Spätestens, als der nette Fahrradverkäufer mir mit unschuldiger Miene neulich zur Testfahrt ein massives Tiefeinsteiger-Fahrrad zuschob, hätte mir aufgehen können, dass zwischen meinem Innendringefühl und meiner Außenwirkung eine gewisse Diskrepanz besteht … Älter werden geht mit vielen gewöhnungsbedürftigen Dingen einher, beispielweise, dass man irgendwann irritiert feststellt, dass einen zwar nicht mehr alle Kneipiers der Stadt mit Namen ansprechen können, dafür aber die Sprechstundenhilfen aller Arztpraxen. Vor allem aber wird die Schere zwischen Außenwirkungen und Innendringefühl von einem selbst unbemerkt immer größer, was zu verwirrenden Situationen führt, über die wir mehr reden sollten, da ich ahne, dass es sich hierbei nicht um mein persönliches, sondern ein gesamtgesellschaftliches Phänomen handelt. Also ähm … hoffentlich. Zum Beispiel, wenn einem im Bus ein Knabe den Platz anbietet. Dann ist das innere Ich (Mitte 20, vital, in shape, flippig) ehrlich empört, derweil der junge Mensch sich verblüfft wundert, was er der alten Frau (irgendwas zwischen 40 und 80, mit Rucksack, Daunenmantel, Chelsea Boots und Golddekor in der typischen Uniform aller Hängegebliebenen) wohl angetan hat. Man wird zornig, wenn 20-jährige vermeintlich Gleichaltrige einen auf der Straße siezen und möchte dennoch ebenso alten Polizeibeamten vor Entzücken liebevoll in die Wange kneifen, wenn sie einen Tadel aussprechen, beansprucht wie seit hundert Jahren im Lieblingsclub die erste Reihe für sich und lacht gleichzeitig „den Vaddi da hinten“ aus, der „wohl seine Tochter sucht“. Und so wird aus einem eigentlich unverdächtigen Akt wie „Fahrradkauf“ plötzlich eine heikle Angelegenheit. „Das war die schlimmste ,20-Jähriger berät 50-Jährige-Situation‘ in der ich jemals war“, sprach der Mann, ebenfalls forever young, und kleidete in Worte, was mir knapp zwei Stunden unerklärliches Unwohlsein bereitet hatte: eine sagenhafte Diskrepanz zwischen Innen und Außen. Von innen gesehen hatten zwei hippe, witzige Junggebliebene mit einem ungefähr gleichalten Verkäufer nicht nur geschäkert, sondern auch überaus klug gefachsimpelt, Erfahrungen ausgetauscht und ironische Blicke, derweil eine ältere Kundin nebenan Radldomino spielte und mittels ungebändigtem Ebike unablässig in die ausgestellte Ware fiel, hihi, die Dumme, dabei weiß man doch dass der Boden hier so rutschig ist. Und dann der Tiefpunkt, äh: Tiefeinsteiger, den ich mir („so ein Altfrauenrad!“) empört verbat und mich nebenbei bemühte, ein weiteres Mal meine eigentliche Liebe zum rohen Mountainbiken zu betonen und die schlichte, weil alltagspraktische Notwendigkeit eines Damenrads mit Korb, mit dem ich dynamisch, doch kontrolliert (der Boden) Proberunden zog und mich dabei insgeheim über den bequemen Breitarschsattel freute … Sagt mal, ihr da draußen: Bleibt das so? Mir wär’s eigentlich recht.
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