Ich habe einen tollen Balkon, zumindest wenn man von vorne auf unsere Häuserfront zufährt. Im Gesamtvergleich von dürren verzünslerten Buchsbäumchen, müde im Wind wehenden Fußballflaggen und überquellend ausgebleichten Plastikbouquets strahlt der meinige als einer der wenigen Balkone mit Herz dem geneigten Passanten entgegen. Bunte Lampions zeugen von meinem kindlichen Wesen, eine knallgelbe Markise von meinem sonnigen Gemüt (und schattigen Körper). Zu mannshohen Gebüschen gewucherte Basilikumsträucher künden von meinem grünen Daumen sowie der Sucht nach Tomate-Mozzarella-Basilikum-Knoblauch-Gerichten (vulgo: Tommi-Mozzi) von O bis O. Zu den nützlichen Dingen gesellen sich schöne wie ein alter Fensterrahmen, der seinerseits allerlei Gewächse beherbergt, sowie ein schwarzglänzender Grill, der noch dazu kommunizieren kann, gemahnt er doch an seine längst überfällige Nutzung, indem er gelegentlich mit Schwung in meine Hüfte beißt. Eine strahlende Galerie aus rot-pink-neon umrahmt mein kleines Stück Urlaub, wo die Blüten sprießen und in herrlichem Kontrast stehen zu Gegenüberbeton und Himmelssmog. Letzteren kann ich seit vergangenem Jahr besonders gut betrachten, nämlich seitdem ich im Schweiße meines Angesichts (und womöglich auch des einer weiteren Person) mir meine höchsteigene, achtteilige, multifunktionale Balkonbank habe bauen wollen und nach anfänglichen Versuchen dann habe bauen lassen, denn es hatte sich herausgestellt, dass zwanzig mal drei Meter Holz vergleichsweise überraschend viel sind und noch viel mehr, wenn diese in circa 40 Zentimeter lange Klötze zu schneiden und anschließend zu schleifen und weiterzuverarbeiten sind. Jetzt aber kann ich dort sitzen, fläzen, liegen und mich freuen: Die Blumen leuchten, die Lampions schaukeln sanft im gelben Schatten, es duftet nach Kräutern. Konnte. Ich konnte mich freuen. Seit einer Woche ereignete sich ein Vorfall, der es mir unmöglich macht, den Balkon zu betreten. Vergnügt summend wollte ich ein wenig Gärtnern, hob Samen, Erde, Töpflein hervor und erlitt einen Herzinfarkt. Nämlich saß eine gigantische Spinne inmitten eines gigantischen Nestes an der Unterseite eines Gefäßes, blickte mich achtfach drohend an und sprach „Wenn du es wagst, meiner Brut etwas zuleide zu tun, fresse ich dich auf!“ Ich gehorchte mit einem lauten Schrei und floh türenschlagend unters Kanapee, wo ich bang verharrte, bis der Kammerjäger nach Hause kam. „KÄRCHER!“, schrie ich. „FLAMMENWERFER! NATRONBOMBE!“ Und er, salbungsvoll: „Ja, oder ich nehm sie halt einfach und trag sie runter, hm?“ Was soll ich sagen? Er nahm sie, trug sie – und ließ sie fallen. „Ähm also ich weiß jetzt nicht genau ob sie runtergefallen ist oder sich irgendwo hier versteckt hat“, sprach der Held. Die Balkontür ist seitdem fest verschlossen, Blumen verdörren, ich bin hilflos. Bitte rettet mich!
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