Every Generation got its own disease – and I got mine! Jede Generation hat diese eine Erfahrung gemacht, die sie bis ins Mark erschüttert und fortan nicht nur als emotionale Kerbe begleitet, sondern auch verbindet. Ein geheimes Zeichen, ein winziges Wort kann ausreichen, um alles wieder hervorzuholen, Bilder, Gerüche, Gefühle zu schaffen und zu signalisieren: Hey, ich hab das selbe mitgemacht wie du, ich trage die gleichen Wunden, wir kommen aus dem selben Stall. Das ist für Herdentiere wie den Menschen eine existenzielle Erfahrung, die sich aus den unterschiedlichsten historischen Ereignissen speisen kann. Für mich und meine Generation ist das: Das Yps-Heft mit den Urzeitkrebsen. Sofort und auch akkurat jetzt in der Sekunde sehe ich mein Kinderzimmer vor mir, rieche die wohlig-schauerige Mischung aus meterdickem Staub, Impulse Vanilla und vergessenen Socken. Ich kann blind aufzeichnen, an welcher Stelle der mit Medizini-Postern und Bravo-Starschnitten tapezierten Wand ein Affenbaby, wo Mehmet Scholl hing und wo Take That, ich sehe Türme mit CDs neben liebevoll bemalten Mixtapes und weiß sofort wieder, wieso Mäuse in Terrarien zu halten einfach keine gute Idee ist. Mittendrin: ein Glas Wasser mit einer trüben Flüssigkeit, die, wenn man genau hinschaut, zappelt. ALLE hatten sie, ALLE haben sie geliebt, bei ALLEN sind sie gestorben. Und niemand hat sie jemals auch nur annähernd verstanden. Ich meine: Hey, du reißt ein winziges Tütchen auf und streust Staubflocken in Wasser, von denen du weißt, die sind so alt wie DINOSAURIER! und dann plötzlich haben die Flocken BEINE und BEWEGEN sich?! In meiner ganz eigenen Nostalgie habe ich seitdem mehrfach versucht, die Ypskrebse nachzuzüchten. Doch was ich auch tue, es will mir nicht gelingen. Mit Leinsamen habe ich urwäldliche Flachsplantagen im Spülbeckenabguss angesät und Orangen zu flauschigen Feldern kuschligen Schimmels dressiert, ich habe Leben im Tropfbecken der Kaffeemaschine erschaffen und ja, es gelingt mir, toten Avokadokernen frischen Atem einzuhauchen, doch das urgöttliche kreationistische Allmachtsgefühl, aus Staub Leben geschaffen zu haben, blieb bislang aus – bis zu diesem einen Tag, an dem ich es garantiert geschafft hätte, tote Materie zu einem Dasein mit Willen und Füßen zu inspirieren. Doch leider kam es anders. Nämlich in meiner Abwesenheit der Mann nach Hause. „Du!“, rief es mir auf der Türschwelle zu, „ich hab mal den Tropffang hinten im Kühlschrank saubergemacht. Unglaublich, was da alles rauskam, das willst du nicht wissen! Wie lang hast du das denn nicht mehr geputzt??“ Tja. Was willst du machen. So muss sich Beuys gefühlt haben, als die Genossinnen die Badewanne schrubbten. Bleibt mir wohl nur die Erinnerung. Oder Ebay. Hier werden die Urzeitkrebse noch verkauft – sogar in der XXL-Variante! Wer möchte?
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