„Das ist“, hat das Pubertier letzthin geschlaumeiert, „wie damals mit dem Lippenstift, den es plötzlich nicht mehr gegeben hat“, und weil die alte Wunde schon so schön aufgerissen war, hat es direkt gleich noch ein bisschen hilfsbereit an den Rändern gezupft und einen ordentlichen Schuss Salz hineingegeben. „Das weiß ich noch genau, wie du mich gezwungen hast mit den in Laden zu kommen und du rumgeschrien und geweint hast, dass das doch alles nicht wahr sein darf!“ Nun, hab ich milde genickt und einen gewissen Hang zur Übertreibung zum Zwecke der Plastizierung des Erzählten direkt goutieren müssen, denn selbstverständlich war das damals alles ganz höchstens vielleicht so ähnlich, nicht aber hat sich hier irgendwer auf irgendwelchen Drogeriemarktböden gewälzt und die Ungerechtigkeit de Welt angeprangert, nur weil so ein klitzekleiner unbedeutender Lippenstift vom Markt genommen worden war. Jetzt hingegen war die Lage ernst. Vor einigen Wochen wurde mir unvermittelt die Erleuchtung zuteil. Ein Gottesgeschenk, eine himmlische Niederkunft aus Leopard und Silber und Bugabsatz. „Ich bin verliebt“, hatte ich damals einer vorbeihuschenden Verkaufsperson zugesäuselt und meine Zukünftigen sanft im Arm gewiegt und zärtlich meine Wangen ans Leder gerieben, und der Blick der Verkaufsperson kann nur tiefes Verständnis bedeutet haben, ich bin mir sicher, und auch der BFF schrie „DAS BIST SO DU! KAUFEN!!“ Es sollte sich in der Folge herausstellen, dass es sich bei meinen neuen Gefährten, den silberbeschlagenen Leopardencowboystiefeln, nicht nur um die schönsten, sondern auch noch die bequemsten Schuhe der Welt handelte, und so gedieh in mir ein raffinierter Plan, der sich aus der leidvollen Lippenstifterfahrung speiste: Die kauf ich jetzt einfach so oft, dass ich sie für den Rest meines Lebens tragen kann! Anstatt die perfiden Plan sogleich in die Tat umzusetzen, schlief ich unruhig, stürzte mich am Morgen ins Internet und las „Aktion: 30% auf alles“ und glückstaumelte durch den Katalog und fand: „Dieser Artikel ist leider in Ihrer Größe ausverkauft – Verfügbarkeit in Wunschfiliale prüfen“. Schon nicht mehr ganz so taumelig prüfte ich erst Wunschfilialen in der Stadt, dann Region, dann in Wien, Berlin und Großbritannien, telefonierte – nein: weinte mit der Zentrale und diese mit mir, schrieb an Hersteller, stieß auf Verständnis, doch Ratlosigkeit, verzweifelte, schluchzte im Laden, gestützt vom Personal, das recherchierte und forschte und sprach: „In Passau, da haben sie noch ein Paar. Aber das wird dir nicht viel helfen, wir dürfen die nicht zwischen den Filialen verschicken.“ Völlig von Sinnen vor Schmerz rief ich also Passau: „Hallo, mein Name ist Katharina Wasmeier, ich bin aus Nürnberg und wahnsinnig verzweifelt. Sie MÜSSEN mir HELFEN!“ Und eine sanfte Männerstimme sprach: „Sehr gerne.“ Meine missliche Lage war kurz skizziert, Verständnis kroch wohlig wärmend durch die Leitung, und dann die Worte: „In welche Filiale darf ich Ihnen die Schuhe denn schicken?“ Ich: „ICH DACHTE DAS DÜRFEN SIE NICHT??“ Er: „Ach wissen Sie – das machen wir jetzt einfach mal.“ Und jetzt haltet euch fest: „Wem hab ich denn dieses wahnsinnige Glück zu verdanken?“ – „Genau dem: Glück ist mein Name.“ Es stimmt, ich hab’s nachgeschaut. Was ein Glück!
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