Husten ist dann plötzlich gewandert und war gar nicht mehr neben, sondern über mir, und jetzt hab ich mich dann schon fragen müssen: Hab ich jetzt nach raufwärts auch angesteckt oder hat sich die Oma wegen Rückstoß grad an die Decke geniest? Die Ortung wird erschwert, versucht doch der Hausknabe mittlerweile, nach Gitarre, Triangel und Klavier den Willen einer Klarinette zu brechen. Oder meinen. Ob ich mein Haar wohl wieder ins Ohr hineingepfrimelt bekommen kann? 

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